Editorial der Umweltanwältin
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Foto: © Gishild Schaufler
Durch die Corona-Krise hat die Wirtschaft großen Schaden erlitten und muss sich wieder erholen. Das ist wichtig für unseren Wohlstand, aber bei Betrachtung der Wirtschaft alleine wird leider ignoriert, dass auch der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen zumindest von gleich hoher Bedeutung für unser Wohlergehen ist. Denn die großen Herausforderungen von Klimawandel, Artensterben, Massenfluchtbewegungen von Menschen aus nicht mehr bewohnbaren Gebieten kann die reine Wachstumswirtschaft alleine nicht bewältigen. Daher ist es wichtig, die Wirtschaft auch nicht alleine zu sehen und zu beurteilen, sondern im Zusammenhang mit Natur und Umwelt sowie mit der Wichtigkeit des sozialen Friedens.
Trotzdem kommen Natur und Arten nun zusätzlich weiter unter Druck. Laut SN-Lokalteilbericht vom 16.07.2020 forderte die Industriellenvereinigung (IV) eine Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren, indem das Naturschutzgesetz novelliert werden solle. Wieder wird der Naturschutz zu Unrecht als Übel für Standort und Wirtschaft hingestellt und muss verteidigt werden, obwohl er gar nicht das Problem ist. Denn die Ursache für die aktuelle Wirtschaftskrise ist die Corona-Pandemie und nicht ein kompliziertes und strenges Naturschutzrecht.
Im Gegenteil warnt die Wissenschaft vor noch mehr Ausbeutung von Umwelt und Natur, weil das Risiko für die Übertragung von Krankheiten von Tieren auf den Menschen dadurch steigt. Arten und Lebensräume müssen daher zum Schutz des Menschen erhalten werden, auch bei uns, wie im letzten Editorial berichtet. Anstatt Naturschutz zurückzudrängen, wäre es wichtig die Krise als Chance zu nutzen und die Weichen für Staat und Wirtschaft auf nachhaltige Entwicklung mit Stärkung der Natur umzustellen, womit auch viele neue Jobs geschaffen werden können, wie eine Studie des Weltwirtschaftsforums (WEF) berichtet (ebenfalls lt. SN Wirtschaft vom 16.07.2020).
Die IV wolle zwar nach eigener Aussage keine „fundamentalen, materiellen Änderungen“ im Naturschutz, sondern „nur“ ein schnelleres Vorgehen, wenn Projekte bewilligungsfähig seien. Natürlich sollen Verfahren nicht jahrelang dauern, aber die Erfahrung zeigt, dass dies auf besonders kritische Verfahren zutrifft, bei denen eben nicht im Vorhinein feststehen kann, dass sie bewilligungsfähig sind oder dass andere besondere öffentliche Interessen das Interesse am Naturschutz, das jedenfalls ein besonders wichtiges öffentliches Interesse darstellt, überwiegen (Link zur Presseaussendung vom 16.07.2020).
Wenn durch Projektwerber die Belange des Natur- bzw. Artenschutzes bei der Planung nicht frühzeitig einbezogen werden, kommt es unweigerlich zu „bösen Überraschungen“ in Form von Verzögerungen aufgrund der unterschiedlichen (Überlebens-)Bedürfnisse der jeweiligen Tierarten, für die eine angepasste Bauzeitplanung notwendig ist. Die alleinige Vermeidung der direkten Tötung der Tiere reicht leider nicht aus, denn wenn sie keine Lebensräume mehr haben und sich nicht mehr fortpflanzen können, sterben sie aus.
Eine Lösung für die gewünschte Beschleunigung kann aber nicht die Schwächung des Naturschutzverfahrens sein, sondern ist nur möglich, wenn Behörden und Gerichte mit dem notwendigen Personal ausgestattet werden, um die vielen komplexen Verfahren in angemessener Zeit ordentlich abhandeln zu können. Das ist langfristig sicher die bessere und nachhaltigere Lösung, als im Naturschutz zu deregulieren und zu sparen.
Die Landesumweltanwaltschaft warnt daher im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaft vor jeder weiteren Aushöhlung und Schwächung sowohl der materiellen als auch verfahrensrechtlichen Naturschutzbestimmungen.
Dr. Gishild Schaufler
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Biotopzerstörungen während der Ausgangsbeschränkungen
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Wo sich einst ein üppiger Rispenseggensumpf befand...
