UVP für Erweiterung der Mönchsberggarage?
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Projekt MBG NEU 2017
Von Falschmeldungen, gefährdetem Welterbe und Rechenkünstlern
Jüngst sorgte ein Artikel in der lokalen „Salzburg Krone“ vom 19.09.2017 für Verwirrung unter Journalisten, Behörden, Umweltanwalt, Bürgerinitiativen, NGO´s und allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich mit dem Thema befassen: „Antrag abgelehnt – Umweltanwalt blitzte bei der Behörde ab“.
Stadt-SPÖ-Klubchef Bernhard Auinger hatte die Krone offenbar exklusiv informiert. Worüber ist allerdings unklar, da zu diesem Zeitpunkt erst rund 900 Seiten Gutachten und Stellungnahmen im Verfahren zur Feststellung, ob eine UVP erforderlich ist, zur Stellungnahme an den Umweltanwalt übermittelt wurden. Nach Rückfrage bei der Behörde wurde bestätigt, dass noch kein Bescheid erlassen worden sei. Zur Richtigstellung und Information der Öffentlichkeit informierte die LUA unverzüglich noch am Vormittag die restliche Presse und Öffentlichkeit per Pressemeldung, Homepage und facebook. Anstatt eines „erratums“ zeigte sich der Krone-Chefredakteur per mail geehrt über die „Attacke“ der LUA.
Zur Frage, ob eine UVP erforderlich ist, läuft derzeit bereits das zweite Feststellungsverfahren. Der Ausbau der Garage soll von hinten erfolgen, also über den Krauthügel. Von dort aus soll der Mönchsberg angestochen und ein „Baustollen“ bis zur bestehenden Garage errichtet werden. Nachdem die erste Variante des Tunnelbaus an der Zustimmung des Grundeigentümers scheiterte, wurde nun eine zweite Variante an anderer Stelle geplant, die erneut geprüft werden muss. Nach den letzten Plänen soll links des Weges auf die Festung (Hans-Sedlmayr-Weg) neben dem Almkanal eine Zufahrt zum Berg errichtet und unterhalb des „Bürgermeisterloch“ die Tunnelbaustelle beginnen. Dieser Tunnel müsste im Berg zwei historische Almkanal-Stollen überqueren und die historische Stadtmauer (Lodron´sche Mauer) unterqueren. Während Parkgaragengesellschaft und Landesgeologe keine Probleme sehen, bekrittelt der Geologe und Univ.Prof.i.R.Dr. Georg Spaun, dass bestehende Risiken im zerklüfteten Konglomeratgestein weit unterschätzt wurden: es habe nur eine Probebohrung gegeben, die mit problematischem Ergebnis endete, aber keine weiteren Erkundungen nach sich zog; außerdem habe bloß eine Sichtprüfung zur Standfestigkeit der Stadtmauer stattgefunden. Insgesamt sei daher von einer Gefährdung der historischen Welterbe-Bauten auszugehen.
Zur Frage der Gefährdung von Menschen durch erhöhte Luftschadstoffe steht die Parkgaragengesellschaft vor einem Dilemma: die Stadt Salzburg ist aufgrund der hohen Schadstoffbelastung durch Verordnung des Umweltministers als „Belastetes Gebiet Luft“ ausgewiesen. Dies führt dazu, dass Zusatzbelastungen streng geprüft werden müssen. Durch ein rechtliches Konstrukt hat es die Parkgaragengesellschaft bereits im ersten Verfahren geschafft, dass anstatt 657 neu zu bauenden Garagenplätzen nur 456 bei der Prüfung der Zusatzbelastung berücksichtigt werden müssen. Diese Auffassung wurde bekämpft und ist noch vom VwGH zu entscheiden. Schon im vorangehenden Gerichtsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wurde klargestellt: müssen 657 Garagenplätze berücksichtigt werden, dann ist eine UVP fällig.
