LUA-Notizen 1/2022
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LUA-Notizen

LUA-Notizen 1/2022

In diesem Newsletter

■ Editorial der Umweltanwältin

■ Mönchsberggarage: Kommentierung der jüngsten Entwicklungen

■ Windrad ist nicht gleich Windrad

■ Folgen der veralteten Biotopkartierung

■ Warum wir Hecken brauchen – Über bedrohte Landschaftselemente

■ Ein Pool für jeden Garten?

■ Über die Unsitte des kurzgeschorenen Rasens und den Benefit der Artenkenntnis

■ Flutlicht-Vortrag im Sportstättenausschuss

■ Neu im Team – Ursula Jaros, MA. rer. nat.

Editorial der Umweltanwältin

Foto: © Gishild Schaufler

Zum veröffentlichten „Circularity Gap Report 2022“ [1] fand Ende Februar in Wien eine Podiumsdiskussion [2] statt. Dabei war u.a. das Problem der „multiplen Krisen“ Thema. Durch das Konzentrieren auf die jeweilige „eigene Krise“ glauben viele, dass ihre die einzige ist. Doch zur Lösung ist vielmehr verbundenes Denken und ein Systemwandel notwendig, der eine Abkehr vom bisherigen Wachstumsstreben beinhaltet, das sich aus einer früheren Welt der Knappheit entwickelte. Seit dem 2. Weltkrieg besteht Wirtschafts- und Wohlstandsdenken in Wachstum und Konsum, mit dem Problem des immer weiter steigenden Ressourcenverbrauchs.

Trotz dieses Wissens, ist die Politik im Dilemma, denn sie scheut sich der Gesellschaft „dreinzureden“, weil sie gewählt werden will und der Wirtschaft, weil sie sie braucht. Die Wirtschaft will verkaufen und argumentiert, dass der Konsument die Macht hat. Um ihn zum Kauf zu bewegen, setzt sie auf Werbung und springt dabei gerne auf den Trend der „Nachhaltigkeit“ auf. Wertschöpfungsketten werden aber immer noch linear und nicht zirkulär gedacht. Dahinter stehen keine „bösen Absichten“, aber nicht weniger wichtig ist deshalb die Transparenz von Daten und vor allem auch darüber, wer wie auf wen und welche Gesetze Einfluss nimmt.

Das heißt aber nicht, dass nicht jede/r Einzelne bereits selbst sein Handeln überdenken kann (siehe Artikel "Ein Pool für jeden Garten?" und Artikel "Über die Unsitte des kurzgeschorenen Rasens und den Benefit der Artenkenntnis"). Vor allem aber ist es keine Schande, eine einmal gefasste Meinung nach Änderung der Umstände oder des Wissens zu ändern, wie es auch der Stadtverein Salzburg in der Podiumsdiskussion zur Mobilität [3] mit Experten Ende April gezeigt hat. Denn es gibt bereits viele positive Beispiele aus mehreren europäischen Städten, die zeigen, dass der Wandel von einer Stadt für Autos in eine Stadt für Menschen möglich ist. Eine Garage im historischen Zentrum der Stadt Salzburg (siehe Artikel "Mönchsberggarage: Kommentierung der jüngsten Entwicklungen") ist dafür aber nicht sinnvoll, weil zusätzlicher Raum für ruhenden Verkehr zusätzlichen Verkehr schafft. Und auch für den Parkplatz als Verkehrserreger gilt, dass die Dosis das Gift macht.

Um die multiple Krise zu bewältigen braucht es eine umfassende Transformation, wie auch die Vereinten Nationen mit ihren nachhaltigen Entwicklungszielen zeigen [4]. Dazu ist aber weniger das Schüren von Zielkonflikten, sondern vielmehr der Fokus auf echten Wandel und Synergien notwendig, der nur unter Anerkennung und sachlicher Abhandlung der einzelnen vielfältigen, umfassenden und miteinander verknüpften Probleme (Klimawandel, Artensterben, Umweltverschmutzung, Krieg, soziale Ungerechtigkeit uvm.) der gegenwärtigen Menschheitskrise gelingt. Dazu sind Daten notwendig und wichtig (siehe Artikel "Folgen der veralteten Biotopkartierung"), verbundenes Denken (siehe Artikel "Warum wir Hecken brauchen – Über bedrohte Landschaftselemente") sowie Transparenz und Akzeptieren der Ergebnisse, selbst wenn sie nicht ins Konzept der „eigenen Krise“ passen.

