LUA-Notizen 4/2021
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LUA-Notizen

LUA-Notizen 4/2021

In diesem Newsletter

■ Editorial der Umweltanwältin

■ Windvorrangzonen ohne Berücksichtigung des Artenschutzes sind nicht nachhaltig

■ Änderung des Landeselektrizitätsgesetzes führt zu unbekannten landschaftsökologischen Auswirkungen

■ Parkplätze zur Lösung des Verkehrsproblems?

■ Mönchsberggarage: Überholt das LVwG den VwGH und wird damit schon 2022 gebaut?

■ Biodiversitätstagung und Vernetzung zur Abhilfe des Versagens der Schutzbestimmungen

■ Insektensterben in Mitteleuropa – Ausmaß, Ursachen und Folgen

■ Artenschutz und EuGH Rechtsprechung – Der Artenschwund muss endlich ernst genommen werden!

■ Beschwerde gegen UVP-Bescheid Lockergesteinsabbau Achberg in Unken

■ Wieviel "Plastikfassade" verträgt ein Landschaftsschutzgebiet?

■ Alle Jahre wieder, aber jedes Jahr mehr?

■ Happy Holidays zum Jahreswechsel!

Editorial der Umweltanwältin

Gishild Schaufler
Foto: © Gishild Schaufler

Als Fortschritt des Jahres 2021 zu bemerken ist, dass die Notwendigkeit der Lösung der Klimakrise nun nicht mehr bezweifelt oder gar bestritten wird. Trotzdem herrschen jedoch weiterhin große Meinungsverschiedenheiten, wie die Klimakrise gelöst werden kann und wer dafür zuständig ist. Das Thema Nachhaltigkeit ist dabei in aller Munde und aus vielen Werbungen nicht mehr wegzudenken, jedoch wird hier meist nur an CO2 gedacht und dabei immer noch die umfassende Problematik außer Acht gelassen. Ein Beispiel dafür war auch heuer wieder die alljährlich auf einer ganzen Seite des SN-Lokalteils veröffentlichte Werbung des Netzwerks Winter, die Technischen Schnee als „Natur pur“ anpreist, da er aus „nichts als Wasser, Luft und Strom aus erneuerbaren Energiequellen“ besteht. Leider fehlen uns die notwendigen finanziellen Mittel (ca. EUR 10.000,-- für eine einmalige Einschaltung auf einer ganzen SN-Lokalteil-Seite), um unsere Klarstellung mit gleicher Reichweite und Möglichkeit zur Meinungsbildung zu veröffentlichen. Deshalb gelangte diese Klarstellung nur auf unsere Homepage.

Aber nicht nur hier wird das Ausmaß der Biodiversitätskrise immer noch verkannt und diese oft nur als kleines Randproblem wahrgenommen. Denn während wir auch heuer durch Trockenheit, Waldbrände und Überschwemmungen bereits die Folgen des Klimawandels immer stärker und näher zu spüren bekommen haben, verläuft das Artensterben noch sehr still. Viele bedauern zwar den enormen Rückgang der Singvögel, das Thema Insektensterben wird jedoch zu oft belächelt, da Ursache und Wirkung meist im Verborgenen ablaufen. Auch bei der Erzeugung von Erneuerbarer Energie kann man sich oft nicht vorstellen, warum denn ein Windrad in den Bergen so schlimm sein soll. Die Vögel könnten ja ausweichen, außerdem gäbe es sicher technische Möglichkeiten, um Vogelschlag zu vermeiden und wenn doch ein paar Vögel getroffen werden, liege das doch innerhalb der normalen Sterblichkeit. Doch leider ist das nicht so einfach, wie man es gerne hätte (zB bei den Windvorrangzonen).

Allzu oft wird dabei auch die Summen- und Wechselwirkung unterschiedlichster Projekte nicht bedacht. Denn es gibt ja ganz viele verschiedene Interessen, die Fläche und Lebensräume immer mehr in Anspruch nehmen (Mönchsberggarage beim LVwG; Parkplätze als Lösung des Verkehrsproblems?; Beschwerde gegen UVP-Achberg; Metallfassaden mit Holzoptik im LSG?). Projektwerber sind meist auch davon überzeugt, bereits alles zu berücksichtigen und ohnedies bereits viel (zu viel) Geld für Ausgleichsmaßnahmen und Umsiedelungen für unterschiedliche Tierarten vorzusehen. Dabei kann es auch vorkommen, dass bereits übersiedelte Tiere in ihrem neu zugewiesenen Lebensraum einem neuen, weiteren Projekt im Weg sind. Dies erinnert dann gerade in der Vorweihnachtszeit an die verzweifelte Herbergssuche.

Gerade Weihnachten und das Ende des Jahres bieten uns Anlass, über Nehmen, Geben und Teilen nachzudenken. Dabei wird die Natur oft vergessen, ihr Wert verkannt und die wahren Kosten in die Zukunft verlagert, weil wir uns gerne immer mehr auf unsere eigenen Rechte und deren Durchsetzung als auf die Wahrnehmung lästiger Pflichten konzentrieren. Dies macht sich auch im Naturschutzverfahren immer stärker bemerkbar und war auch Thema bei der internationalen Biodiversitätstagung im Oktober in Linz (Biodiversitätstagung in Linz). Denn wenn es aufgrund von Arten- oder Lebensraumschutzbestimmungen zu Einschränkungen kommt, wird schnell von „Enteignung“ gesprochen. Doch schrankenloses Eigentum ist in einer demokratischen Gesellschaft gar nicht möglich, worauf auch schon unser Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) aus dem Jahr 1811 eingeht, dessen § 364 bereits selbst den umfassenden Eigentumsbegriff (§§ 354, 362 ABGB) erheblich einschränkt:

§ 364 (1) Ueberhaupt findet die Ausübung des Eigenthumsrechtes nur in so fern Statt, als dadurch weder in die Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht, noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden. …

In vielen Bereichen wird das auch akzeptiert, leider aber oft in Bezug auf Natur und Arten vehement in Frage gestellt. Und wenn wir uns gerade zu Weihnachten auch auf die Achtung vor unseren Mitlebewesen selbst besinnen können, ist das für uns Menschen wichtigere Argument wohl unsere eigene Existenzsicherung. Und gerade dieser dient der Schutz von Natur und Arten, weil er für unsere Lebensgrundlage absolut notwendig ist und somit dem Allgemeinwohl dient. Wer möchte nicht für seine Kinder und Enkel ein Leben in einer friedlichen Gemeinschaft und intakten Umwelt? Aber gerade dafür ist die gemeinsame Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise notwendig (Mögliche Auswirkungen der Änderung des LEG).

Deshalb ist es nötig, Natur- und Artenschutz zu stärken, damit er in unserer Gesellschaft auch mehr (Selbst-)Bewusstsein und Anerkennung erfährt und seine Durchsetzung zur Zielerreichung führt (Artenschutz und EuGH Rechtsprechung), wobei auch Förderungen auf diese verstärkt ausgerichtet werden müssen (GAP - Nationaler Strategieplan - Gemeinsame Stellungnahme der österreichischen Umweltanwaltschaften). Um auch weiterhin von der Natur nehmen zu können, dürfen wir sie bei der Lösung anderer Probleme nicht vergessen und müssen auch verzichten lernen, insb. auf Dinge, die wir ohnedies nicht wirklich brauchen (Lichtverschmutzung durch Weihnachtsbeleuchtung), damit das Verhältnis ausgewogen bleibt bzw. wieder wird und die Grundlage auch noch für unsere Urenkel zur Verfügung steht. Die gute Nachricht ist, naturverträgliches Handeln ist möglich, wir müssen nur endlich ernsthaft damit anfangen!

In diesem Sinne wünsche ich im Namen des gesamten LUA-Teams Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!

Gishild Schaufler

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Windvorrangzonen ohne Berücksichtigung des Artenschutzes sind nicht nachhaltig

Windmess-Standort Hochalm im Glemmtal, Foto: LUA (2019)

Am 30.11.2021 wurde das neue Landesentwicklungsprogramm (LEP) mit der Ausweisung von Windvorrangzonen kundgemacht. Stellungnahmen dazu sind bis 25.01.2022 möglich. Nach Durchsicht des Umweltberichts zur Strategischen Umweltprüfung (SUP) ist für uns jedoch nicht nachvollziehbar, wie man im LEP und in den Medienberichten (SN vom 30.11.21) zu der Aussage kommt, dass die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit für diese 11 Standorte "mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet" wird.

