LUA-Fachbeitrag: Die Bedeutung von Naturwäldern für den Klimaschutz

 Markus Pointinger  |  

Alte natürliche Wälder speichern große Mengen an Kohlenstoff und sind daher wichtig für den Klimaschutz


Fachbeitrag von Gishild Schaufler

Aufgrund aktueller Diskussionen über die Bewirtschaftung von Wäldern zur CO2-Speicherung und verkürzten Äußerungen über CO2-Freisetzung beim „Verfaulen“ von morschen Stämmen im Naturwald, wird in diesem kurzen Fachbeitrag eine Zusammenfassung über die Vorgänge der CO2- bzw. Kohlenstoffspeicherung in Wirtschafts- und Naturwäldern bereit gestellt. Damit soll dem möglichen Missverständnis, Naturwälder wären schlecht für den Klimaschutz, entgegen gewirkt und die Wichtigkeit von alten natürlichen Wäldern für die CO2-Speicherung und den Klimaschutz ins Bewusstsein gerückt werden.

Der Kohlenstoffkreislauf (wie auch alle anderen Stoffkreisläufe und deren Interaktionen untereinander) stellt ein äußerst komplexes System dar. Bei diesem Kreislauf zwischen Atmosphäre und Biosphäre kommt es immer wieder zu einer Speicherung und Freisetzung von Kohlenstoff (C). Aufgrund der weitreichenden zusätzlich durch den Menschen verursachten CO2-Abgaben an die Atmosphäre seit der industriellen Revolution wurde das natürliche Gleichgewicht aber gestört. Der hohe CO2-Gehalt ist neben anderen Treibhausgasen verantwortlich für den Klimawandel. Um den dramatischen Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre einzudämmen, ist es neben weiteren Reduktionsmaßnahmen wichtig, bestehende Speicher, wie Wälder, zu schützen.

Grundsätzlich kann der Wirtschaftswald nur einen wachsenden Kohlenstoffspeicher darstellen, wenn der Holzzuwachs größer ist als die Ernte, weil bei der Verwertung des Holzes aus einem Wirtschaftswald, wenn es z.B. als Brennstoff verheizt wird oder der Lebenszyklus eines hergestellten Produktes zu Ende geht, der Kohlenstoff wieder freigesetzt wird. Durch  Aufforstung kann es aber wieder zu einer Kompensation des Kohlenstoffverlustes durch die erneute Aufnahme in der Vegetation kommen. Auch in einem Naturwald wird durch das Absterben von Bäumen Kohlenstoff freigesetzt, der aber durch die gleichmäßige Naturverjüngung aufgrund der gemischten Altersstruktur auf natürliche Weise wieder gespeichert wird. Allerdings sind bei diesem Kreislauf noch viele weitere Punkte zu berücksichtigen, wie nachfolgend beschrieben wird.

Nicht die Bäume sondern der Waldboden ist der Hauptspeicher für Kohlenstoff

Der Kohlenstoffhaushalt des Waldes wird durch viele Faktoren beeinflusst, wie z.B. die Waldnutzungsform, Wild und Weidevieh, Baumarten und daraus resultierende Zusammensetzung der Streu, Temperatur, Bodenfeuchte, Bodenleben, Mineralbodenzustand, CO2- und Stickstoffdüngung, Störungshäufigkeit, usw. (Weiss et al. 2000). Nicht nur die Vegetation spielt eine Rolle in der CO2-Bilanz, sondern vielmehr auch der Boden, da in der Vegetation nur ca. ¼ und die restlichen ¾ des terrestrischen Kohlenstoffs im Boden gespeichert sind. Die Mikroorganismen im Boden bauen zwar einen Großteil des Humus über mehrere Zwischenstufen ab und der Kohlenstoff gelangt dabei wieder zurück in die Atmosphäre, es entstehen aber auch noch stabile, nicht weiter zersetzbare Humusformen. Der darin gebundene Kohlenstoff wird dem Kreislauf über Jahrhunderte bis Jahrtausende entzogen (Egli et al. 2001).