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Als nach den Corona-bedingten Ausgangsbeschränkungen ab Mai im Behördenbetrieb wieder erste Naturschutzverhandlungen stattfinden konnten, kam es zu einer auffallenden Häufung von Wiederherstellungsverfahren nach Eingriffen in geschützte Lebensräume. Dabei handelte es sich unter anderem um eine Ufergehölzrodung, die Drainagierung eines Rispenseggensumpfes und eines Niedermoores und um die Aufforstung einer Magerweide mit Fichten. Weiters war eine Streuwiese als Deponiefläche genutzt worden und ein Landwirt baggerte aus einem Hochmoor den Torf, um ihn auf seiner Almfläche als Dünger auszubringen. Nicht alle dieser Maßnahmen waren während der Corona-Zeit getätigt worden, doch es kam der Eindruck auf, dass einige Grundbesitzer die durch die Ausgangsbeschränkung zusätzlich zur Verfügung stehende Zeit nutzten, um diverse "Projekte" umzusetzen.
Traurig ist, dass ein Großteil dieser Biotopeingriffe in Gemeinden stattfand, in denen geschützte Lebensräume bereits im Zuge der Biotopkartierungsrevision vegetationskundlich erhoben, die Daten jedoch noch nicht veröffentlicht wurden. Im Zuge dieser Veröffentlichung wären sämtliche betroffene Grundbesitzer brieflich über die Lage der geschützten Lebensräume und die rechtliche Bedeutung des Lebensraumschutzes aufgeklärt worden. Zwar waren die meisten Biotope schon im Zuge der Erstkartierung erfasst worden, doch die Information der Grundbesitzer erfolgte damals weitaus weniger umfassend. In den meisten Fällen rechtfertigten sich die Betroffenen auch damit, vom Biotopschutz nichts gewusst zu haben.
Seit 2016 liegt die Biotopkartierungsrevision und die Veröffentlichung bereits erhobener Daten aufgrund von Interventionen der Landwirtschaftskammer still (siehe LUA-Notizen 4/2019). Um weitere unnötige Eingriffe in wertvolle Lebensräume zu verhindern fordert die LUA die baldige Wiederaufnahme der Revisionskartierung. Auch wenn die im Salzburger Naturschutzgesetz nach § 24 geschützten Lebensräume auch ohne Kartierung ex-lege dem Schutz unterliegen, so nützt dies nichts, wenn nicht bekannt ist, wo sich diese Biotope befinden. Ein Wiederherstellungsverfahren inklusive teilweise kostspieliger Herstellungsmaßnahmen könnte somit auch den Grundbesitzern erspart werden. (sp)
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...sollte mittels Drainagen eine Intensivwiese geschaffen werden. (Fotos: sp)
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Schigebiet Gaissau-Hintersee
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Foto: LUA (gs)
Die Käufer der Konkursmasse des seit mehr als zwei Jahre stillgelegenen Schigebietes Gaissau-Hintersee planen seit diesem Frühling eine Beschneiungsanlage. Das Schigebiet wurde bisher nur mit Naturschnee betrieben, doch würde sich das nicht mehr rechnen und kann nach Angaben der Projektwerber nur mit künstlicher Beschneiung wirtschaftlich betrieben werden. Allerdings bedeutet dies für die Natur schwerwiegende Eingriffe. Denn einerseits ist für einen Speicherteich, der trotz immer besser werdender Gestaltung ein riesiges betoniertes technisches Bauwerk darstellt, eine große Fläche notwendig und andererseits muss das Wasser zur Beschneiung auf die Piste gelangen, was eine Verrohrung des gesamten Berges bedeutet.
Beim geplanten Volumen des Speicherteiches von ca. 200.000 m³ mit einer Wasserfläche von ca. 2 ha und einem doppelt so großen Baufeld, ist für den Speicherteich eine große Fläche notwendig, die unterschiedlichsten Anforderungen gerecht werden muss. Verständlicherweise ist die Suche nach einem geeigneten Standort sehr schwierig und wie so oft, kommt man dabei in naturschutzfachlich hochwertige Lebensräume. Hier handelt es sich um einen sehr naturnahen Wald mit eindrucksvollen „Karstkarrenfeldern“ (Gesteinsformationen), der als Lebensraum für viele verschiedene Tiergruppen wie Amphibien (Feuersalamander, Grasfrosch), Repitilien (Bergeidechse, Kreuzotter) und viele baumhöhlenbrütende Vögel (Schwarz-, Bunt-, Dreizehenspecht, Tannen- und Weidenmeise) sowie für Säugetiere (Fledermäuse) sehr wichtig ist.