Auf der Seite 53 des LEP wird zwar auf die "Berücksichtigung artenschutzrechtlicher Sensibilitäten" hingewiesen, der Umweltbericht kommt sodann aber selbst bei neun der elf präsentierten Standorte zur Bewertung der Beeinträchtigung der Schutzgüter "Fauna" mit einem Minus "- negative Auswirkungen auf das Schutzgut" (Ofenauer Berg, Sulzau, Hochalm, Resterhöhe) oder sogar zwei Minus "-- deutlich negative Auswirkungen auf das Schutzgut" (Anzenberg, Schneeberg, Hochegg, Windsfeld, Pirkegg). Hier wird z.B. auf Verbindungskorridore von Gänse- und Bartgeier, Wanderfalkenlebensraum, Vogelzug, Brutgebiete, Raufußhühner und Wildruhezonen hingewiesen.

Ein paar der Standorte sind uns bereits aus gescheiterten Verfahren in der Vergangenheit bekannt. Aber auch aufgrund der Vorbeurteilung im Umweltbericht wird deutlich, welche Schwierigkeiten sich hier im Artenschutzrecht ergeben. Denn bei Tötung, Störung, Beschädigung und Vernichtung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten bzw. Niststätten können nach § 34 Abs 2 NSchG (in Umsetzung der Vogelschutz-Richtlinie) für Vögel auch keine Ausnahmen im überwiegenden öffentlichen Interesse erteilt werden. Hier wurde wohl mehr auf die Landschaft (die allerdings gegen andere öffentliche Interessen abgewogen werden kann) als auf den Artenschutz und die besonders sensiblen Greifvögel bzw. andere besonders sensible Vogelarten geschaut.

Die Wichtigkeit des Klimaschutzes und des Umstiegs auf erneuerbare Energieträger steht außer Streit und die LUA bekennt sich zur Notwendigkeit der Lösung dieser wichtigen Probleme. Aber die nun präsentierten Windvorrangzonen sind artenschutzfachlich und -rechtlich äußerst problematisch. Im Umweltbericht selbst wird darauf hingewiesen, dass die Prüfung auf Voranalysen anhand verfügbarer Datengrundlagen basiert und weiterführende Untersuchungen jedenfalls in den nachfolgenden Genehmigungsverfahren durchzuführen sind. Zu allen elf Standorten wird auch explizit angeführt, dass negative Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden können, aber dass „mit entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen diese Auswirkungen grundsätzlich gut zu kompensieren“ sind. Aufgrund des Fehlens von Daten ist die Möglichkeit zur Lösung artenschutzrechtlicher Probleme jedoch höchst ungewiss. Denn gerade im Artenschutz kann nicht alles über Ausgleichsmaßnahmen geregelt werden, da die Lebensraumansprüche sensibler Arten sehr komplex sind und durch den Menschen nicht einfach woanders „nachgebaut“ werden können, auch wenn wir es angesichts der Dringlichkeit der Krise gerne so hätten.

Der Alpenraum ist ein Rückzugsort für viele sensible Vogelarten, bei denen auch die Tötung eines oder weniger Exemplare aufgrund des normalerweise zu erreichenden hohen Alters, geringer Anzahl von Nachkommen und langer Aufzucht die gesamte Population gefährdet. Deshalb ist hier das Argument, für die Rettung des Klimas könne man schon ein paar tote Vögel verkraften, nicht richtig. Vielmehr müsste man sich fragen, ob denn das Hinauszögern der notwendigen Änderung unseres Lebensstils das Risiko des Zusammenbruchs ganzer Ökosysteme rechtfertigen kann.

Ohne Erhebungen (z.B. zu Vogelzug und Raufußhühnern) gemacht zu haben, wird aber nun den Projektwerbern eine grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit in Aussicht gestellt, womit die Probleme auf das Genehmigungsverfahren verlagert und dort noch vergrößert werden. Denn aufgrund des in Aussicht gestellten Erfolgs und der damit verbundenen Erwartungshaltung von Projektwerbern und Bevölkerung kommt es zu großen Frustrationen und enormen Konflikten, bei denen wieder Klima- und Artenschutz gegeneinander ausgespielt werden. Das hilft aber weder dem Klima noch den Arten. Denn echte Nachhaltigkeit, im Sinne des Erhalts unserer Lebensgrundlage, muss Umwelt-, Klima- und Artenschutz umfassend und daher ohne Ausblendung der jeweils anderen Problematik berücksichtigen.

Auch nach der SUP-Richtlinie hat der Umweltbericht Informationen zu enthalten, welche „die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen, einschließlich der Auswirkungen auf Aspekte wie die biologische Vielfalt, die Bevölkerung, die Gesundheit des Menschen, Fauna, Flora, Boden, Wasser, Luft, klimatische Faktoren, Sachwerte, das kulturelle Erbe einschließlich der architektonisch wertvollen Bauten und der archäologischen Schätze, die Landschaft und die Wechselbeziehung zwischen den genannten Faktoren “ umfassen. Diese zu erreichende Vollständigkeit der Informationen liegt aber nicht vor, weshalb der vorliegende Umweltbericht nicht die Anforderungen an eine SUP erfüllt.

Die möglichst gleichmäßige Verteilung jedes der erneuerbaren Energieträger auf alle Bezirke bzw. auch auf alle Bundesländer ohne Berücksichtigung geographischer Gegebenheiten trägt nicht zur Lösung des Gesamtproblems bei. Vielmehr müssten – neben der Einsparung des Energieverbrauchs – die unterschiedlichen Regionen ihre Anteile an der erneuerbaren Energieerzeugung jeweils abgestimmt auf die Topographie und die sonstigen Besonderheiten bereitstellen. (gs)

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Änderung des Landeselektrizitätsgesetzes führt zu unbekannten landschaftsökologischen Auswirkungen

Der Kulturlandschaftswandel hält weiter Einzug: Künftig unterliegen PV-Anlagen keiner Bewilligungspflicht mehr. Es gibt dadurch in keinem Verwaltungsverfahren mehr einen Bezugspunkt zu den Schutzgütern der Landschaft und der Biodiversität. Die geplante Gesetzesnovelle des Landeselektrizitätsgesetzes lässt wichtigste Potentiale zur Bewältigung der Klimakrise und der Biodiversitätskrise unbeachtet. Fotomontage: Landschaft bei St. Margarethen im Lungau. Foto und Montage: Lukas Bofinger

Das Land Salzburg sieht eine Gesetzesnovelle für das Landeselektrizitätsgesetz 1999 vor, die unter anderem auf eine Vereinfachung und Deregulierung zur Genehmigung von Energie-Erzeugungsanlagen abzielt, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern.

Unter anderem soll die Errichtung und der Betrieb von Photovoltaikanlagen bewilligungsfrei gestellt und die Leistungsgrenze für den Beginn des Anzeigeverfahrens anderer Erzeugungsanlagen von 50 kW auf 150 kW installierter Leistung angehoben werden.

Diese Änderung bedingt weitreichende naturschutzfachliche Konflikte:

Die Erzeugung und Verteilung von Energie ist zentraler Bestandteil geltender Nachhaltigkeitsstrategien. Die Errichtung und der Betrieb von Energieerzeugungsanlagen, insbesondere Photovoltaik, Biogas, Wasserkraft und Windkraft, sind zwangsläufig mit Auswirkungen auf den Naturhaushalt verbunden, weshalb die Bewilligung solcher Anlagen naturschutzfachlich sehr kritisch zu betrachten ist. Obwohl erneuerbare Energien zur Bewältigung der Klimakrise eine entscheidende Rolle spielen, muss deren Ausbau unter Berücksichtigung geltender Erkenntnisse und Nachhaltigkeitskriterien und strenger Abwägungen zur Schonung des Naturhaushaltes erfolgen. Entsprechend der Erkenntnisse des Weltklimarates (IPCC) und des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) muss die Klimakrise gemeinsam mit der Biodiversitätskrise gelöst werden (IPCC & IPBES, 2021).