Das Projekt stand im ersten Verfahren bereits mit 456 Stellplätzen immissionstechnisch auf der Kippe und das tut es noch heute. Die Umweltanwaltschaft hat im aktuellen Verfahren ein Ingenieurbüro für Technischen Umweltschutz mit einer Analyse und Überprüfung des Projektes in puncto Verkehr und zusätzliche Luftbelastung beauftragt. Im Ergebnis konnte nachgewiesen werden, dass enorme Kapazitäten an sachverständigem Hirnschmalz in die rechnerische Umgehung einer UVP-Pflicht bei den Verkehrszahlen und Luftschadstoffimmissionen investiert wurde. Der Sachverständige der LUA konnte nachweisen, dass nur auf Basis einer Kette verschiedenster fragwürdiger Annahmen ein Unterschreiten der Grenzwerte dargestellt werden konnte. Im Ergebnis würden daher die betroffenen Menschen in der Neutorstraße, aber auch auf dem Krauthügel während der Bauphase in Wirklichkeit mehr belastet, als zulässig wäre.
Auf Basis dieser Ergebnisse muss daher auch weiterhin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die Erweiterung der Mönchsberggarage unter Beteiligung der davon betroffenen Menschen zur Erzielung eines fairen Ergebnisses gefordert werden (mp).
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VwGH bestätigt Schutz von Europaschutzgebiet vor Forststraße
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Göllstock aus Kuchl-Kellau gesehen, Foto: Enschiner (wikimedia)
Forststraße im Natur- und Europaschutzgebiet Kalkhochalpen nicht zulässig
Der geplante Bau der Forststraße „Thomanalplstraße“ im Europaschutzgebiet Kalkhochalpen im Gemeindegebiet von Golling war Gegenstand langjähriger Verhandlungen auf Landesebene und einer daraus resultierenden gerichtlichen Auseinandersetzung, die nun ihren Abschluss fand. Die LUA berichtete in den LUA-Notizen 2015 No 2.
Hintergrund war und ist die europäische Verpflichtung der Republik Österreich wegen bislang zu geringer Ausweisungen zusätzliche Europaschutzgebiete nach Brüssel zu melden und bestehende Schutzgebiete zu erhalten. Interessenkonflikte zwischen der Landesregierung und den Antragstellern der Forststraße, die gleichzeitig auch Grundeigentümer im ESG Bluntautal sind und auf deren Zustimmungen das Land angewiesen ist, führten zu einer Pattstellung. Das Land löste diese unerfreuliche Situation für sich mit der Erteilung einer Bewilligung für eine neue Forststraße im Europaschutzgebiet Kalkhochalpen. Die LUA zog dagegen vor das Landesverwaltungsgericht, welches die Bewilligung wieder entzog. Das Land beschwerte sich gegen die Versagung Seite an Seite mit den Antragstellern beim VwGH.
Der VwGH erklärte nun mit Beschluss vom 11.08.2017 diese Revisionen für nicht zulässig und führte im Kern aus, dass das Verfahren beim LVwG korrekt abgelaufen ist. Konkret ging es darum, dass durch die Weganlage laut Projekt rund 2.700 m² eines FFH-Lebensraumtyps zerstört würden. Die LUA wendete ein, dass im Gefolge des Baugeschehens mit der mindestens dreifachen Fläche zu rechnen sei und dass die Zerstörung solcher Lebensraumtypen auch im geringen Ausmaß in Europaschutzgebieten verboten sei. Grundlage dieser Argumentation waren auch die in Deutschland bereits in die Rechtsprechung Eingang gefundenen Fachkonventionen zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung im Auftrag des deutschen Bundesamtes für Naturschutz. Das LVwG stellte auf dieser Basis sowohl eine Verletzung der Naturschutzgebietsverordnung, als auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Europaschutzgebietes fest.