Bei den Schneileitungen ergibt sich die nächste Problematik, weil es sich um ein Schigebiet handelt, das bisher nicht beschneit wurde und überhaupt keine bestehende Beschneiungsinfrastruktur aufweist. Das bedeutet, dass über den gesamten Berg bzw. die gesamten Pisten Leitungen verlegt werden müssen. Bei einer realistischen Inanspruchnahme von ca. 8-10 m (im Schnitt 9 m) für die Grabungs-, Schrämm- bzw. Fräsarbeiten und Manipulationsflächen zur Leitungsverlegung handelt es sich bei ca. 30 km Piste um eine gesamte betroffene Fläche von ca. 27.000 m² bzw. 27 ha. Dass diese „Großbaustelle“ auf bestehenden Pisten geplant ist, darf nicht davon ablenken, dass diese extensiv genutzt sind und daher zahlreiche geschützte Wiesenlebensräume, die auch für Insekten von großer Wichtigkeit sind, beherbergen. Problematisch wird es, wenn für den Leitungsbau diesen Lebensräumen nicht ausgewichen werden kann.
Von der Landesumweltanwaltschaft, wurde daher von den ersten Besprechungen weg auf das hohe Verfahrensrisiko im Naturschutz hingewiesen. Wir haben, wie auch andere Fachrichtungen, mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass ein Baustart in diesem Jahr vollkommen unrealistisch ist. Deshalb ist für uns nicht nachvollziehbar, warum die Projektwerber in mehreren Medienbeiträgen (SN, Krone und ORF) immer wiederholen, dass sie „zuversichtlich“ seien und der Speicherteich nach Plan bereits heuer gebaut werden soll.
Es handelt sich hierbei nicht um das einzige Speicherteichprojekt in Salzburg, wobei fast alle aus Umwelt- und Naturschutzsicht sowie der Summenwirkung kritisch zu sehen sind. Doch der Sonderfall hier ist, dass zusätzlich eine vollkommen neue Beschneiungsinfrastruktur notwendig wäre und versucht wird, etwas schnell „durchzudrücken“, was wahrscheinlich auf lange Sicht nicht sinnvoll ist. Es gibt auch auf Bürgerseite nicht nur Befürworter, sondern viele kritische Stimmen. Aber auch abseits vom Naturschutzverfahren sollte der Zeitdruck herausgenommen werden und die Sinnhaftigkeit aufgrund der niedrigen Höhenlage, des Klimawandels und des dadurch auch wieder entstehenden Energieverbrauchs sowie auch der hohen Investitionskosten noch einmal überdacht werden. (gs)
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Den Schutz von Magerstandorten nicht schwächen, sondern stärken!
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Magerrasen, Foto: lb
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Oft sind Trocken- und Magerstandorte auf schwierig zu bewirtschaftenden Flächen, wie auf Steilböschungen, auf anstehendem Grundgestein, im Waldrandbereich oder in Hochlagen zu finden. Vor allem in den landwirtschaftlich intensiver genutzten Gegenden wie im Flachgau sind meist nur noch kleine Restflächen vorhanden, da sie vielerorts durch sogenannte „Geländekorrekturen zur landwirtschaftlichen Verbesserung“ aufgeschüttet werden, schleichend durch Nährstoffeinträge benachbarter Flächen degradieren, die traditionelle Mahd oder Beweidung eingestellt wird oder sie gar aufgeforstet werden. Aber auch in den Berglagen nimmt der Druck auf Magerstandorte durch eine intensivere Beweidung, Düngung und Stickstoffeinträge aus der Luft zu.
Während sich diese meist sehr artenreichen Lebensräume seit Jahrzehnten in einem starken Rückgang befinden und vielseitige Bestrebungen zu deren Wahrung keine ausreichende Wirkung zeigten, wurde mit Anfang des Jahres 2008 glücklicherweise der ex-lege-Schutz auf Trocken- und Magerstandorte ausgeweitet. Allerdings gilt dieser Lebensraumschutz nur für Biotope, deren Fläche jeweils 2.000 m² übersteigt. Davor kam es allenfalls zu einer Aufnahme von Magerbiotopen in den Biotopkataster, wenn diese von Vegetationskartierern als ökologisch bedeutsam eingestuft, den Grundbesitzern kundgetan und eine Möglichkeit zum Abschluss eines Vertragsnaturschutzes angeboten wurde. Gesetzlich geschützt waren sie dadurch jedoch nicht, doch sie konnten im Zuge von Naturschutzverfahren besser berücksichtigt werden. Beobachtungen der letzten Jahre zeigen aber, dass schleichende Verluste von seltenen Arten häufig auf genau solchen Standorten zu stattfinden.