Ganz allgemein ist zu gewährleisten, dass die geplante Gesetzesnovelle nicht zu Lasten der Allgemeinheit zu unverhältnismäßig hohen Profiten infolge der Energiewende und Klimakrise führt. Die Grünlandpacht liegt aktuell bei etwa 300 bis 700 Euro pro ha und Jahr. Als Pacht für Photovoltaikanlagen wird bereits heute mit bis zu 4.000 Euro pro ha und Laufzeiten von 25 Jahren geworben[1].

Aus naturschutzfachlicher Sicht ist eine naturverträgliche Standortsteuerung für Kraftwerksanlagen obligat: Es muss gewährleistet sein, dass die jeweils naturverträglichsten Standorte identifiziert werden, um die natürlichen Ressourcen effizient zu nutzen und um mögliche nachteilige Effekte durch Verbauungen und Eingriffe in sensible Bereiche zu verhindern. Insbesondere ist bei der Standortwahl die Biodiversität zu berücksichtigen, da die Bewältigung der Klimakrise nicht zu Lasten der Biodiversitätskrise stattfinden darf. Besonders gefährdet wird in Bezug auf PV-Anlagen das Extensivgrünland und damit die artenreichen Blumenwiesen, die für die Biodiversität von entscheidender Bedeutung sind, aber in Salzburg keinen Naturschutz genießen.

Durch den Wegfall der Bewilligungs- und Anzeigepflichten für PV-Anlagen fällt automatisch auch die bisherige Parteistellung der LUA nach dem LUA-Gesetz in diesem Verfahren weg und damit bleiben diese Anlagen außerhalb von geschützten Lebensräumen und Schutzgebieten künftig naturschutzrechtlich ungeregelt. Die artenschutzrechtlichen Verbote bleiben als Verbote aber unauslöschlich bestehen. Es gibt damit ohne Anzeige- oder Bewilligungsverfahren aber keinen Bezugspunkt mehr zu den Schutzgütern der Landschaft und der Biodiversität. Dies wird als nachteilig gewertet.

Die Installation solcher Anlagen auf vorbelasteten Standorten, etwa auf Dächern von Privat-, Firmen- oder Öffentlichen Gebäuden oder als Überdachung von Parkplätzen scheint notwendig, findet in der Gesetzesnovelle aber keine explizite Berücksichtigung, womit dieses wichtigste Potential unerfüllt bleibt.

Bezüglich der Errichtung von Photovoltaikfreiflächenanlagen besteht der fachliche Anspruch, dass eine Bewilligung nur unter verbindlichen Flächenbewirtschaftungsplänen für die beanspruchten Flächen möglich sein soll und etwa landwirtschaftlich unproduktive Flächen nur unter strengen naturschutzfachlichen Auflagen in Anspruch genommen werden dürfen bzw. von solchen Anlagen gänzlich zu verschonen sind. Dies deshalb, da sich durch solche Anlagen erhebliche Beeinträchtigungen auf den Charakter der Landschaft, das Landschaftsbild, den Wert für die Erholung und den Naturhaushalt ergeben können. Ein vorgeschriebenes, mit dem Betrieb der Anlage verknüpftes ökologisches Flächenmanagement samt Ausgestaltung der Freiflächen und Zwischenräume, wirkt sich nicht nur eingriffsmindernd aus, sondern kann bei entsprechender Vorschreibung zu positiven Effekten auf die Biodiversität führen und damit den entscheidenden Beitrag für eine sozial-gerechte Energiewende liefern.

Aus Sicht der LUA zwingt die Gesetzesnovelle daher eine Änderung des Naturschutzgesetzes herbei, wonach die Bewilligung von Energieerzeugungsanlagen, insbesondere Photovoltaik, als bewilligungsbedürftige Anlagen in den Gesetzestext des Naturschutzgesetzes aufzunehmen und entsprechende Kriterien zu formulieren sind, die nach Maßgabe wissenschaftlicher Erkenntnisse den Ausbau erneuerbarer Energien steuerbar machen, sodass dieser nicht zu Lasten von Biodiversität und Klima erfolgt. Auf diese Notwendigkeit einer Naturschutzgesetznovelle zur Wahrung der Belange des Natur- und Umweltschutzes wies die LUA auch in ihrer Stellungnahme im Begutachtungsverfahren zu dem betroffenen Gesetzesentwurf des LEG hin. (lb)

Literaturverzeichnis:

IPBES & IPCC
H.O. Pörtner, R. J. Scholes, J. Agard, E. Archer, A. Arneth, X. Bai, D. Barnes, M. Burrows, L. Chan, W.L. Cheung, S. Diamond, C. Donatti, C. Duarte, N. Eisenhauer, W. Foden, M. Gasalla, C. Handa, T. Hickler, O. Hoegh-Guldberg, K. IchiiU. Jacob, G. Insarov, W. Kiessling, P. Leadley, R. Leemans, L. Levin, M. Lim, S. Maharaj, S. Managi, P. Marquet, P. McElwee, G. Midgley, T. Oberdorff, D. Obura, E. Osman, Ram Pandit, U. Pascual, A. P. F. Pires, A. Popp, V. Reyes-García, M. Sankaran, J. Settele, Y. J. Shin, D. W. Sintayehu, P. Smith, N. Steiner, B. Strassburg, R. Sukumar, C. Trisos, A. L. Val, J. Wu, E. Aldrian, C. Parmesan, R. Pichs-Madruga, D. C. Roberts, Alex Rogers, S. Díaz, M. Fischer, S. Hashimoto, S. Lavorel, N. Wu, H. T. Ngo (2021).
IPBES-IPCC co-sponsored workshop report on biodiversity and climate change.

[1]https://www.energie-fuchs.at/newpage1 abgerufen am 13.12.2021

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Parkplätze zur Lösung des Verkehrsproblems?

Beispiel Rauris: die Gemeinde möchte aufgrund des gestiegenen Nutzungsdrucks den Parkplatz Lenzanger erweitern und dazu den Flächenwidmungsplan ändern. Davon betroffen wären auch angrenzende Wald- und Feuchtflächen. Es existiert bereits vorgelagert der Parkplatz Bodenhaus und sogar ein Shuttle-Bus-System. Aktuell liegt eine negative Begutachtung der Raumordnung vor. Foto: LUA

In diesem Jahr beschäftigten uns einige Verfahren, in denen Parkplätze zur Lösung des Verkehrsproblems beitragen sollten (zB in Rauris, Untertauern, Lessach und Faistenau). Denn, auch verstärkt durch die Pandemie, zieht es immer mehr Menschen hinaus in die Natur, um Erholung zu finden. Möglichst bequem möchte man ans Ziel kommen, doch die Parkplätze reichen nicht für die vielen Autos. Das führt zu Ärger sowohl bei den Grundeigentümern vor Ort als auch bei den Erholungssuchenden selbst. Die gleiche Geschichte wiederholt sich dann immer wieder. Schnell ist die „vermeintliche“ Lösung des Problems gefunden und neue Parkplätze werden beantragt. Denn damit soll das durch die vielen erholungssuchenden „Städter“ verursachte Chaos endlich geordnet werden. Argumentiert wird immer wieder, dass die Parkplatzschaffung bzw. -erweiterung ja dem „Naturschutz“ diene, denn ansonsten würden die Autos wild in den Wiesen parken und das sei kein schöner Anblick.

Einer Alternativensuche (Hindernisse durch Steinblöcke oder Holzleitplanken, Strafzettel udgl. in Verbindung mit gleichzeitigen öffentlichen Verkehrsangeboten) wird von vornherein eine Absage erteilt. Denn das führe nicht zur Lösung, da ist man sich sicher. Doch der wissenschaftliche Konsens in Bezug auf den Individualverkehr sagt etwas anderes: Je attraktiver die Infrastruktur gestaltet ist, desto mehr wird sie genutzt, und natürlich im Umkehrschluss je unattraktiver desto weniger. Bezogen auf die vielen geplanten neuen Parkplätze, werden die neu gebauten „geordneten“ Parkplätze schnell wieder an ihre Grenzen stoßen und im Umfeld der neuen Parkplätze eine neue Unordnung entstehen – nur dann mit noch mehr geparkten Fahrzeugen. Daher kann eine vernünftige zeitgemäße Lösung nicht in der Schaffung von immer mehr Parkplätzen bestehen, die zur massiv fortschreitenden, unnötigen Flächenversiegelung beitragen. Mit der Vernichtung landwirtschaftlicher Produktionsflächen oder naturschutzfachlich hochwertiger Lebensräume für unterschiedliche Insekten und andere Tierarten werden auch die Wasserrückhaltefunktion und sämtliche andere Funktionen der natürlichen Böden zerstört, all das zugunsten von parkenden Autos. Diese Spirale der fortlaufenden Schaffung neuer Angebote für den Individualverkehr muss mit innovativen Mobilitätskonzepten unterbrochen werden. (gs)

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Mönchsberggarage: Überholt das LVwG den VwGH und wird damit schon 2022 gebaut?