Leider wird auch in der aktuellen Windkraftdiskussion von vielen die Klimakrise kategorisch über die Biodiversitätskrise gestellt, anstatt sie neben- und miteinander zu sehen. Oder es wird pauschal auf die Bedrohung der Arten durch den Klimawandel verwiesen und damit als allumfassendes Argument gegen Natur- und Artenschutz verwendet. Gleichzeitig wird aber vernachlässigt, dass Diversität auch wichtig für Klimawandelanpassung und Überlebensstrategien ist. Daher ist die Berücksichtigung beider (und auch der vielen anderen) Krisen unabdingbar, wobei natürlich auch Standortentscheidungen und umfassende Kosten-Nutzen-Rechnungen eine Rolle spielen (siehe Artikel "Windrad ist nicht gleich Windrad").

Aufgrund der immer stärker spürbaren Folgen des Klimawandels und des aktuellen Ukrainekrieges kommt aber zunehmend Panik auf. Diese ist zwar verständlich, aber kein guter Ratgeber. Verbale Angriffe und Diskreditierungsversuche gegen Vertreter*innen des Naturschutzes, die kritisch auf die Einhaltung und Berücksichtigung des Artenschutzes bei der Problemlösung hinweisen, häufen sich. Dabei wird vermehrt unser Rechtsstaat und unsere Demokratie in Frage gestellt. Während manche gerne gleich die gesetzlichen Bestimmungen des Natur- und Artenschutzes weglassen oder die Rechte ihrer Vertreter*innen einschränken oder abschaffen möchten, äußern andere zwar, dass die Verfahren korrekt, aber schnell zu durchlaufen sind. Doch dabei wird das gewünschte Ergebnis auch meist schon vorweggenommen bzw. -gedacht.

Hier besteht die Gefahr, dass der Fehler, der beim langjährigen Ignorieren des Klimawandels bzw. des Unterschätzens oder Verdrängens der Folgen gemacht wurde, wovor uns die Wissenschaft aber auch schon seit langem gewarnt hatte, nun beim Artensterben wiederholt wird. Umso wichtiger ist es Nachhaltigkeit nicht nur auf Energie und CO2 zu reduzieren, sondern umfassend zu denken und auf die Wissenschaft zu hören, bereits bevor die Folgen unausweichlich sind.

Gishild Schaufler

[1] Circle Economy 2022: The Circularity Gap Report 2022, pp. 1-64, Rep. Amsterdam. https://www.circularity-gap.world/2022
[2] „Mind the gap – wo ist die Lücke im Kreislauf“ – Veranstaltung des Austrian Chapter des The Club of Rome im Naturhistorischen Museum Wien am 28.02.2022 in Zusammenarbeit mit dem EU-Umweltbüro, RepaNet und dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. https://www.clubofrome.at/event-28feb2022-mind-the-gap/
[3] „Verkehr heute – Mobilität morgen; Salzburg braucht nachhaltige Lösungen“ – Veranstaltung des Stadtvereins Salzburg im Pressezentrum der Salzburger Nachrichten am 26.04.2022. https://salzburgerforumzivilgesellschaft.files.wordpress.com/2022/04/stadtverein_mobilitaet_26042022.jpg
[4] Vereinte Nationen, 2015: Transformation unserer Welt: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. https://www.un.org/Depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf

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Mönchsberggarage: Kommentierung der jüngsten Entwicklungen

Krauthügel: Baustellenbereich im "Naturjuwel" am Fuße des Weltkulturerbes, Foto: LUA (uj)

LUA-Revision wegen Gesundheitsgefährdung durch Baulärm

Nach den beiden langen Verhandlungstagen im November und im Dezember 2021 (die LUA-Notizen berichteten in der Dezember-Ausgabe) hat das LVwG Salzburg im Naturschutzverfahren überraschend schnell das Erkenntnis am 03.01.2022 veröffentlicht, mit welchem die naturschutzrechtliche Bewilligung der Stadt Salzburg für den Ausbau der Mönchsberggarage bestätigt wurde. Wie bereits berichtet wurden sämtliche Beweisanträge der beschwerdeführenden Parteien abgewiesen. Damit war die letzte Hürde für einen Baubeginn ab Juli 2022 beseitigt und die Vorbereitungsarbeiten dafür konnten unverzüglich starten.