Die aktuell laufende Revision der Salzburger Biotopkartierung erfasst möglichst alle nach § 24 Salzburger Naturschutzgesetz geschützten Lebensräume. Auch wenn alle Biotope, die in diesem Paragraphen angeführt werden, automatisch dem Lebensraumschutz unterliegen, so ist es für Planer und Naturschutzbehördenvertreter von großer Hilfe, wenn Tabuflächen schon von Vornherein bekannt sind. Dass seit der Gesetzesänderung 2008 auch die größeren Trocken- und Magerstandorte kartiert werden, führt nun bei manchen Grundbesitzern zu Ärgernis und Verwirrung und schließlich zu Bestrebungen, den Lebensraumschutz wieder aufzuweichen.
Im Gesetzestext zur Definition von Magerstandorten im § 5 Z 18 NSchG ist zu lesen, dass darunter nährstoffarme oder durch einseitigen Nährstoffmangel gekennzeichnete Lebensräume mit einer für sie typischen Vegetation, die überwiegend den Grasflurenklassen „Kalk-Magerrasen“ oder „Sand- und Felsgrusfluren“ oder dem Verband „Borstgrasrasen tiefer Lagen“ zuzurechnen sind, verstanden werden. Aufgrund der Verwendung des Begriffs „überwiegend“ wurde in den Biotoptypensteckbriefen festgelegt, dass der Anteil an Magerkeitszeigern innerhalb einer für den Lebensraum repräsentativen Vegetationsaufnahme mehr als 50 % ausmachen müsse, damit das Biotop eindeutig als Magerstandort den Lebensraumschutz nach § 24 erhalte. Dieser Schwellenwert wurde also weniger aus pflanzensoziologischen, sondern aus juristischen Gründen zur leichteren Anwendbarkeit und Nachvollziehbarkeit eingeführt.
Schon seit einigen Jahren wird von Interessensvertretern der Grundeigentümer bzw. der Landwirtschaft versucht, diesen Schwellenwert des Mindestanteils an Magerkeitszeigern anzuheben und gesetzlich zu verankern, wodurch ein großer Anteil der aktuell geschützten Trocken- und Magerstandorte nicht mehr unter den Lebensraumschutz fallen würde. Dies würde drastische Auswirkungen auf den Anteil von Magerbiotopen in jenen Regionen Salzburgs bewirken, die ohnehin schon nur noch geringe Bestände aufweisen. Aber auch das extensive Grünland der Bergstufe mit seinen artenreichen Glatthaferwiesen wäre dadurch in großem Maße gefährdet. Wo heute noch Magerkeitszeiger wie das Zittergras (Briza media) und eingestreute Blumen wie die Kugelige Teufelskralle (Phyteuma orbiculare), Wiesen-Salbei (Salvia pratensis) oder die gefährdete Knäuel-Glockenblume (Campanula glomerata) in den Wiesen vorkommen, wäre gesetzlich nicht mehr sichergestellt, dass auch kommenden Generationen diese Kulturlandschaftsschätze erhalten blieben. Der Verlust solcher Standorte schwächt außerdem massiv den Biotopverbund, da größere Distanzen zwischen verbleibenden Biotopen entstehen und damit der genetische Austausch zwischen den Populationen verschiedener Pflanzen und Tierarten erschwert wird. Die Entwicklung hin zu immer monotoneren intensiv- und extensiv genutzten Landschaften würde dadurch nur beschleunigt und der Artenverlust noch schneller vorangetrieben werden.
Es darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass den Gebirgsgauen aufgrund des allgemeinen Rückgangs der Magerstandorte eine umso höhere Bedeutung für deren Erhalt zukommt und dort umso sorgsamer und verantwortungsvoller mit diesen kostbaren Biozönosen umgegangen werden muss. Anstatt die Schwellenwerte für den Mindestanteil an Magerkeitszeigern anzuheben sollte aus Sicht der Landesumweltanwaltschaft vielmehr die Mindestflächengröße von 2.000 m² herabgesetzt werden, um mehr kleine Restflächen und somit den Biotopverbund zwischen extensivem Grünland erhalten zu können.