Der Krauthügel nördlich der Almgasse bis zum Hans-Sedlmayr-Weg und entlang des Weges bis hinauf zum Waldrand könnte bald für zwei Jahre Baustelle zur Errichtung von 650 Autoabstellplätzen im Mönchsberg werden. Quelle: Google Earth

Seit 2012 läuft der Streit um die Frage, ob der Ausbau der Mönchsberggarage eine UVP benötigt oder nicht. Im Dezember 2017 hat der VwGH bereits einmal für eine UVP-Pflicht entschieden. Daraufhin brachte die im Eigentum von Stadt und Land befindliche Parkgaragengesellschaft einen „Änderungsantrag“ ein, der in Wahrheit keiner war, aber neu behandelt werden sollte. Auf Basis der nachweisbaren Grenzwertüberschreitungen im belasteten Gebiet Luft der Stadt Salzburg sowie der belegten Gefährdung des unterirdischen Almkanals und der Lodronschen Wehrmauer durch den Baustollen, hätte eine UVP festgestellt werden müssen. Das BVwG ging aber nur von 450 neuen Stellplätzen aus, anstatt tatsächlich neu gebauter 650 Stellplätze. Seit September 2019 liegt die Angelegenheit daher wieder – mit derselben Fragestellung wie bereits im Jahr 2017 – beim VwGH. Eine Entscheidung darüber steht weiterhin aus.

In der Zwischenzeit ist nun der Naturschutzbescheid der Stadt Salzburg beim LVwG gelandet. Gegenstand ist die ca 2 Jahre dauernde Baustelle auf dem Krauthügel in zwei Landschaftsschutzgebieten, angrenzend an das Naturdenkmal „Ephemerer Tümpel“, im Bereich einer gut bekannten Amphibienwanderstrecke zwischen Mönchsberg und den St. Peter Weihern sowie angrenzend an Lebensräume von Reptilien und des Uhus.

Im Bereich des Artenschutzes geht es daher vorrangig um die Aufrechterhaltung der ökologischen Funktionalität der Lebensräume und Wanderbewegungen sowie um die Vermeidung von Störungen. Dafür bedarf es eines auf die Ansprüche der Arten abgestimmten Bauzeitplans, der Errichtung eines neuen Laichgewässers vor Einsetzen der Wanderbewegung bis 15.01. und ein Bauverbot bis 30.06., um den aktuell vom Mönchsberg rufenden Uhu nicht zu stören und seine Brut nicht zu zerstören.

Der Ephemere Tümpel am Krauthügel ist weltweit einzigartig und die darin gefundenen Einzeller Neuentdeckungen durch die Wissenschaft. Strittig sind die Auswirkungen der Baustelle auf diesen Lebensraum durch Eintrag von Staub und mineralöl-verunreinigtem Wasser der LKWs und der Reifenwaschanlage. Obwohl auch der gerichtliche Sachverständige die Beurteilung von Sickerwässern aus hydrologischer Sicht „wichtig“ fand, wurden die Beweisanträge zur Beurteilung von Auswirkungen durch ein protozoologisches Spezialgutachten abgewiesen.

Auch im Bereich des Schutzes des Erholungswertes für die Menschen bestehen prognostizierte Auswirkungen durch den Lärm der Baustelle, welche die Schwelle der Gesundheitsgefährdung bei längerer Expositionszeit im Freien überschreiten. Direkte Anrainer werden zwar mit Lärmschutzwänden geschützt, für den Freiraum bedeutet dies aber, dass der Krauthügel für zwei Jahre gesperrt werden müsste, um negative gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen vermeiden zu können. Die LUA hat dazu ein umweltmedizinisches Gutachten vorgelegt und eine ergänzende Begutachtung durch das LVwG beantragt. Dieser Antrag wurde vom LVwG aber abgewiesen.

Auch die Schwere des Eingriffs auf den Erholungswert wurde durch die Naturschutzbehörde unterschätzt. Obwohl auf fachlicher Ebene nachgewiesen wurde, dass der Eingriff zu niedrig berechnet wurde und der Erholungswert gar nicht berechnet werden kann, und daher mehr Ausgleichsmaßnahmen erforderlich gewesen wären, wurden auch diese Beweisanträge abgewiesen. Aktuell soll als Ausgleich weniger als die Hälfte des Krauthügels extensiv bewirtschaftet werden, der Rest darf weiterhin als mit Gülle gedüngte Vielschnittwiese genutzt werden.

An zwei Verhandlungstagen im Dezember hat sich das LVwG nunmehr intensivst mit der Ausgestaltung der Auflagen und Fristen auseinandergesetzt, während die wesentlichen gegen das Vorhaben sprechenden Einwendungen sachverständig unbehandelt blieben. Entweder sind die gegen das Vorhaben sprechenden Einwendungen so eindeutig, dass sie nicht weiter behandelt werden mussten, oder der Bewilligungsbescheid wird mit Änderungen der Auflagen bestätigt.

Wie auch immer, ganzheitlich betrachtet sollte wohl keine Eile herrschen, weil die Frage der UVP-Pflicht vom VwGH noch immer nicht erledigt ist. Doch: überholt das LVwG nun den VwGH und ermöglicht damit den Baubeginn?

Die Parkgaragengesellschaft und damit Stadt und Land drängen jedenfalls auf einen Baubeginn im Jahr 2022. Es wäre nicht auszudenken, wenn mitten während der aufrechten Baustelle vom VwGH die UVP-Pflicht festgestellt werden würde: die Baustelle müsste gestoppt werden und würde für Jahre brach liegen – im Herzen der Altstadt unter den Augen von Millionen von Touristen! Ein solches Fiasko darf nicht stattfinden. Ein Baubeginn ohne Klärung der UVP-Pflicht wäre daher unverantwortbar! (mp)

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Biodiversitätstagung und Vernetzung zur Abhilfe des Versagens der Schutzbestimmungen

Kulturlandschaft an den Hängen des Gaisbergs. Foto: Gishild Schaufler

Ende Oktober 2021 fand am Campus der Uni Linz eine Netzwerktagung zu den internationalen Konventionen des Biodiversitätsschutzes statt. Anlass war eine ländervergleichende Bestandsaufnahme nach 40 Jahren Bonner und Berner Konvention sowie der Vogelschutzrichtlinie und Überlegungen zur Eigenrechtsfähigkeit von Naturgütern. Wie in den LUA-Notizen 2/2021 berichtet, gibt es in anderen Ländern nicht nur Überlegungen darüber, sondern auch bereits Beispiele der Umsetzung.

Die Diskussion über die Rechtsfähigkeit der Natur ist keineswegs absurd, denn auch in unserem Rechtssystem gibt es neben der natürlichen auch die juristische Person (z.B. Gesellschaften und Stiftungen), die in ihrem Handeln von natürlichen Personen vertreten wird. In Bezug auf die Natur besteht eine dringende Notwendigkeit zur Veränderung unserer Sichtweise und unseres Handelns, da der Artenschwund trotz Bestehens der internationalen Konventionen und EU-Richtlinien weiter dramatisch voranschreitet. Der Weltbiodiversitätsrat warnt vor dem Aussterben von einer Million Arten bereits in den nächsten zehn Jahren. Bisher wurden die vereinbarten Ziele der Biodiversitätskonvention nicht erreicht. Ein großes Problem stellt dabei die fehlende Effektivität bei der Um- bzw. Durchsetzung der internationalen Schutzbestimmungen dar.