Der VwGH hob in seinem zurückweisenden Beschluss nunmehr im besonderen hervor, dass es keine Hinweise erkennen könne, das LVwG sei fehlerhaft oder unvertretbar vorgegangen. Insbesondere sehe der VwGH keine Bedenken darin, dass sich die negative Beurteilung durch das LVwG auf eine kleine Fläche in Randlage des Schutzgebietes bezöge, „zumal auch weder die „Kleinflächigkeit“ des betroffenen Waldgebietes im Verhältnis zur restlichen Waldfläche noch dessen Randlage diese Annahme ausschließen.“
Diese hervorgehobene Klarstellung ist insofern besonders bedeutend für zukünftige Verfahren, da bisher derartige Relativierungen hinsichtlich Größe/Kleinheit des Eingriffs und „Randlage“ fallweise dafür verwendet wurden, um die wahren Eingriffswirkungen abzuschwächen und eine Bewilligung gerade noch begründen zu können. Gerade in Europaschutzgebieten sind diese Maßstäbe besonders zu berücksichtigen, auch im Rahmen der Erhaltung und im Management der Gebiete. (mp)
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UVP 380 kV: Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG in Wien
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Toranlage zum Central Viehmarkt St. Marx in Wien, Foto: LUA
„Entscheidung ergeht schriftlich“
Vom 17. bis 27. Juli 2017 fand in Wien zwischen Helmut-Qualtinger-Gasse und Karl-Farkas-Gasse die Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im UVP-Verfahren über die beantragte 380 kV Salzburgleitung statt. Der Marx-Palast – früher Verwaltungsgebäude des Zentralviehmarktes beim Schlachthof St. Marx (der ehemals zentralen Fleischversorgung von Wien) – diente als Verhandlungssaal. Polizeiaufgebot vor und Wachdienst im Gebäude verwandelten den Ort für zwei Wochen in einen Hochsicherheitstrakt mit dauerhaften Einlasskontrollen samt Körperscannern und Röntgentechnik.
Zwei Wochen lang kam es vor einem Senat von drei Richterinnen zum fachlichen Schlagabtausch auf höchstem Niveau. Nicht nur zwischen gelernten Fachleuten, sondern auch mit Bürgerinnen und Bürgern, die sich im Laufe der Zeit auf bewundernswerte Art viele Kompetenzen erarbeitet haben. Ebenso sachlich blieb der Umgangston, wenngleich in der Sache hart argumentiert wurde. Und wie bereits in den vielzähligen Beschwerden eingewendet, konnten die vom Gericht bestellten Sachverständigen – mit Ausnahme des ausgetauschten Umweltmediziner im übrigen dieselben wie in erster Instanz – wieder in vielen Bereichen nicht ausreichend überzeugen.
Auch wenn die Richterinnen zunächst oft selbst von der Wichtigkeit einer Frage, dem Sinn einer Frage und dem rechtlich relevanten Hintergrund einer Frage überzeugt werden mussten, bevor man sie stellen durfte, so lohnt diese Mühe jedenfalls am Ende: ist doch die direkte und unmittelbare Konfrontation mit den Sachverständigen der Kern der Erforschung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts. Und so sicher manche Formulierungen am Papier erscheinen, so unsicher können sie auf einmal bei ihrer Erörterung mit anderen Experten werden. Entsprechend geht der Sinn einer mündlichen Verhandlung aber dann verloren, wenn ein zentral wichtiger Sachverständiger nicht zur Verhandlung erscheinen kann und anstatt dessen von einem anderen Sachverständigen – der bereits mehrmals aus fachlichen Gründen und als befangen abgelehnt, aber vom Gericht dennoch beibehalten wurde – vertreten wird und wenn man merkt, dass diesem im Hintergrund plötzlich von vielen Seiten zugearbeitet wird.
Das BVwG hat am Ende der Verhandlung am 27.07.2017 das Ermittlungsverfahren für geschlossen erklärt und den Parteien eine abschließende Stellungnahme eingeräumt. Die LUA hat aus zwei Wochen Verhandlung und 222 Seiten Protokoll die zentralen Erkenntnisse aus den Bereichen Natur- und Artenschutz sowie Landschaft herausgearbeitet und in einer abschließenden Stellungnahme fachlich wie rechtlich bewertet. Neben Zuständigkeits- und Verfahrensmängeln muss davon ausgegangen werden, dass das Leitungsprojekt jedenfalls die artenschutzrechtlichen Verbote der Tötung und der Beschädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten missachtet und so bedrohte Arten wie Schwarzstorch, Auerhuhn, Birkhuhn, Wanderfalke und Uhu nachhaltig schädigt. Ebenso wurde nachgerechnet, dass Leitungsdemontagen mehrfach angerechnet und berücksichtigt wurden. Auch wurden nachweislich mehrere Millionen Wertpunkte für Ersatzleistungen zu Unrecht angerechnet und damit die Pflicht zur Leistung von Ersatz für den Eingriff im Land Salzburg verringert.