Der Fortbestand all dieser Pflanzengesellschaften ist für unseren Naturhaushalt und den Artenschutz von immenser Bedeutung. Unsere Kalk-Magerrasen zählen zu den artenreichsten Pflanzengesellschaften Mitteleuropas (Kaule, 1986) und beinhalten viele vom Aussterben bedrohte bis gefährdete Arten der Roten Liste wie die Gamander-Sommerwurz (Orobanche teucrii), das Helm-Knabenkraut (Orchis militaris) oder das Wiesen-Schillergras (Koeleria pyramidata).
Der große Blütenreichtum dieser Magerstandorte macht diese zu ebenso bedeutenden Lebensräumen für zahlreiche Insekten und damit zu bedeutendsten Schlüssellebensräumen zur Wahrung der Biodiversität. Das liegt nahe, denn Insekten und Blütenpflanzen bedingen sich gegenseitig und haben sich koevolutionär entwickelt. Zwischen 80 % und 90 % der etwa 350.000 weltweit vorkommenden Blütenpflanzen sind auf eine Fremdbestäubung durch Tiere angewiesen. Insbesondere die Bienen, damit sind vor allem Wildbienen und Hummeln gemeint, verhalfen den Blütenpflanzen zu einer wahren Artenexplosion, beginnend in der Kreidezeit vor über 100 Millionen Jahren (Cardinal & Danforth, 2013). Der Verlust dieser Lebensräume bedingt auch den fortschreitenden Rückgang unserer Insektenvielfalt, womit das Potential der Bestäubungsleistung in natürlichen Lebensräumen aber auch landwirtschaftliche Erträge, insbesondere im Obstanbau, sinken.
Darüber hinaus gibt es aber zahlreiche weitere ökologische Interaktionen, die durch dieses Verschwinden negativ beeinträchtigt werden. Durch die Verkettung und Abhängigkeiten zwischen Arten natürlicher Lebensräume führt ein Verlust von Blütenpflanzen nicht nur zu einem Verlust derer Bestäuber. Insekten stellen die Nahrung zahlreicher weiterer Tierarten dar wie Vögel, Kleinsäuger, Amphibien und Reptilien. Der Verlust einer einzelnen Art innerhalb eines Lebensraumes hat immer Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem mit unbekannten Konsequenzen.
Salzburg sollte stolz darauf sein, ein Naturschutzgesetz zu haben, welches eine Vielzahl an europaweit schwindenden Lebensräumen schützt und nicht versuchen, diesen Schutz aufzuweichen. Denn das würde zu Zeiten des Lebensraumrückgangs und Artensterbens einen traurigen Rückschritt bedeuten, der zwar zum Vorteil einiger weniger Menschen, aber insgesamt zum Nachteil der Gesellschaft und unserer nachfolgenden Generationen gereichen würde. Wer eine solch intensive Landschaftsnutzung betreibt wie wir, der nimmt konsequenter Weise im Bereich des Arten- und Naturschutzes eine ganz besondere Verantwortung ein. (sp, lb)
LITERATUR
Kaule, G. (1986): Arten- und Biotopschutz. Ulmer Verlag. Stuttgart. 461 pp.
Cardinal, S. & Danforth, B. (2013): Bees diversified in the age of eudicots. Proc. The Royal Society B. 280: 20122686
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Zittergras, Kugelige Teufelskralle, Knäuel-Glockenblume, Wiesen-Salbei (Fotos: lb)
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Fußball, Flutlicht und das Geld
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Immer wieder werden wir mit Fußballvereinen konfrontiert, die in die 2. Bundesliga aufsteigen (wollen) und dafür ihre Flutlichtanlage aufrüsten müssen. Dadurch ergeben sich nicht nur Probleme der Finanzierung für den Verein, sondern auch für den Natur- und Artenschutz.
Ein „normaler“ Fußballverein „braucht“ eine Anlage mit einer Beleuchtungsstärke von max. 150 lx für Wettkampfspiele, einer Farbtemperatur von 3000 K (warmweiß) und Masten mit einer maximalen Höhe von 18 m.