In ihrem Impulsreferat wies Univ.-Prof.in Erika Wagner auf die rechtliche Betrachtung der Natur als Objekt hin, dessen Schutz im öffentlichen Recht durch die Naturschutzbehörde von Amts wegen wahrzunehmen ist. In Österreich wurden die Landesumweltanwaltschaften (LUAs) eingerichtet, um der Natur als Interessenvertreterinnen besser zu ihrem Recht zu verhelfen. Ein großer Mangel dabei ist jedoch, dass die Parteistellung der LUAs auf bestimmte Rechtsmaterien, Verfahren und Rechte beschränkt ist und immer wieder versucht wird, sie weiter einzuschränken. Auch die Aarhus-Konvention wurde in Österreich nur minimalst umgesetzt, was bereits zu Korrekturen durch den EuGH geführt hat.

Wagner kritisiert, dass der ungenügende Schutz der Natur im System angelegt ist. Die Umweltanwaltschaften sind in jedem Bundesland unterschiedlich konzipiert, mit engen Grenzen der Wahrnehmung von Naturschutzinteressen. Dabei nimmt der/die Umweltanwält/in Kompetenzen wahr und hat dabei auch noch auf sonstige öffentliche Interessen soweit wie möglich Rücksicht zu nehmen. Diese „Selbstzensur“, auf die oft von Antragstellern in den Verfahren mit erhobenem Zeigefinger hingewiesen wird, nennt Wagner eine „Fehlkonzeption der Rollenverteilung iS eines fairen kontradiktorischen Verfahrens“, die zu Lasten der Natur geht.

Die ökologische Interessensicherung ist daher nach Wagner im derzeitigen System aufgrund von Schutz- als auch Vertretungslücken nicht möglich. „Die Abwägung von gravierenden Interessen der Natur mit Interessen der wirtschaftlichen Entwicklung ist verfehlt“ und die „Integritätsinteressen der Natur (von der alles Leben abhängt) verlangt nach Zuerkennung von Rechtspersönlichkeit“. Daher ist die Errichtung von Organisationsformen und Vertretungsrechten der Natur notwendig, denn die Vertretung der Natur kann nicht dem Zufall überlassen werden, weil auch direkt-demokratische Prozesse allein keine objektive Interessenwahrung gewährleisten. Deshalb braucht die Natur sach- und fachkundige, allein dem Umweltschutzinteresse verpflichtete Akteure.

Das können die Umweltanwält/innen leisten, wenn sie mit den notwendigen Rechten und Ressourcen ausgestattet werden. Aber natürlich ist es auch wichtig, die Rechte der Natur und ihrer Vertreterinnen zu akzeptieren, als auch den Naturschutzbehörden und ihren Sachverständigen mehr Selbstbewusstsein zuzugestehen. Dabei sind auch verantwortungsvolle Medien in der Pflicht, den Schutz nicht lächerlich darzustellen und auch die große Summenwirkung der vorhandenen vielen „kleinen“ Eingriffe zu erkennen.

Dies zeigt das Beispiel der großen (medialen) Aufregung um den Feldweg eines Landwirts im Pinzgau, der diesen – aus seiner Sicht nachvollziehbar – lieber in einen für ihn unbrauchbaren Bereich von mit Schilf durchsetzten Feldgehölzen (Sträuchern) gebaut hätte als durch seine Wiese. Das Problem ist aber, dass solche letzten Strukturen, die dann oft abwertend als „Gstättn“ bezeichnet werden, letzte Wanderstrecken und Rückzugsmöglichkeiten für bedrohte Tierarten in unserer intensiv genutzten Landschaft darstellen. Der Artikel „Feldweg in Mittersill gerät ins Visier des Naturschutzes“ erschien im SN-Lokalteil am Morgen des zweiten Tagungstages (27.10.21) und wurde daher als Beispiel herangezogen, da er genau die Schwierigkeit zeigt, die sich im Alltag der Naturschutzverfahren abspielt.

Dabei wird der Naturschutz von Betroffenen, Bürgermeistern und anderen Interessenvertreterinnen fortwährend kritisiert und immer wieder als „überschießend“ oder „überbordend“ abgestempelt. Man sei ja eh für Naturschutz, aber „mit Maß und Ziel“ bzw. „mit Hausverstand“, „ohne eine Käseglocke über alles zu stülpen“. Denn möglich sein soll schon noch alles, eine Einschränkung wird als „Enteignung“ gesehen. Mit seinem Vorgehen „mit der Brechstange“ bzw. „Keule“ erreiche der Naturschutz nur, dass die Akzeptanz für ihn sinke und das wäre wirklich schade, denn wichtig wäre er schon. Aber da wüsste man schon etwas anderes, wo man besser hinschauen sollte. So bzw. so ähnlich wird das Bild beharrlich verdreht, indem der Naturschutz als allgemeines Übel gesehen, als Verhinderer bezeichnet und für sein Versagen selbst schuld hingestellt wird.

Dies wurde und wird bereits so oft wiederholt, dass die Verantwortlichen dabei das Wesentliche übersehen. Denn – auch wenn es für den jeweils einzelnen Betroffenen durchaus ärgerlich sein kann – handelt es sich um gesetzliche Schutzbestimmungen von Natur und Arten, die nicht nur in einem Rechtsstaat anzuwenden sind, sondern auch ein wichtiges Ziel verfolgen und unbedingt notwendig sind, um das massive Artensterben aufzuhalten. Denn wir haben ein gravierendes Problem, weil das Artensterben unsere Lebensgrundlage bedroht. Zum Erreichen des Funktionierens der Schutzbestimmungen gab der anwesende Vertreter der Europäischen Kommission auch den essentiellen Hinweis, dass es bei der Anwendung und Interpretation des europäischen Naturschutzrechts nicht etwa darum geht, den jeweiligen Antragsteller zufrieden zu stellen, sondern vielmehr darum, die Ziele der Richtlinie zu erreichen – die Erhaltung der biologischen Vielfalt, der natürlichen Lebensräume und ihrer Arten. (gs)

Gelbwürfeliger Dickkopffalter auf Skabiosen-Flockenblume mit Käfer, Foto: Gishild Schaufler
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Insektensterben in Mitteleuropa – Ausmaß, Ursachen und Folgen

Die Verbreitungskarte dokumentiert den Arealverlust des Perlmutterfalters in Salzburg, Quelle: Haus der Natur, https://www.hausdernatur.at/de/mittlerer-perlmutterfalter-fabriciana-niobe.html

Zusammenfassungen aus einem Webinar von Prof. Dr. Fartmann, Leiter des Fachbereichs Biodiversität und Landschaftsökologie, Universität Osnabrück:

Mit der „Krefeldstudie“ (2017), welche den Rückgang von 80% bei Fluginsekten in Naturschutzgebieten in einem Zeitraum von rund 30 Jahren aufzeigte, gelangte das Insektensterben in die öffentliche Wahrnehmung. Seither wurden diese Ergebnisse durch eine Reihe weiterer Untersuchungen auch bei anderen Insektengruppen bestätigt. Die Ursachen des Rückgangs sind vielfältig, wesentlich ist aber der massive Landschaftswandel seit den 1950iger Jahren. Während damals eine nährstoffarme, pestizidarme und bunte Kulturlandschaft mit kleinen und sehr unterschiedlichen Nutzflächen vorlag und damit unsere gesamte Landschaft Lebensraum für Insekten bot, veränderte sich dies durch Intensivierung der Landnutzung und Flächenversiegelung.

Erste Warnsignale des Artensterbens gab es allerdings gar nicht bei den Insekten, sondern bei Vögeln, von denen vergleichsweise umfangreichere Langzeitdaten vorliegen. Hier zeigten sich bereits Ende des letzten Jahrhunderts deutliche Rückgänge vor allem insektenfressender Vogelarten der Kulturlandschaft, bspw. beim Rebhuhn. Es verschwanden aber auch Arten wie Neuntöter oder Wiedehopf, die sich vor allem von Großinsekten ernähren. Aktuell verzeichnen bereits auch ehemals häufige Vogelarten deutliche Bestandseinbrüche.