Neben Natur und Landschaft haben aber die anderen Parteien und Bürgerinitiativen ebensolche inhaltlichen Defizite etwa beim Forst oder beim Thema Verkabelung festgestellt, sodass zusammenfassend eine Genehmigung zum derzeitigen Erhebungs- und Verfahrensstand nicht vorstellbar erscheint.
Was wir nie erfahren werden: wie Qualtinger und Farkas solche oder ähnliche Verfahren kommentiert hätten. Ein ironisch gemeinter Rückgriff auf Vergangenes möge erlaubt sein. Farkas: „Beim Denken ans Vermögen leidet oft das Denkvermögen.“ Qualtinger: „Österreich ist ein Labyrinth, in dem sich jeder auskennt.“ (mp)
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Zirbennutzung im Nationalpark
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Zirbe im Nationalpark
Nun entscheidet der Verwaltungsgerichtshof
Ein weiteres Verfahren in einem Europaschutzgebiet ist erst seit diesem Sommer beim VwGH anhängig. Und auch seine Bedeutung ist eine besondere: viele Jahre nach dem Beitritt zur Europäischen Union geht es aktuell um die scheinbar lapidare Frage der Zuständigkeit. Wer ist für die Durchführung einer FFH-Naturverträglichkeitsprüfung (NVP) zuständig? Die Frage, ob Bund oder Land, ist durch die Verfassung und Rechtsprechung geklärt. Doch können zwei Behörden – eine reine Landesbehörde und eine BH im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung – unabhängig voneinander bestimmen, ob ein Vorhaben erhebliche Auswirkungen auf ein Europaschutzgebiet hat, ohne sich fachlich miteinander abzustimmen?
So ist es geschehen im ebenfalls bereits seit längerem bekannten Fall der umstrittenen Zirbenholznutzung im Nationalpark Hohe Tauern (wir berichteten zuletzt in den LUA-Notizen 2016 No 2). Ursprünglich war geplant in verschiedenen Einzelprojekten hektarweise Zirbenschlägerungen einzelstammweise mit hunderten Hubschrauberflügen abzutransportieren. Die Zirbenwälder sind im Europaschutzgebiet Hohe Tauern aber durch die FFH-Richtlinie geschützt, ohnedies nur noch auf 1-2% des Gebiets vorhanden und benötigen Jahrhunderte für ihre Regeneration. Außerdem stellten die Hubschrauberflüge erhebliche Störungen geschützter Arten im Nationalpark dar.
Einer der Projektwerber hat zuletzt die Strategie geändert und anstatt dessen eine Seilbringung beantragt. Mit dem Hubschrauber soll nur noch die Seilwinde geflogen werden, die Stämme werden mit einer Forstseilbahn ins Tal gebracht. Daraus ergeben sich nach der klassischen Zuständigkeitsverteilung folgende Verfahren: - Verfahren nach dem Nationalpark-Gesetz für die Hubschrauberflüge: Landesregierung
- Verfahren nach dem Forst-Gesetz für die Zirbenschlägerungen: Bezirkshauptmannschaft
Seit der Novelle zum Nationalpark-Gesetz 2014 ist endlich klargestellt, dass für das Europaschutzgebiet des Nationalparks allein die Landesregierung zuständig ist. Natura 2000 ist außerdem eine reine Naturschutzmaterie und fällt nach der Bundesverfassung und VwGH-Rechtsprechung in die Alleinzuständigkeit der Länder. Das bedeutet, dass Maßnahmen, die Natura 2000 Schutzgüter betreffen, hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Europaschutzgebiet allein von der Landesregierung zu prüfen sind.