Steigt dieser Verein jedoch in die 2. Bundesliga auf, ist er gezwungen, sein Flutlicht auf 400 lx aufzurüsten. Dabei bleibt es jedoch leider nicht, denn wenn Fernsehübertragungen gewünscht sind, auf die die Vereine wegen der für ihre Finanzierung notwendigen Werbeeinnahmen nicht verzichten können oder wollen, muss es plötzlich eine Flutlichtanlage mit 800-1.200 lx und kaltweißem Licht (5000-7000 K) sein, die auf weiter außenstehenden Masten mit einer Höhe von min. 25 m montiert sein müssen, weil die Fernsehanstalten dies als nicht diskutierbare Bedingung für die Übertragung fordern.
Dies bedeutet große Investitionen, einen erhöhten Energieaufwand im Betrieb der Anlage sowie wesentlich höhere Auswirkungen auf die Natur, da das Licht je stärker und je höher, umso weiter sichtbar ist und umso mehr Insekten anzieht bzw. andere Tiergruppen und auch die menschliche Gesundheit stört. Die kaltweiße Lichtfarbe führt zusätzlich dazu, dass die Blau- und UV-Anteile, auf die nachtaktive Tiere (Insekten, Fledermäuse, Zugvögel, Amphibien udgl.) besonders empfindlich sind, auch noch erhöht werden.
Die negativen Auswirkungen von künstlichem Licht bei Nacht sind dank der vermehrten Forschung in den letzten 10-20 Jahren bereits bekannt. Eine Zusammenfassung ist auf unserer Homepage abrufbar (Künstliches Licht). Tatsächlich wäre es auch relativ einfach, die Auswirkungen vielfach zu reduzieren, indem unnötiges Licht abgeschaltet bzw. unvermeidbares auf das notwendige Ausmaß reduziert wird.
Deshalb wäre in Bezug auf Fußballvereine die gemeinsame Nutzung von Flutlicht-Sportplätzen eine Lösung, womit auch im Falle eines Abstieges die Anlage noch für andere Vereine nutzbar wäre. Vor allem ist aber auch ein Umdenken von Bundesliga sowie der Fernsehanstalten notwendig, die für die TV-Übertragung zuständig sind. Dabei ist die höhere Bewertung der Erreichung der besten Auflösung, Farbwiedergabe und Superzeitlupe für ein 90minütiges Fernsehsporterlebnis als die Rücksichtnahme auf unsere Mitlebewesen und die Einsparung von Energie, ernsthaft zu hinterfragen. Denn auch mit weniger Licht ist eine Fernsehübertragung mit vergleichsweise verkraftbaren Qualitätseinbußen möglich. (gs)
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Es kommt auf jede Art an!
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Erfreulicherweise gab es aus verschiedenen Richtungen Reaktionen auf einen Leserbrief der Mitte Mai in den Salzburger Nachrichten erschienen ist und die Schutzwürdigkeit von Fledermäusen und Schlangen infrage stellte. Ebenso reagierte die LUA unter Begründung der absoluten Wichtigkeit des Artschutzes für die Menschheit:
„Naturschutz ist entscheidend für die Erhaltung der Lebensgrundlage des Menschen. Auch Österreich und Salzburg kommt eine verpflichtende Rolle in der Erhaltung wildlebender Tier- und Pflanzenarten zu. Dies betrifft auch die hier beheimateten Fledermausarten sowie die giftlose Schlingnatter, die für den Menschen und auch für die Kinder im Volksgarten keinerlei Gefahr darstellt.