 

Biodiversität und ein gesunder Boden sind wichtig für die Kohlenstoffspeicherung

Die Biodiversität ist auch in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Ein gesunder Boden wimmelt von Leben und beinhaltet höchst verschiedene Arten wie Regenwürmer und Insekten, aber auch Vertreter aller Gruppen von Mikroorganismen, Pilzen, Algen, Cyanobakterien, usw. Die Aktivitäten dieser Tiere und Pflanzen haben einen starken Einfluss auf die physikalische, chemische und biologische Bodenqualität, insb. in Bezug auf die Bodenstruktur, Belüftung und Versickerung von Wasser und den Nährstoffkreislauf. Da die Biodiversität eine positive Wirkung auf den Speicher von organischem Bodenkohlenstoff hat, speichern Ökosysteme mit hoher Biodiversität mehr Kohlenstoff in Boden und Lebewesen als solche mit reduzierter Biodiversität (Lal, 2004).

 

Umwandlung von Naturwald in Wirtschaftswald setzt CO2 frei

Mehrere Untersuchungen ergaben, dass Landnutzungsänderungen von natürlichen Wäldern in Holz-Plantagen zu einem langfristigen Kohlenstoffverlust an die Atmosphäre führen (Guo und Gifford, 2002; Janssens et al. 2005) und dass auch umgekehrt der organische Kohlenstoff im Boden von aufgeforstetem zu nachfolgendem und natürlichem Wald zunimmt (Degryze et al. 2004; vgl. Romanyà et al. 2000; Lal, 2004). In den gemäßigten Zonen weisen Wirtschaftswälder eine um ca. 40-50% reduzierte Biomasse auf. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass forstlich genutzte Wälder nicht das gleiche Alter erreichen, wie der Primärwald. Bei Durchforstungen wird außerdem ständig Biomasse entnommen. Über mehrere Rotationen von Aufwuchs und Ernte ergibt sich in Wirtschaftswäldern ein mittlerer Kohlenstoffvorrat von nur ca. 30% des ungenutzten Primärwaldes (WBGU, 1998).

 

Erhöhung der Holzproduktion würde CO2-Speicherung der letzten 50 Jahre wieder aufheben

Derzeit stellt der Österreichische Wald eine Kohlenstoffsenke dar, die jedoch aufgrund der höheren Nutzung im Vergleich zu den 1990er Jahren deutlich abnahm (BMLFUW, 2015). In Bezug auf den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Erweiterung der erneuerbaren Energie warnt die Wissenschaft allerdings vor erhöhter Holzproduktion und somit noch kürzeren Rotationen, die die Kohlenstoffspeicherung des letzten halben Jahrhunderts wieder aufheben könnte (Ciais et al. 2008). Auch das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) spricht sich zwar für aktives Waldmanagement aus, warnt aber davor, dass aktiv bewirtschaftete Forste in Zukunft auch zu Kohlenstoffquellen werden können, weshalb bei alten Wäldern deren Erhaltung und somit der weiteren Speicherung des Kohlenstoffvorrats der Vorzug gegeben werden sollte (Smith et al. 2014). Ebenfalls kritisch sehen Schulze et al. (2012) die gesteigerte Produktion von Energie aus Holz, da es Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauert, bis die Reduktion der Biomassepools durch die Substitution der fossilen Brennstoffe – wenn überhaupt – kompensiert werden könnte. Die erhöhte Nachfrage nach Holz führt zu kürzeren Rotationen, jüngeren Wäldern, kleineren Biomassepools und nährstoffverarmten Böden. Durch eine daraus resultierende Düngenotwendigkeit würden wieder mehr Treibhausgase emittiert. Aus all diesen Gründen wäre eine Steigerung der nicht nachhaltigen Massenproduktion von Energie aus Waldbiomasse auch weder nachhaltig noch CO2-neutral (Schulze et al. 2012).