Dennoch hat im Anlassfall die BH-Zell am See als Forstbehörde im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung im forstlichen Schlägerungsbescheid eine dort so genannte „FFH-Naturverträglichkeitsprüfung“ nur für die Zirbenschlägerung durchgeführt und keine Nachteile für das Europaschutzgebiet festgestellt. Die Prüfung beschränkte sich allerdings auf rein forstliche Belange. Biologische Zusammenhänge und geschützte Arten wurden nicht geprüft, weshalb auch die Anforderungen an eine NVP nicht erfüllt sind. Die LUA kann dagegen allerdings kein Rechtsmittel erheben.
Auch der Amtssachverständige des Nationalparks prüfte das Vorhaben auf Naturverträglichkeit, dies allerdings naturschutzfachlich und umfassend, sowohl für die Hubschrauberflüge als auch für die Zirbenschlägerung. Er kam dabei fachlich zu dem Gesamtergebnis, dass das Vorhaben unverträglich mit den Zielen des Europaschutzgebietes ist, was einen Versagungsgrund darstellt.
Die Nationalparkbehörde setzte sich allerdings über das eigene Gutachten hinweg, verwies auf den positiven Forstbescheid mit bereits enthaltener „NVP“ und stellte fest, dass allein der Auf- und Abtransport der Seilwinde der Forstseilbahn per Hubschrauber unproblematisch sei. Die Gesamtbetrachtung des eigenen Sachverständigen wurde also nicht zugrunde gelegt.
Nach zweifelhafter Bestätigung durch das LVwG rief die LUA zuletzt im August den VwGH an. Dieser Fall zeigt eines ganz klar auf: die fachliche und rechtliche Prüfung von Europaschutzgebieten muss in einer Hand liegen, muss naturschutzfachlich geleitet sein und darf nur von den Naturschutzbehörden durchgeführt werden. Jeder andere Ansatz führte zu verschiedenen Teilergebnissen, die nie einer Gesamtbetrachtung unterzogen würden. Dies ist nicht im Sinne des Richtliniengebers und kann letztendlich zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen. (mp)
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Problematik: Laufställe im Nationalpark Hohe Tauern
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Almgebiet im Nationalpark Hohe Tauern
Intensivierung der Almwirtschaft im ESG: Hintergründe und Folgen
In letzter Zeit häufen sich Anträge für die Errichtung von Laufställen im Nationalpark mit der Begründung, dass aufgrund der Tierhaltung in Laufställen im Heimbetrieb im Tal diese auch auf der Alm notwendig wären. Diese Begründung im Sinne von Zweckdienlichkeit reicht der Behörde meist für die Bewilligung. Aus dem Tierschutzrecht bestehen allerdings keine zwingenden Anforderungen zum Umbau auf der Alm, wenn ein täglicher Weidegang erfolgt (Anlage 2 Z 4.4 der 1. Tierhaltungsverordnung). Almen sind Teil des landwirtschaftlichen Betriebes und dienten ursprünglich als zusätzliches Weideland. Auch nach der Definition selbst ist Almbewirtschaftung die Ausübung einer vorwiegend weidewirtschaftlichen Nutzung, wobei es sich traditionell um eine Freilandhaltung handelt, bei der ein Almstall nur als Schutzgebäude dient und die Tiere auf der Weide ausreichend Bewegungsfreiheit haben.
Ursprüngliche Almen besitzen eine hohe ökologische Wertigkeit hinsichtlich Biodiversität und Artenschutz. Die Vielfältigkeit ist durch die traditionelle Bergbauernwirtschaft entstanden, wobei die enge Verzahnung von extensiv bewirtschafteter Kulturlandschaft mit der ursprünglichen Naturlandschaft der Gebirgslagen die Besonderheit der Almen prägt. Die alpine Kulturlandschaft ist jedoch stark von Änderungen in der Bewirtschaftung betroffen. Ebenso wie die viel beklagte Nutzungsaufgabe von Almteilflächen, die schlecht erschlossen oder steil sind, ist aber auch die Intensivierung in günstigeren Lagen mit Überbestoßung und falschem Nährstoffmanagement eine aktuelle Entwicklung, die die Biodiversität gefährdet.