Der Schutz ist absolut notwendig, weil das Artensterben trotz umfassender Bemühungen anhält. Wie der Leserbrief vom „Fledermäuse unter Naturschutz“ vom 16.05.2020 zeigt, herrscht leider oft Unwissenheit über den Wert jeglicher Arten für das Funktionieren komplexer Ökosysteme. Deshalb muss betont werden, dass der Schutz von Tieren und Pflanzen in Verbindung mit nachhaltigen Nutzungsstrategien und Ressourcenschonung, die einzige und günstigste Möglichkeit darstellt, um für ein Auskommen der Menschheit zu sorgen. Aus der aktuellen Situation um das SARS-Cov-2 Virus lässt sich lernen, dass die Entnahme von Wildtieren und das Zerstören von natürlichen Lebensräumen sich einmal mehr als gefährliches Risiko für die Menschheit entpuppt hat. Lukas Bofinger, Landesumweltanwaltschaft Salzburg"
Weiter erläutert sei hier, dass unsere Umwelt aus einem komplexen Gefüge aus untereinander vernetzten Artengemeinschaften besteht, zum Beispiel aus Räuber-Beute-Beziehungen. Jede einzelne Art hat dabei besondere Anforderungen an ihren Standort und kommt in einem Gebiet dort vor, wo diese in Summe am günstigsten sind. Weil der Mensch durch seine Eingriffe in den Naturhaushalt in großflächigem Maße Ökosysteme verändert und zerstört, ist davon auszugehen, dass viele Tier- und Pflanzenarten bereits in die letzten noch zur Verfügung stehenden Lebensräume zurückgedrängt wurden. Häufig ist allerdings unklar, ob an diesen Orten die Bedingungen ausreichend sind, damit Arten dort langfristig überleben und sich erfolgreich fortpflanzen können. Denn neben den Lebensraumansprüchen an Nahrungsverfügbarkeit oder Fortpflanzungsstätten ist das einzelne Artenvorkommen von vielen weiteren Faktoren abhängig. Zunehmende Störereignisse etwa durch Lärm, Licht oder Erschütterungen führen oft zur Vergrämung von Arten, die dann in weniger geeignete Lebensräume ausweichen müssen. Während hier relativ einfache Maßnahmen zum Artenschutz getroffen werden können, etwa die aktive Erhaltung von Brutstätten, gibt es Bedrohungen deren Abwendungen durchaus größere Strategien erforderlich machen. Dies betrifft im Besonderen, den durch den Menschen verursachten und global wirksamen Klimawandel. Auch hier können nur leichte Veränderungen zum lokalen Aussterben führen. Weil aber die Lebensraumansprüche einzelner Arten unzulänglich erforscht sind und keiner weiß welches Maß an Veränderungen für Arten und Lebensgemeinschaften erträglich ist, gilt es, alle heimische Arten lokal zu schützen und bestenfalls zu fördern. Dem zu Grunde liegt insbesondere auch die Erkenntnis, dass eine hohe Biodiversität zu einer höheren Resilienz von Ökosystemen führt. Das bedeutet, dass Ökosysteme, die viele verschiedene Arten enthalten stabiler sind und zuverlässiger auf Umweltveränderungen reagieren können. Dann wird der Verlust einer Art und ihrer Funktion eher durch andere Arten ausgeglichen. Dadurch bleibt gewährleistet, dass ein Ökosystem erhalten bleibt und der Naturhaushalt und damit auch der Mensch von dessen Funktionen profitiert.
Aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse zeigen auf, dass unsere Naturschutzbemühungen allerdings noch nicht ausreichend sind und es sehr schlecht um viele Organismengruppen steht. Dies betrifft maßgeblich den Rückgang von Insekten, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren, ebenso wie Pflanzenarten. Zurückzuführen ist dies hauptsächlich auf das Zerstören von natürlichen Lebensräumen, großflächige und wirtschaftsorientierte nicht nachhaltig organisierte Land- und Forstwirtschaft und das Siedlungswesen inklusive Infrastruktureinrichtungen des Menschen. Um weiteren Verlusten entgegenzuwirken sind in den kommenden Jahren weitere Bemühungen von Seiten der Regierungen und Umweltorganisationen zur Aufklärung und zum Schutz von Biodiversität zu erwarten. Dennoch sind auch heute schon unsere Gesetze so ausgelegt, dass in bestimmten Fällen dem Artenschutz eine besonders hohe Priorität zukommt. Jegliche Bestrebungen zum Schutz der heimischen Flora und Fauna sind zu begrüßen, wie auch die Umsetzung von Artenschutzbelangen im Volksgarten. Offenbar haben hier Fledermäuse erfolgreich einen Sekundärlebensraum gefunden, ein Beispiel das Hoffnung macht, dass auch in einem durch den Menschen stark überprägten Landschaftsraum und im städtischen Umfeld Artenschutz erfolgreich möglich sein kann. (lb)
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Kurzmeldungen
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Salzach bei Stegenwald, Foto: LUA
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Verhandlung Kraftwerk Stegenwald im letzten natürlichen Salzachabschnitt
Das Projektgebiet des geplanten neuen Salzach Kraftwerkes Stegenwald, knapp oberhalb der berühmten Salzachöfen, ist seit Jahrzehnten Brennpunkt unterschiedlichster Interessen. Für den Naturschutz ist die Hochwertigkeit des Gebietes, auch durch zahlreiche Schutzgebiete der höchsten Schutzkategorie, nachgewiesen. Natura 2000 Gebiete und Naturschutzgebiete grenzen unmittelbar an das Projektgebiet und seit der Gesamtuntersuchung Salzach (GUS 1996) ist auch die ökologische Einzigartigkeit belegt. Es ist der am besten erhaltene Fließgewässer-Abschnitt der Salzach mit der größten Naturnähe und weist auch eine große Anzahl an streng geschützten Tier- und Pflanzenarten auf. Diese Tatsachen sind auch in der vorliegenden Einreichplanung aufgezeigt und werden auch nicht bestritten.