Über Insekten liegen zwar deutlich weniger Daten vor als über Vögel, aber auch bei den am besten erfassten Schmetterlingen sind aus den Verbreitungskarten deutliche Rückgänge schon an Arealverlusten erkennbar. Auch dieser Rückgang ist bereits seit Jahrzehnten dokumentiert und auch Vorkommen einst weitverbreiteter Arten sind mittlerweile auf lediglich 20% ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes geschrumpft. Dabei verzeichnen jene Insektenarten die stärksten Rückgänge, welche auf Feucht- und Trockenstandorte spezialisiert sind. Hier erweist sich die intensive landwirtschaftliche Nutzung auf großen Flächen als größtes Problem. Auch bei uns dominieren nährstoffreiches, artenarmes Grünland und (Mais-)Äcker. Diese bieten aber für Insekten keine Lebensräume, was zu einer dramatischen und massiven Verarmung der Artenvielfalt geführt hat. In unserer heutigen Agrarlandschaft ist der Artenschwund bei den Insekten daher deutlich stärker als in den Wäldern.

Artenreiche Insektenbestände benötigen viele verschiedene Pflanzenarten, wie sie im nährstoffarmen Grünland dem „High-nature-value-farmland“ zu finden sind. Während blumenreiche Mähwiesen oder Borstgrasrasen früher fast zu 100% der landwirtschaftlich genutzten Bereiche ausmachten, finden wir diese heute nur noch auf Restflächen, in Salzburg v.a. in höheren Lagen. Aber auch hier sind bereits massive Verluste dieser Lebensräume zu verzeichnen, wenn man sich die Tallandschaften in den Gebirgstälern anschaut, wo die ehemaligen struktur- und artenreichen „Hutweideflächen“ fast völlig verschwunden und einheitlich hellgrünen, eingeebneten und maschinell bearbeitbaren Vielschnittwiesen gewichen sind.

Für viele Insektenarten besteht unsere heutige Landschaft daher aus „Habitatinseln“, die meist sehr klein und isoliert erhalten geblieben sind. Dazu kommt, dass die Lebensraumqualität bei kleinen Flächen meist geringer ist, da hier Randeffekte durch Eintrag von Herbiziden, Insektiziden oder Düngung stärker wirken als bei großen Flächen. Auch die Überbrückung von homogenen und lebensfeindlichen Intensivflächen ist für viele Insektenarten schwierig, was eine (Wieder- oder Neu-)Besiedlung erschwert.

Gerade beim Mikroklima brauchen viele Insekten warme Mikrohabitate. Dabei ist das Vorhandensein vegetationsarmer Flächen mit offenen Bodenstellen, wo Wärme und Licht auf den Boden gelangen und die Insekten sich auch bewegen können, wichtig. Diese Kriterien erfüllen einerseits frühe Sukzessionsstadien aber auch nährstoffarme Magerstandorte, wo die Vegetation weniger dicht ist als im von wenigen, dicht stehenden Gräsern dominierten Intensivgrünland. Mit der Pflanzenartenvielfalt steigt auch die Insektenvielfalt, da viele Arten auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert sind. Wichtig ist auch die Habitatheterogenität. Häufig sind unsere Wiesen und Wälder sehr homogen, aber viele Insektenarten benötigen kleinräumig unterschiedliche Lebensraumstrukturen, beispielsweise mit Mikrorelief am Boden, offenen Bodenstellen und Gehölzen. Die Artenvielfalt steigt auch mit dem Totholzanteil und dieses fördert die Biodiversität auch im Wald. Besonntes Totholz ist für viele Käferarten überlebensnotwendig. Generell gilt: Vielfalt der Landschaft ist Garant für Artenvielfalt, und ermöglicht auch kleinräumige Ausweichbewegungen, etwa bei menschlichen Eingriffen oder vor Fressfeinden.

Selbst bei Insekten ist die Flächengröße bedeutsam. Beim Mittleren Perlmutterfalter haben Studien ergeben, dass zumindest 100 ha zusammenhängender Lebensraum erforderlich sind, bei kleineren Flächen fehlt die Art. Da aber derartig ausgedehnte Magerstandorte bereits extrem selten sind, sind auch in Salzburg die Arealverluste eklatant und gilt die Art im Alpenvorland als ausgestorben. Aber selbst bei Arten mit geringerem Flächenbedarf unterschreiten die Lebensraumreste häufig die Mindestgrößen für überlebensfähige Populationen, was sich umso problematischer auswirkt, wenn lebensfeindliche Bereiche angrenzen und keine Trittsteine mehr vorhanden sind.

Für eine effektive Förderung artenreicher Insektengemeinschaften benötigen wir daher folgende Schlüsselfaktoren:

  • Bei der Habitatqualität nährstoffarme Standorte ohne Düngung für eine hohe Pflanzenartenvielfalt, lediglich mittlere Störung durch extensive Nutzung, keine Pestizide;
  • hohe Habitatheterogenität/Strukturvielfalt sowie Alt- und Totholzreichtum;
  • ausreichende Flächengröße;
  • Biotopverbund zur Habitatkonnektivität.

Diese Schlüsselfaktoren liegen nicht allein im Einflussbereich des Naturschutzes, hier ist ein wesentlich umfassenderes Umdenken erforderlich, das alle Landnutzungen mit einbeziehen muss. Die Wissenschaft hat aufgezeigt, was getan werden kann und muss. Die Umsetzung liegt in unserer aller Hand! (sw)

Mittlerer Perlmutterfalter, Foto: Patrick Gros
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Artenschutz und EuGH Rechtsprechung – Der Artenschwund muss endlich ernst genommen werden!

www.curia.europa.eu - Gerichtshof der Europäischen Union

Der Klimaschutz ist in aller Munde. Doch viele erneuerbare Energien stehen im Widerstreit mit dem Artenschutz. Klimakrise und Biodiversitätskrise können nur gemeinsam und ohne Scheuklappen bekämpft werden. Der Verlust der Arten und damit der Biodiversität ist enorm: 83% Rückgang beim Grasfrosch, Verlust von 25% der Brutgebiete und 40% Artenverluste von Feld- und Wiesenvögeln, 80% Rückgang bei den Insekten usw. Die Listen sind lang und erschreckend. Der diffuse Verlust von Arten und Individuen ist hoch. Aber wie kann das sein angesichts der strengen Artenschutzbestimmungen der EU? Demnach ist es verboten Individuen von Arten zu fangen, zu töten, zu stören, ihre Eier zu entnehmen oder zu zerstören und ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu beschädigen oder zu vernichten.

Ein Blick in die Statistik der LUA zeigt: es gibt keine Bewilligungsverfahren nach dem Naturschutzgesetz! Der Grund: in den Naturschutzverfahren werden diese Verbote zwar überprüft, doch die verbotenen Maßnahmen werden fast ausschließlich anhand der Auswirkungen auf die Population der betroffenen Art beurteilt. Diese Beurteilung erfolgt über die lokale Ebene, bis hin zur Ebene des Mitgliedstaates und der europaweiten biogeografischen Region. In der Regel werden hier – oft ohne ausreichende Kenntnis über die Anzahl der betroffenen Individuen – „keine Auswirkungen“ auf die Population festgestellt, weshalb auch keine Ausnahmebewilligungsverfahren für erforderlich erachtet werden. Dieser Trugschluss befeuert jedoch den voranschreitenden Artenverlust!

Die Europäische Kommission hat daher im Jahr 2021 einen neuen „Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie“ veröffentlicht.

Doch auch dieser Leitfaden ist durch die Rechtsprechung des EuGH in den letzten eineinhalb Jahren schon wieder ergänzt worden. Ganz wesentlich dabei ist, dass die europäischen Institutionen verstärkt darauf hinweisen, dass die artenschutzrechtlichen Verbote gerade die „Individuen“ der betroffenen Tier- und Pflanzenarten schützen. Die Populationen sollen dann erst im nachfolgenden Ausnahmebewilligungsverfahren betrachtet werden, also nachdem ein Verbot gegen ein Individuum festgestellt worden ist (wobei dann tiefergehende Untersuchungen nötig werden).

Warum ist diese Unterscheidung so wichtig? Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, gegenüber der EU-Kommission alle gewährten Ausnahmen zu berichten: derzeit also „Null“. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, bei der Gewährung von Ausnahmen auch die kumulativen Auswirkungen bereits zuvor erteilter Ausnahmen zu berücksichtigen: derzeit also „Null“. Die Mitgliedstaaten sind weiters verpflichtet, die „angewandten Kontrollmaßnahmen und die erzielten Ergebnisse“ zu berichten: derzeit also „Null“.