 

Größeres Potential alter Wälder für CO2-Speicherung – Totholz spielt wichtige Rolle

Insgesamt speichern alte, natürliche Wälder über viele Jahrhunderte sehr große Mengen Kohlenstoff, die freigesetzt werden können, wenn sie bewirtschaftet werden (WBGU, 1998; Janssens et al. 2005). Daher ist auch im Zusammenhang mit der Treibhausproblematik der Schutz des Waldes wichtig. Naturwälder sind zu erhalten und das Management von Wirtschaftswäldern ist vorratsnachhaltig und bodenschonend zu gestalten (Weiss et al. 2000; vgl. Keith et al. 2009). Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Biodiversität einen wichtigen Faktor für die Kohlenstoffspeicherung darstellt. Der Schutz älterer Wälder mit mehr Totholz und Nischenlebensräumen als in intensiv genutzten Forsten wirkt sich positiv auf den Kohlenstoffspeicher aus (Nabuurs et al. 2013). Auch in jüngeren Studien wurde bestätigt, dass alte Wälder ein größeres Potential zur Kohlenstoffspeicherung haben, als ursprünglich angenommen (Luyssaert et al. 2008; McGarvey et al. 2015). Im Gegensatz zum relativ kurzen Ereignis des Absterbens von Bäumen, dauert der Abbauprozess („Verfaulen“) von alten Baumstämmen Jahrzehnte, während die natürliche Regeneration und erneute Bindung des entweichenden Kohlenstoffes in einem natürlichen Wald mit gemischter Altersstruktur und Unterschicht in kürzerer Zeit passiert (Luyssaert et al. 2008). Totholz hat daher auch ein Potential, die langfristige Speicherkapazität von Sekundärwäldern zu unterstützen (McGarvey et al. 2015).



Naturwälder sind wichtig für den Klimaschutz

In Österreich stellen Naturwälder im Gegensatz zu Wirtschaftswäldern die Ausnahme dar. Deshalb ist es besonders wichtig, den Wert dieses bedeutenden Pools an Biodiversität und gebundenem Kohlenstoff in diesen noch übrig gebliebenen alten Wäldern zu erhalten und die Bewirtschaftung der anderen Wälder naturnah zu gestalten. Auch bei Störungen, wie z.B. einem Borkenkäferbefall, durch den CO2 freigesetzt wird, kommt es zu einer Naturverjüngung und erneuter CO2-Aufnahme, wobei sich der Kreislauf wieder schließt. In Hinblick auf das größere Potential zur Kohlenstoffspeicherung sollte auch bei einem Borkenkäferbefall der Schutz von Naturwäldern an sich nicht in Frage gestellt werden. In Bezug auf die Treibhausproblematik und dem Suchen nach Lösungsstrategien ist es besonders wichtig, den Blick für das Ganze und die Zusammenhänge nicht zu verlieren, da mit verkürzt dargestellten, scheinbar einfachen Lösungen großer Schaden entstehen kann. Auch wenn alle Einzelheiten noch nicht zur Gänze erforscht sind, sieht man bereits, dass ein gegeneinander Ausspielen von Klima- und Naturschutz kontraproduktiv ist.

Stand: 17.05.2017

 

Mag. Dipl.-Ing. Dr. Gishild Schaufler studierte Umwelt- und Bioressourcenmanagement und Rechtswissenschaften. Sie ist seit 2013 Mitarbeiterin der Landesumweltanwaltschaft Salzburg.



Literatur:

BMLFUW – Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, 2015: Nachhaltige Waldwirtschaft in Österreich – Österreichischer Waldbericht 2015, Wien.

Ciais P., Schelhaas M.J., Zaehle S., Piao S.L., Cescatti A., Liski J., Luyssaert S., Le-Maire G., Schulze E.-D., Bouriaud O., Freibauer A., Valentini R., Nabuurs G.J., 2008: Carbon accumulation in European forests, Nature Geoscience, 1, 425-429.