Die Landesumweltanwaltschaft Salzburg hat nun einen wesentlichen Punkt dieser Abweisungen im Rahmen einer Revision an den VwGH aufgegriffen und gleichzeitig die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

Im Kern geht es darum, dass auf Basis eines von der LUA im Verfahren vorgelegten umweltmedizinischen Amtsgutachtens die Lärmauswirkungen während der zweijährigen Bauzeit die Schwellenwerte zur Gesundheitsgefährdung bei längerer Expositionszeit im Freien überschreiten. Dies bedeutet aber, dass der Krauthügel für zwei Jahre großräumig gesperrt werden müsste, um negative gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen vermeiden zu können. Aufgrund der sehr hohen prognostizierten Lärmauswirkungen können Langzeitschäden an der Gesundheit nicht ausgeschlossen werden. Dies wurde vom LVwG im Naturschutzverfahren aber nicht geprüft. Ebensowenig von der Stadt in den anderen einschlägigen Genehmigungsverfahren.

Dieser Schutz des Menschen vor (gesundheitsschädlichem) Lärm ist im Naturschutzverfahren über den Schutz des „Erholungswertes“ gedeckt, der in den beiden betroffenen Landschaftsschutzgebieten „Mönchsberg-Rainberg“ und „Leopoldskroner-Weiher“ per Verordnung geregelt ist.

Während das LVwG von bloß vorübergehenden Belastungen durch die Baustelle ausging, ist die Zielsetzung der „Erhaltung“ des Schutzzwecks „Erholungswert“ in den Verordnungen aber nicht bloß „vorübergehend“ normiert, sondern dauerhaft geschützt. Deshalb sind die Schutzzwecke vielmehr dauerhaft und damit auch durchgehend und unterbrechungsfrei sowie substanziell aufrechtzuerhalten. Der VwGH muss sich daher nun mit der Frage der Rechtmäßigkeit eines bis zu zweijährigen Verlustes des Erholungswertes befassen sowie mit der Frage, ob für die gleichzeitige Aussetzung der Öffentlichkeit mit gesundheitsschädlichem Lärm nicht vielmehr ein unmittelbar besonders wichtiges und überwiegendes öffentliches Interesse nachgewiesen hätte werden müssen. Die Parkgaragengesellschaft und ihre Eigentümer Stadt und Land Salzburg haben eben diese Frage des Bestands öffentlicher Interessen nämlich bisher vorsorglich „umschifft“ und sich damit dieser Diskussion entzogen.

UVP-Frage unrühmlich „beendet“

Was die bis vor kurzem noch offen gewesene UVP-Frage angeht, drängte sich aufgrund der erfahrungsgemäß ungewöhnlichen Überstürzung der Ereignisse zuletzt ein hinterfragendes Unbehagen auf, wie zB ob es solche besonderen Zufälle wirklich gibt oder auch, ob es von Vorteil sei einen ehemaligen Höchstrichter als Anwalt zu betrauen. Postwendend nach erfolgter Bestätigung der Naturschutz-Bewilligung durch das LVwG und nach Übersendung der dagegen erhobenen Revisionen der Bürgerinitiative und der LUA an den VwGH, teilte letzterer nach nunmehr zweieinhalb Jahren (!) durch Beschluss mit, dass die im September 2019 zum UVP-Feststellungsverfahren erhobene Revision nun aus formalen Gründen als unzulässig zurückgewiesen wurde. Die Verfahrensdauern sind beim VwGH in Umwelt- und Naturschutzangelegenheiten erfahrungsgemäß weitaus länger, als der Schnitt aller VwGH-Verfahren laut Statistik, was aber natürlich auch der Komplexität der Natur geschuldet ist. Auch erteilt der VwGH im Einzelfall grundsätzlich keine Auskünfte darüber wann welche Entscheidungen getroffen werden. Doch die bloß formale Prüfung, ob eine Revision zulässig ist oder nicht, ohne also schon in die komplexen Fragestellungen des Lebens einzutauchen, auf zweieinhalb Jahre auszudehnen, erscheint zumindest bemerkenswert (2015 war die Revision in selber Sache zur UVP-Frage übrigens noch zulässig). Ungewöhnlich ist auch der Zeitpunkt der Beschlussfassung: Der Baustart ist durch das Erkenntnis des LVwG nun mit Anfang Juli festgelegt und alle wesentlichen Bewilligungen für die Umsetzung liegen vor. Nicht auszudenken, wenn nun weiterhin das Damoklesschwert der UVP über dem Projekt hängen würde. Doch die Nervosität scheint nicht allzu groß gewesen zu sein, hatte doch die Stadt bereits zuvor unter Vermittlung einer gewissen Sicherheit über die Medien angekündigt, dass eine Entscheidung des VwGH noch vor dem Baubeginn erfolgen würde. Da liefen auch schon die Vorbereitungen für den Baubeginn. Man kann es aber auch glückliche Fügung nennen.