Wie man sieht, fehlt derzeit die Praxis eines konsequenten Individuenschutzes und damit eine Übersicht über die Beeinträchtigungen der Populationen. Folgende Urteile des EuGH in den letzten eineinhalb Jahren setzten Meilensteine gegen diese systemimmanente Unterbewertung des Artenverlustes:

EuGH Urteil vom 4. März 2021, Rs C-473/19 und C-474/19 (Skydda Skogen) zu den Arten:

Hier hat der EuGH gegen die Umgehung des Ausnahmebewilligungsverfahrens und gegen die Gefahr der sukzessiven Verschlechterung des Zustands der Arten mehrere Schranken eingezogen, die verhindern sollen, dass eine schleichende Verschlechterung des Zustands der Arten eintritt. So hat der Gerichtshof in den Rn 54-57 und 78 klargestellt, dass bei den Verbotstatbeständen immer nur auf das Individuum abzustellen ist und nicht auf die Population. Zum Erhaltungszustand hat der EuGH klargestellt, dass auch solche Maßnahmen, die kein Risiko einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der betroffenen Arten enthalten, im Einzelfall vom Verbot umfasst sein können. Damit spricht sich der Gerichtshof völlig klar und eindeutig gegen eine Gefährdungsprognose auf der Ebene der Verbotstatbestände und damit auch gegen das Konzept des „signifikant erhöhten Tötungsrisikos“ aus. Das Schutzregime darf von solch einem Risiko daher keinesfalls abhängen, sondern der Erhaltungszustand ist vielmehr erst im Ausnahmeverfahren zu prüfen.

EuGH Urteil vom 2. Juli 2020, Rs C-477/19 (Feldhamster I):

Hier stellte der EuGH klar, dass auch verlassene Ruhestätten dem Schutz und damit dem Verbot unterliegen, wenn eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit besteht, dass die entsprechende Tierart wieder an diese Ruhestätte zurückkehrt.

EuGH Urteil vom 2. November 2021, Rs C-357/20 (Feldhamster II):

Darin ergänzte der EuGH dieselbe Auslegung auch für Fortpflanzungsstätten und legte darüber hinaus fest, dass unter den Begriff der Fortpflanzungsstätte auch das räumliche Umfeld zu subsumieren ist, sofern dieses für eine erfolgreiche Fortpflanzung der geschützten Tierart erforderlich ist.

EuGH Urteil vom 4. März 2021, Rs C-473/19 und C-474/19 (Skydda Skogen) zu den Habitaten:

In der Rs C-473/19 und C-474/19 vom 04.03.2021 stellte der EuGH nochmals klar, dass die Handlungen der Verbotsbestimmung nicht nur absichtliche, sondern auch unabsichtliche Handlungen betreffen (C-477/19 Rn 27). Außerdem hat der Gerichtshof betont, dass der Schutz der Lebensstätte unabhängig von der Anzahl der Exemplare der jeweiligen Art gilt (C-441/17 Rn 237). Deshalb ist auch davon auszugehen, dass der Schutz der Lebensstätten nicht vom Risiko einer negativen Auswirkung auf den Erhaltungszustand dieser abhängen kann (Rn 84).

Im Ergebnis der EuGH-Rechtsprechung besteht daher auch beim Zerstörungsverbot von Habitaten kein Populationsbezug.  Damit entfällt aber auch automatisch das immer wieder in den Verfahren verwendete Argument, allenfalls betroffene Arten könnten ins Umfeld ausweichen, womit der Erhaltungszustand der betroffenen Art beibehalten werden könne, weil es darauf bei diesem Tatbestand nämlich gerade nicht ankommt.

Will man den Verlust der Biodiversität wirklich wirksam aufhalten, wird man nicht umhin kommen die Blockade der Ausnahmeverfahren endlich aufzugeben und im Sinne der europarechtlichen Verpflichtungen Verantwortung zu übernehmen. (mp)

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Beschwerde gegen UVP-Bescheid Lockergesteinsabbau Achberg in Unken

www.bvwg.gv.at - Bundesverwaltungsgericht Republik Österreich

Ein in Unken ansässiges Erdbau- und Schotterwerk hat im Bereich Achberg um die UVP-Bewilligung eines Lockergesteinsabbaus für die Dauer von 85 Jahren angesucht. Davon betroffen ist unter anderem ein besonders hochwertiger Blocksturzwald. Darin ist vom Vorkommen geschützter Tierarten auszugehen. Allerdings ist eine artenschutzfachliche Untersuchung aufgrund des grobblockigen Geländes nahezu unmöglich. Dennoch wurde – ohne genaue Kenntnis der tatsächlichen Situation – angenommen, dass die Entfernung der Felsblöcke keine Auswirkungen auf die Populationen der betroffenen Arten haben werde. Bezugnehmend auf den Artikel „Artenschutz und EuGH Rechtsprechung“ ist eine solche Annahme aber nicht zulässig und es hätte ein artenschutzrechtliches Ausnahmebewilligungsverfahren samt Alternativenprüfung durchgeführt werden müssen.

Andererseits hat der Projektwerber ein öffentliches Interesse an der Versorgung mit Wasserbau- und Wurfsteinen für den Hochwasserschutz geltend gemacht. Allerdings handelt es sich dabei um einen Baurohstoff, der in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung steht, weshalb nur von einem privaten Interesse eines Unternehmers auszugehen ist. Dazu kommt, dass erst im Jahr 2015 im benachbarten Weißbach bei Lofer ein Steinbruch mit demselben Zweck für die Dauer von 100 Jahren bewilligt worden war, um die Versorgung mit Wasserbausteinen in der Region zu sichern. Die Ausbeute beträgt dort 30% am Abbauvolumen, während die Ausbeute am Achberg weniger betragen soll.

Da die Bewilligung aber ohne genaue Prüfung der widerstreitenden Interessen und des Artenschutzes erteilt wurde, erhob die LUA dagegen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. (mp)

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Wieviel "Plastikfassade" verträgt ein Landschaftsschutzgebiet?

Beispiel eines modernen Rinderlaufstalls der Firma wolfsystem.de

Ein Verfahren in Neukirchen am Großvenediger verursachte bei der LUA verwundertes Kopfschütteln und die Frage: Sind wir schon in der Piefke-Saga Teil 4 angekommen oder ist das wirklich ernst gemeint?

Der Neubau eines Rinder-Laufstalls für 70 Kühe und 800 m³ Gülle am Rande des und teilweise im Landschaftsschutzgebiet, angrenzend an die freie Landschaft, sollte hinsichtlich seiner landschaftlichen Verträglichkeit beurteilt werden. Der Neubau stellt vor dem Hintergrund der eindrucksvollen Gebirgswelt und der bisher freien Wiesenlandschaft jedenfalls eine Beeinträchtigung im Landschaftsbild dar. Geschützt sind im Landschaftsschutzgebiet die naturnahen Kulturlandschaftsbereiche, die von der bisherigen traditionellen Landwirtschaft geprägt sind.

Grundsätzlich finden die großen Freilaufställe in der überlieferten bäuerlichen Architektur ja eher keine Entsprechung, sondern stellen eine Neuentwicklung in den Kulturlandschaften dar. Es ist der LUA daher ein Anliegen, zumindest in den Landschaftsschutzgebieten (außerhalb gibt es dazu ohnedies keine Naturschutzverfahren) eine gute landschaftliche Einbindung durch Einpflanzung der Objekte mittels Streuobstwiesen, Fassadenbepflanzungen und durch die Verwendung traditioneller Materialien zu erreichen.

Im speziellen Einzelfall weigerte sich der Antragsteller aber einen Bau mit Holzfassaden zu errichten. Stattdessen bestand er laut Mitteilung im Verfahren auf der Verwendung von Metall-/Aluminiumfassaden, auf welchen mittels Plastikfolie eine Beschichtung in „Holzoptik“ aufgebracht werden soll. Der Rest wird mit Plastik-Vorhängen und Plastik-Rollos verhängt. Aus sachverständiger Sicht sei die Beschichtung der Fassadenplatten nur aus der unmittelbaren Nähe erkennbar und es gäbe keine Möglichkeit die Verwendung von Holz schlüssig zu begründen.

