Verfassung gegen Biotopschutz?
LUA-Presseaussendung zum SN-Artikel vom 21.05.2021 über die Verfassungswidrigkeit des Naturschutzgesetzes:
"Eine Herabsetzung des Schutzes von Magerstandorten ist verfassungsrechtlich nicht notwendig, stünde aber im Gegensatz zu sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen und wäre ein großer Fehler, der zu massiven Schäden im Ökosystem führen würde, die auch die Landwirtschaft und unsere Gesundheit betreffen. Deshalb spricht sich die Landesumweltanwaltschaft ganz klar gegen eine Abschwächung des Biotopschutzes, für eine unverzügliche Fortsetzung der Kartierung sowie für eine angemessene Entlohnung der Bauern und für eine Versachlichung der Diskussion aus!"
LUA-Presseaussendung zum SN-Artikel vom 21.05.2021 über die Verfassungswidrigkeit des Naturschutzgesetzes
Im SN-Bericht im Lokalteil vom 21.05.2021 über die zwischen den Koalitionsparteien entbrannte Diskussion einer möglichen Verfassungswidrigkeit des Naturschutzgesetzes in Bezug auf den Schutz von Magerstandorten, für den sich die NGOs seit Monaten einsetzen, kam neben der amtierenden Naturschutzlandesrätin, dem Landeslegisten und der grünen Klubobfrau, nur der LWK-Präsident zu Wort.
Die Landesumweltanwaltschaft als gesetzliche Stimme der Natur sieht es daher als ihre dringende Aufgabe, auf eine zwingend notwendige Versachlichung des Themas zu drängen, denn beim Schutz der Magerstandorte geht es um den Schutz unzähliger Arten, u.a. Schmetterlinge und Wildbienen, die wichtige Bestäuber sind, und somit um unsere Lebensgrundlage und die der künftigen Generationen. Diese darf gerade in der aktuellen Zeit der Krise und des Artensterbens nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Zur Einschätzung der Verfassungswidrigkeit hat die Landesumweltanwaltschaft daher den Salzburger Univ.-Prof. Dr. Sebastian Schmid um Stellungnahme gebeten, aus der sich folgendes ergibt. Der Begriff „überwiegend“ ist zwar ein unbestimmter Gesetzesbegriff, an dessen Auslegungsfähigkeit jedoch kein Zweifel besteht. Dieser Begriff findet sich in etlichen anderen Gesetzen auch und wurde bereits vom VfGH als ausreichend bestimmt angesehen. In der bisherigen Vollzugspraxis wurde zudem von 50% Zeigerarten ausgegangen. Es ist auch mit der Verfassung vereinbar, wenn es zur Beurteilung im Einzelfall sachverständigen Wissens bedarf. Zusammenfassend stellte er fest, dass es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten ist, die Anhebung auf 75% Zeigerarten vorzunehmen, aber genauso auch verfassungsrechtlich nichts dagegensprechen würde. „Damit zeigt sich, dass es sich dabei um eine politische Entscheidung und nicht um eine (verfassungs-)rechtliche Notwendigkeit handelt.“
Die Landesumweltanwaltschaft weist darauf hin, dass es bei der aktuellen Diskussion im SN-Bericht um die Verschlechterung des Schutzes geht, der seit 2007 besteht. Tatsächlich bräuchten wir aber einen höheren Schutz. Die Debatte entfachte sich durch die seit Jahren ausstehende Aktualisierung der Biotopkartierung, bei der man im Gegensatz zur ersten Kartierung technisch viel mehr Standorte besser erfassen kann. Die vom LWK-Präsidenten zitierte „Verzwanzigfachung“ der bekannten Biotope erscheint etwas hoch. Der LUA sind aber Zahlen bekannt, bei denen es im Falle der Aufweichung des Schutzes um den Verlust von 70-80% dieser für das Überleben von Schmetterlingen und Wildbienen unbedingt notwendigen Lebensräume geht. Um die Zahlen zu verifizieren und die Diskussion zu versachlichen, wäre aber eine Veröffentlichung der Daten der Revisionskartierung dringend notwendig.
Die Wichtigkeit der Magerstandorte für den Erhalt der Arten ist jedenfalls fachlich eindeutig und unbestritten. Das Artensterben, der Rückgang von Insekten und Vögeln, sind bereits in aller Munde, aber die Dramatik der Situation wird hier offenbar immer noch verkannt. In den letzten Jahrzehnten sind vor allem im Flachgau und auch in den Tallagen der anderen Gaue ein Großteil der Mager- und Trockenstandorte verschwunden. Diese Lebensräume sind aber die Hot Spots der Artenvielfalt, vor allem für Pflanzen und Insekten und daher auch die letzten Rückzuginseln, in denen ein Überleben dieser Arten noch möglich ist. Denn die modernen Vielschnittwiesen, in denen gerade noch Löwenzahn oder Hahnenfuß blühen, bieten weder für Blumen und Kräuter noch für Insekten eine Überlebenschance. Vielfach sind die kläglichen Reste von Trocken- und Magerstandorten ohnedies nur noch in Hanglagen oder sehr unebenem Gelände erhalten geblieben. Und beinahe täglich verschwinden weitere Flächen, durch Überbauung oder Aufschüttung. Aufgrund der Standortbedingungen – mager und trocken – sind weder die zitierte „Drainagierung“ dieser Lebensräume noch das „Umackern“, bei dem die für diese Lebensräume typische geringe Humusauflage zerstört würde, dazu geeignet, den landwirtschaftlichen Ertrag zu steigern.
Zudem ist die Ursache für den Druck, unter dem die Landwirtschaft steht, weder der Naturschutz noch eine Verfassungswidrigkeit seiner Bestimmungen. Deshalb ist es wichtig, endlich die wahren Ursachen des Problems anzugehen und die starren Abläufe und fehl-gerichteten Fördersysteme zu ändern, die die Bauern in die Intensivierung zwingen oder zur Bewirtschaftungsaufgabe treiben.
Eine Herabsetzung des Schutzes von Magerstandorten ist verfassungsrechtlich nicht notwendig, stünde aber im Gegensatz zu sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen und wäre ein großer Fehler, der zu massiven Schäden im Ökosystem führen würde, die auch die Landwirtschaft und unsere Gesundheit betreffen. Deshalb spricht sich die Landesumweltanwaltschaft ganz klar gegen eine Abschwächung des Biotopschutzes, für eine unverzügliche Fortsetzung der Kartierung sowie für eine angemessene Entlohnung der Bauern und für eine Versachlichung der Diskussion aus!
Salzburg, am 21.05.2021
Dr. Gishild Schaufler, Landesumweltanwältin