Am 1. Juli 2020 wurde das Projekt erstmals verhandelt und die Naturschutz-Sachverständigen schreiben in ihrer Zusammenfassung: „Insgesamt gesehen wird durch das geplante KW Stegenwald der letzte, in vielen Bereichen noch naturnahe und daher besonders hochwertige Abschnitt der Salzach erheblich verändert. [...] Abschließend wird festgehalten, dass das öffentliche Interesse des Naturschutzes aufgrund der zoologisch-ökologischen Höchstwertigkeit als extrem hoch anzusehen ist.“
Die Einzigartigkeit ergibt sich u.a. auch aus der Vielzahl an geschützten Arten und ihren Lebensräumen. Laut den ASV Gutachten ist hier mit umfassenden Zerstörungen zu rechnen, welche auch durch die Begleitmaßnahmen in 100 Jahren nicht wiederhergestellt werden könnten. Aus fachlicher Sicht ist dieses Projekt aus landschaftlichen, gewässerökologischen und artenschutzrechtlichen Gründen nicht bewilligungsfähig. Daneben fehlt es aber auch an solchen öffentlichen Interessen, die das extrem hohe öffentliche Interesse am Naturschutz überwiegen könnten, weshalb sich die LUA gegen die Bewilligung des Kraftwerks ausgesprochen hat. (ww/mp)
EuGH-Urteil bestätigt strengen Schutz von Fortpflanzungs- und Ruhestätten
In einem aktuellen Urteil, C-477/19 vom 2.7.2020, äußert sich der EuGH im Rahmen einer Vorabentscheidung zum Schutz von Ruhestätten des Feldhamsters. Darin wird klargestellt, dass der strenge Schutz von Art. 12 Abs 1 d der FFH-Richtlinie („jede Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten“) gewährleisten soll, dass wichtige Teile des Lebensraumes geschützter Tiere erhalten werden. Der Schutz gilt auch dann, wenn die Lebensstätte aktuell nicht von den geschützten Tieren beansprucht wird, aber eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie an diese Stätte zurückkehren. Damit ist klargestellt, dass die Entfernung oder Beschädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten, beispielswiese von Fledermäusen und richtliniengeschützten Amphibien und Reptilien, auch in der Zeit, in der die Stätten nicht genutzt werden, bewilligungspflichtig ist. (sw)
Veränderungen im Team
Unsere Vegetationsökologin Susanne Popp-Kohlweiss, MSc hat nach ihrer Rückkehr aus der Karenz ein tatkräftiges Jahr mit ihren unermüdlichen Bemühungen zum Schutz und Erhalt der Lebensräume sowie Verbreitung des Wissens über die Grenzen deren Verpflanzungen hinter sich und erwartet nun ihr zweites Kind. Wir wünschen ihr und ihrer Familie dafür alles Liebe! Mit ihrem wertschätzenden Umgang mit allen Beteiligten und ihrer konsequenten Herangehensweise in der Sache wird sie uns fehlen.
Die Vertretung für die Zeit ihrer Karenz im immer unverzichtbarer werdenden Fachbereich der Vegetationsökologie hat bereits Lukas Bofinger, MSc übernommen. Er hat an der TU München das Studium der Umweltplanung und Ingenieurökologie mit den Schwerpunkten Biodiversität, Ökosystemdienstleistungen und Bioindikation absolviert. In seiner Masterarbeit beschäftigte er sich intensiv mit Graslandgesellschaften der nördlichen Kalkalpen sowie der Reaktion von wind- und insektenbestäubten Pflanzenarten auf den Klimawandel. Wir freuen uns, einen so umfassend qualifizierten Vertreter für die Vegetationsökologie in unserem Team zu haben. (gs)
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Susi und Lukas in Ihrem Element! Foto: LUA
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