Ist das wahr? Sehen wir in der Zukunft in unserer geschützten Kulturlandschaft bald nur noch Holzoptik auf Plastikfolien (und die Plastikfolien der immer mehr überhandnehmenden Siloballen)? Leben wir nur noch in einer Welt aus Fassaden, die uns Natürlichkeit vorgaukeln? In der Piefke Saga waren am Ende auch die Bäume, Rehe und Kühe aus Plastik. So weit sind wir zumindest noch nicht.

Die LUA erhob dennoch keine Beschwerde, weil es hier um umfassendere Überlegungen geht, die aber im Naturschutzverfahren keine Anwendung finden: Es geht um die grundsätzliche Haltung, wie wir mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen umgehen. Ein Landwirt, der selbst über einen Wald und Holz verfügt, könnte diese Ressourcen auch für seine Interessen nutzen. Die Bäume wachsen wieder nach. Die Verwendung von Aluminium-Fassadenplatten hingegen bedingt den Abbau von Bauxit, deren größte Abbauvorkommen in Südamerika, Westafrika und Asien liegen, sowie eine energieintensive Herstellung benötigen. Auch die Plastikfolie verbraucht nicht natürliche Ressourcen und Energie. Dazu kommt die Intensivierung der Landwirtschaft, die Industrialisierung der Milchwirtschaft, die Erhöhung der Methanproduktion und der Güllezuwachs, der mangels Vermehrbarkeit von Flächen auf den gleich großen Wiesenflächen zusätzlich ausgebracht werden muss. Die Biodiversität auf landwirtschaftlichen Kulturflächen und Randstreifen schwindet damit ebenso unaufhörlich.

Dieses Beispiel soll nicht anklagen oder polarisieren, aber bestenfalls daran erinnern, dass es immer einen anderen Weg gibt, um mit unseren Ressourcen schonender umzugehen und dass wir keine künstlichen Fassaden brauchen, um Natürlichkeit zu vermitteln. Immerhin wird ja auch gerne mit dem höchsten Grad der Natürlichkeit von landwirtschaftlichen Produkten geworben, das müsste sich dann aber über den gesamten Produktionsprozess inklusive Einsatz aller Betriebsmittel erstrecken. Ein Abwenden von der Natürlichkeit sollte daher möglichst vermieden werden. Auch unsere geschützten Landschaften sollten natürlich bleiben und nicht nur Natürlichkeit vorgaukeln. (mp)

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Alle Jahre wieder, aber jedes Jahr mehr?

Neuer LUA-Folder "Lichtverschmutzung durch Weihnachtsbeleuchtung"

Es ist durchaus nachvollziehbar, dass gerade in den verdrießlichen Lockdowns der dunklen Corona-Winter viele Menschen Freude durch künstliche Helligkeit in die dunkle Jahreszeit bringen wollen. Dieses Bedürfnis wird auch gefördert durch die Werbung von Baumärkten und Leuchtstoffmittelbranche. Fast gibt es keinen Garten und keine Fassade mehr, von wo es nicht rausleuchtet oder herunterblinkt. Im Jahr 2013 nahm bereits der Comedy-Hörspiel-Klassiker „Weihnachten in Stenkelfeld“ [1] das Phänomen aufs Korn: drei harmlose Elektrokerzen auf Omas Fensterbank lösen ein Wettrüsten der Weihnachtsbeleuchtung in der Nachbarschaft aus, das schließlich in einem kompletten Zusammenbruch des Stromnetzes endet. Ein potenzieller Stromausfall ist aber wohl nur die geringste Gefahr, die von zu viel künstlicher Beleuchtung in der Nacht ausgeht. Auch wenn in dieser Jahreszeit die Natur zu schlafen scheint, ist der Tag-Nacht-Rhythmus ein wichtiger Taktgeber für fast alle Organismen, den man nicht stören sollte, insbesondere in Zeiten, in denen zunehmend viele Arten in sich beschleunigendem Maße von der Auslöschung bedroht sind [2].

Satellitenmessungen zeigen, dass künstliche Außenbeleuchtung in den vergangenen Jahren weltweit durchschnittlich um 2,2% zugenommen hat [3]. Derzeit leben bereits mehr als 80% der Menschen unter einem künstlich beleuchteten Himmel, Tendenz steigend [4] [5]. Auch der Umstieg auf die energiesparendere LED-Technologie seit Mitte der 2000er brachte hier keine Verbesserung, im Gegenteil. Durch den sogenannten „Rebound-Effekt“ wurde seitdem nur noch mehr (wenn auch energiesparendere) Beleuchtung installiert, noch dazu häufig in einem für Organismen schädlicheren Frequenzbereich (bläulich-weißlich) als die herkömmliche Glühbirne [4] [6].

Während es im öffentlichen Raum bereits klare Standards und Normen über Art und Weise des Einsatzes von Beleuchtungskörpern gibt [7], die auch zunehmend umgesetzt werden, hofft man im privaten Bereich (noch) auf die Wirkung von Aufklärung. Jedoch ist nur wenigen das Problem der „Lichtverschmutzung“ mit den massiven Folgen auf Mensch und Natur bewusst. Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus beeinträchtigen jedoch nicht nur die Gesundheit des Menschen (neben Schlafbeschwerden stehen auch viele Stoffwechselstörungen und hormonabhängige Krebserkrankungen in Diskussion). Vor allem auch für die Natur bedeutet künstliches Licht bei Nacht enorme Fitness-Nachteile für etliche Arten. Viele nachtaktive Tiere werden durch Kunstlicht angelockt oder irritiert, sterben erschöpft oder werden von Fressfeinden gefunden, oder sie werden in ihrem Fortpflanzungsverhalten beeinträchtigt. Die schädlichen Wirkungsweisen von Kunstlicht sind vielfältig und komplex. (Eine Zusammenfassung einiger wichtiger Studien findet sich auf unserer Homepage unter [8]).

In einem Zeitalter des dramatischen Artenrückganges als Folge der Übernutzung der Natur durch den Menschen ist es dringend vonnöten, auch die Lichtverschmutzung als nicht unwesentlichen Gefährdungsfaktor ernst zu nehmen und ihr entgegenzusteuern. Zu Weihnachten wäre das beste Mittel wohl Vermeidung von künstlicher Beleuchtung im Freien. In unserem aktuellen Folder "Lichtverschmutzung durch Weihnachtsbeleuchtung" haben wir die wichtigsten Informationen dazu zusammengefasst. Vielleicht bewirkt eine traditionelle Laterne mit Kerzenlicht vor der Haustüre viel mehr Weihnachtsstimmung, vor allem mit Bedacht auf die Bewahrung der Schöpfung. In diesem Sinne: besinnlichen Advent und Frohes Fest! (uj)


[1] Weihnachten in Stenkelfeld: https://www.youtube.com/watch?v=7mLZxk0HQeQ

[2] https://www.un.org/sustainabledevelopment/blog/2019/05/nature-decline-unprecedented-report/

[3] Kyba et al., Artificially lit surface of Earth at night increasing in radiance and extent, Vol. 3, 2017: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.1701528

[4] Li-Wei et al., Journal of Environmental Management: Changes in night sky brightness after a countywide LED retrofit, Vol. 292, 2021: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0301479721008380

[5] Falchi et al., The new world atlas of artificial night sky brightness, Sciene advances, Vol. 2, 2016: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.1600377

[6] Umweltbundesamt Deutschland, 2016 https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/rebound-effekte_empirische_ergebnisse_und_handlungsstrategien_hintergrundpapier.pdf

[7] Österreichischer Leitfaden Aussenbeleuchtung, 2018: https://www.ooe-umweltanwaltschaft.at/Mediendateien/Leitfaden.pdf

[8] Lichtverschmutzung, Landesumweltanwaltschaft Salzburg, 2019

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Happy Holidays zum Jahreswechsel!

Das Team der Landesumweltanwaltschaft Salzburg 
wünscht allen ein schönes Weihnachtsfest, 
erholsame Feiertage und ein gutes und gesundes neues Jahr 2022!

 

Unser Büro ist von 20.12.2021 bis 7.1.2022 geschlossen.

Um bei den üblichen behördlichen Stellungnahmefristen Verlängerungsansuchen zu vermeiden, ist unser Posteingang bereits ab 17.12.2021 geschlossen. E-Mails werden in dieser Zeit nicht gespeichert und Rsb-Briefe zurückgeschickt und müssen daher ab 10.01.2022 erneut gesendet werden. Wir bitten um Ihr Verständnis!

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