Degryze S., Six J., Paustian K., Morriss S., Paul E., Merckx R., 2004: Soil organic carbon pool changes following land-use conversions, Global Change Biology, 10, 1120-1132.

Egli P., Hagedorn F., Maurer S., Siegwolf F., Ladnolt W., Clark A., Strasser R., Körner C., 2001: Kohlenstoffflüsse und Biomasseproduktion, in: Brunold C., Baligser P., Bucher J., Körner C. (Hrsg.): Wald und CO2 – Ergebnisse eines ökologischen Modellversuchs, 97-129, Verlag Haupt, Bern, Stuttgart, Wien.

Guo L. und Gifford R., 2002: Soil carbon stocks and land use change: a meta analysis, Global Change Biology, 8, 345-360.

Janssens I., Freibauer A., Schlamadinger B., Ceulemans R., Ciais P., Dolman A., Heimann M., Nabuurs G.-J., Smith P., Valentini R., Schulze E.-D., 2005: The carbon budget of terrestrial ecosystems at countryscale – a European case study, Biogeosciences, 2, 15-26.

Keith H., Mackey B.G., Lindenmayer D.B., 2009: Re-evaluation of forest biomass carbon stocks and lessons from the world's most carbon-dense forests, PNAS, 106, 11635-11640.

Lal R., 2004: Soil carbon sequestration to mitigate climate change, Geoderma, 123, 1-22.

Luyssaert S., Schulze E.-D., Börner A., Knohl A., Hessenmöller D., Law B.E., Ciais P., Grace J., 2008: Old-growth forests as global carbon sinks, Nature, 455, 213-215.

McGarvey J.C., Thompson J.R., Epstein H.E., Shugart H.H.Jr., 2015: Carbon storage in old-growth forests of the Mid-Atlantic: toward better understanding the eastern forest carbon sink, Ecology, 96, 311-317.

Nabuurs G.-J., Lindner M., Verkerk P.J., Gunia K., Deda P., Michalak R., Grassi G., 2013: First signs of carbon sink saturation in European forest biomass, Nature Climate Change, 3, 792-796.

Romanyà J., Cortina J., Falloon P., Coleman K., Smith P., 2000: Modelling changes in soil organic matter after planting fast-growing Pinus radiata on Mediterreanean agricultural soils, European Journal of Soil Science, 51, 627-641.

Schulze E.-D., Körner C., Law B.E., Haberl H., Luyssaert S., 2012: Large-scale bioenergy from additional harvest of forest biomass is neither sustainable nor greenhouse gas neutral, GCB Bioenergy, 4, 611-616.

Smith P., Bustamante M., Ahammad H., Clark H., Dong H., Elsiddig E.A., Haberl H., Harper R., House J., Jafari M., Masera O., Mbow C., Ravindranath N.H., Rice C.W., Robledo Abad C., Romanovskaya A., Sperling F., Tubiello F., 2014: Agriculture, Forestry and Other Land Use (AFOLU), in: Edenhofer O., Pichs-Madruga R., Sokona Y., Farahani E., Kadner S., Seyboth K., Adler A., Baum I., Brunner S., Eickemeier P., Kriemann B., Savolainen J., Schlömer S., von Stechow C., Zwickel T., Minx C.J. (Hrsg.): Climate Change 2014: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, 811-922, Cambridge University Press, Cambridge, New York.

Weiss P., Schieler K., Schadauer K., Radunsky K., Englisch M., 2000: Die Kohlenstoffbilanz des österreichischen Waldes und Betrachtungen zum Kyoto-Protokoll, Monographien Band 106, Umweltbundesamt, Wien.

WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, 1998: Die Anrechnung biologischer Quellen und Senken im Kyoto-Protokoll: Fortschritt oder Rückschritt für den globalen Umweltschutz?, Sondergutachten, Bremerhaven.

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