Almwirtschaft bedeutet ursprünglich und auch lt. LFI Österreich 2015 (Ländliches Fortbildungsinstitut) „Wirtschaften unter erschwerten Bedingungen“ mit großem Arbeitsaufwand, weshalb die Erträge aus der Primärproduktion unter denen im Tal liegen. Um die Erschwernisse auszugleichen gibt es in Österreich vielfältige Förderungen, die sich entweder auf die Futterfläche beziehen (Betriebsprämie, Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, ÖPUL) oder flächenunabhängig sind. Die Intensivierung der Nutztierhaltung im Tal schreitet nun aber auch auf den Almen fort und macht auch vor den Grenzen des Nationalparks nicht halt. Die Almwirtschaft soll ebenso durch eine bessere Infrastruktur und erhöhten Maschineneinsatz erleichtert und produktiver werden. In günstigen Lagen, wo dies möglich ist, wird intensiviert, in schwierigeren Lagen hingegen wird die Almwirtschaft zunehmend aufgelassen. Dadurch kommt es zu einer ungleichen Verteilung der Bewirtschaftung. Die wirtschaftlichen Vorteile der Laufstallerrichtung für Milchkühe auf der Alm ergeben sich aufgrund der Arbeitseinsparung und des höheren Ertrags im Vergleich zur traditionellen Almbewirtschaftung.
Auch wenn die Auftriebszahlen nicht erhöht werden, muss aber hinsichtlich des Nährstoffkreislaufes beachtet werden, dass Rinder und Kühe vor einem halben Jahrhundert nicht mit den Rindern und Kühen von heute vergleichbar sind. Die Tiere sind größer, schwerer, brauchen mehr Futter und produzieren mehr Milch und daher auch mehr Gülle. Neben der erhöhten Trittbelastung durch schwerere Tiere steigt mit zunehmender Bestoßung der Almen sowie Ausbringung von durch Stallhaltung der Tiere zusätzlich anfallendem Wirtschaftsdünger automatisch auch die Stickstoffzufuhr auf den Weideflächen. Dabei verursacht die Zufütterung von Kraftfutter zur Erhöhung der Milchleistung natürlich auch zusätzliche Stickstoff-Ausscheidungen. Hohe Nährstoffeinträge in den Boden bedrohen aber die biologische Vielfalt, die nicht nur um ihrer selbst willen schützenswert, sondern auch wichtig für die Bodenstabilität, Kohlenstofffixierung und weitere Ökosystemleistungen ist (Adelmann et al. 2017).
Vor diesem Hintergrund ist es darüber hinaus auch hinsichtlich des Güllemanagements vollkommen unverständlich, warum im Aktionsprogramm Nitrat eine generelle Ausnahme für Almflächen von den Aufzeichnungspflichten vorgesehen ist, die einer bedarfsgerechten Düngung, Bewusstseinsbildung und Kontrollierbarkeit der Maßnahmen dienen sollen. Besonders hier in den Höhelagen droht neben der Gefahr der Zerstörung von Lebensräumen auch die Gefahr der Gewässerverunreinigung. Aufgrund der oft besonders dünnen Humusschicht in den Almlagen besteht für den Stickstoff nur eine sehr geringe bzw. gar keine Speicher- bzw. Filtermöglichkeit und somit ein hohes Auswaschungsrisiko. Ein fachlicher Grund für die Ausnahme der Almflächen kann nicht erkannt werden, da Milchkuhhaltung in Ställen und somit Gülleanfall und -ausbringung auch auf der Alm stattfinden.
Eine intensive Nutztierhaltung hat nichts mit der über Jahrhunderte überlieferten traditionellen Bewirtschaftung der Flächen des Nationalparks Hohe Tauern zu tun, weshalb sie den dortigen Zielsetzungen widerspricht. Dies zeigt sich auch im dramatischen Rückgang der Biodiversität auf diesen Flächen. Überlieferte Lebensräume gehen durch Intensivierungen innerhalb kürzester Zeit verloren, wie es bereits im Hollersbachtal nachweislich passiert ist (siehe Wittmann et al. 2015). Das Problem wurde aber durch die Novelle 2014 des Salzburger Nationalparkgesetzes noch weiter verschärft, da man nicht die „traditionelle“, sondern die „zeitgemäße“ Almwirtschaft bei den Ausnahmen sogar in der Kernzone festhielt. Die zeitgemäße Almwirtschaft entwickelt sich aber im Moment hin zu einer intensiven Bewirtschaftung mit Arbeitseinsparung und erhöhter Produktivität. Auch die Förderungen für die Almwirtschaft, die ursprünglich die erschwerten Arbeitsbedingungen ausgleichen sollten, damit diese Bewirtschaftungsform erhalten bleibt, unterstützen nun aber faktisch die Intensivierung. Neben einer notwendigen Anpassung des Nationalparkgesetzes durch das Land und des Aktionsprogramms Nitrat durch den Bund sind aber auf jeden Fall auch die Förderungen dieser Bewirtschaftungsformen im Nationalpark hinsichtlich ihrer Natur- und Umweltverträglichkeit zu hinterfragen und anzupassen. (gs)
Literatur:
Adelmann W., Sturm P., Stettmer C., Burkart-Aicher B., Hoiss B. 2017: Kommentar: Faktencheck zu den „neuen Bauernregeln“ – ANLiegen Natur 39 (1): online preview, 8 p., Laufen; www.anl.bayern.de/publikationen.
LFI, Ländliches Fortbildungsinstitut 2015: Almwirtschaftliches Basiswissen – Von der Bedeutung der Almen, Wien.
LFI, Ländliches Fortbildungsinstitut 2015: Einrichtungen und Planungsinstrumente einer zeitgemäßen Almbewirtschaftung, Wien.
LFI, Ländliches Fortbildungsinstitut 2015: Almen standortangepasst bewirtschaften – Vom Wissen zum Handeln, Wien.
Wittmann H., Gros P., Lindner R., Medicus C., Pöhacker J., Kaufmann P., Kyek M., Winding N. 2015: Das Hollersbachtal - eine naturschutzfachlich-rechtliche Analyse der Entwicklung eines Nationalparktales in den letzten 30 Jahren, Studie im Auftrag des Nationalpark Hohe Tauern, Haus der Natur, Salzburg.
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NSchG-Novelle von Ferialpraktikantin Hemma Sampl bearbeitet
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Praktikantin Hemma Sampl
Versuch einer verständlicheren Darstellung
Im Juli unterstützte Ferialpraktikantin Hemma Sampl, angehende Juristin, unser Team und versuchte sich in der Erarbeitung eines „Anwendungsleitfadens“ für die neuesten Änderungen – Vereinfachtes Verfahren und Artenschutz – im Naturschutzgesetz. Durch die jüngste Novellierung wurden vor allem die Artenschutzbestimmungen durch ihre komplizierte legistische Ausgestaltung und aufgrund von Kompromissen und Reduzierung des Schutzes auf das unbedingt notwendige Ausmaß nicht nur für den „normalen Anwender“, sondern auch für geschulte Juristen nicht mehr sinnerfassend lesbar. Einerseits wird die Verständlichkeit durch sehr viele Verweise und Ausnahmen erschwert, andererseits aber auch zusätzlich durch die jeweilige Trennung der Tier- und Pflanzenarten in 1. richtliniengeschützt und in Salzburg vorkommend, 2. nicht richtliniengeschützt, aber gefährdet und in Salzburg vorkommend und 3. richtliniengeschützt und nicht in Salzburg vorkommend, weiters kam es zu einer weiteren Trennung der Tierarten in (nicht jagdbare) Vögel und andere Tiere. In weiterer Folge kommen dann noch unterschiedliche Bestimmungen auf die unterschiedlichen Arten zur Anwendung. Hemma Sampl analysierte den Artenschutz und versuchte sich in der Erarbeitung eines Flussdiagrammes, das den Überprüfungsablauf darstellt und mit dessen Hilfe der Inhalt der Bestimmungen bzw. die Prüfschritte besser erfasst werden können. Diese Grundlagenarbeit wurde von der LUA weiterentwickelt. Die Ablaufdiagramme sind zum freien Download auf unserer Homepage veröffentlicht und sollen als „work in progress“ weiter aktualisiert und angepasst werden.
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