Bürger*innen-Befragung am 26. Juni 2022

Wie auch immer es auf der rechtlichen Bühne beim Höchstgericht weitergeht, so ist jüngst zumindest eines klar festgelegt worden: am 26. Juni 2022 ist das Stadtvolk im Rahmen einer Bürger*innen-Befragung nach dem Salzburger Stadtrecht am Wort. Die Mehrheit im Salzburger Gemeinderat hat sich ja bereits zuvor durch Beschluss festgelegt: für den Ausbau. (mp)

Absiedlung der Herpetofauna im Bereich des Beginns des Baustollens unterhalb vom Hans-Sedlmayr-Weg, Foto: BI
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Windrad ist nicht gleich Windrad

Abbildung 1 (links): Agrarlandschaft - Windpark nordöstlich von Gols im Burgenland, Foto: Google Maps. Abbildung 2 (rechts): Wald – Windrad in Munderfing, Oberösterreich, Foto: Google Maps

Warum es eine Rolle spielt, wo Windenergieanlagen errichtet werden

Aktuell rücken die erneuerbaren Energien und damit auch das Thema Windkraft verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit. Gerne werden dabei kritische Stimmen mit dem Hinweis auf die Klimakrise und den Ukrainekrieg verunglimpft. Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz werden beiseite gewischt bzw. wird, unter der Prämisse „Ohne Klimaschutz keine Rettung von Arten“, vorausgesetzt, dass dem Ausbau erneuerbarer Energie generell der Vorrang einzuräumen sei.

In zahlreichen Diskussionen zeigte sich, dass bei vielen privaten Windkraftbefürwortern entweder kein Verständnis für die Bedrohung durch die Biodiversitätskrise besteht oder zwar die Artenschutzthematik der Tötung von Vögeln und Fledermäusen durch Windenergieanlagen (WEAs) oberflächlich bekannt ist, aber gerne unterschätzt wird. Fast immer besteht aber völliges Unwissen über die notwendigen, teils langfristig bis dauerhaften Eingriffe bei der Errichtung von Windparks, weshalb diese hier thematisiert und im Hinblick auf die betroffenen Ökosysteme betrachtet werden sollen.

Transport und Erschließung: Der Transport der Windradelemente erfolgt mit Schwerlasttransportern auf Straßen, was einen entsprechenden Ausbau der Zuwegung zu jedem einzelnen Windrad-Standort erfordert. Aufgrund der Größe der Bauteile – die größten Windräder in Österreich erreichen Höhen von 240 m [1] – beträgt die Straßenbreite für den Bau einer WEA 5 m. Im Vergleich: eine LKW-taugliche Forststraße weist eine Fahrbahnbreite von 3,5 m auf. Aber bereits dafür erreicht der Trassenaufhieb, jener Streifen Wald, der vor dem Bau gefällt werden muss, im flachen Gelände um die 10 m, in steilen Hanglagen sogar bis zu fünfzehn Meter Breite. Somit ist auch bei einer bestehenden Erschließung durch Forst- oder Almwege mit erheblichen Eingriffen zu rechnen, um überhaupt den nötigen Ausbaugrad und die Tragfähigkeit für den Schwerlastverkehr herzustellen. Ohne Neubau von Straßen bzw.  Stichwegen für die Schwerlaster wird wohl in keiner der Salzburger Windvorrangzonen das Auslangen gefunden werden. Durch den für die Windkraftnutzung erforderlichen Ausbaugrad erhöht sich die Zerschneidungswirkung dieser Straßen sowie der zugehörigen Waldschneisen entsprechend.  

Errichtung: Meist wird auch nicht bedacht, dass auch für den Bau eines Windrades große Flächen an natürlichem Boden verbraucht werden. Dazu zählen neben den Betonfundamenten auch die jeweiligen Bau- und Bauhilfsflächen. Das betonierte Fundament des Windrades sowie die Aufstellflächen des Krans umfassen rund 1.500 m² und bleiben dauerhaft als planierte und geschotterte Flächen erhalten. Insgesamt werden für den Bau eines Windrades mit den für die Nutzung als Manipulations- und Lagerflächen adaptierten Bereichen rund 1 ha Fläche veranschlagt [2].  Bei der Abschätzung der ökologischen Auswirkungen von Windrädern sind die Geländeverhältnisse sowie Meereshöhe und Lebensraumtyp von Bedeutung:

Die meisten Windräder wurden in der intensiv genutzten Agrarlandschaft (Abb. 1) in den Niederungen errichtet. Hier ist die Biodiversität vergleichsweise gering. Intensive Bewirtschaftung mit Pestiziden und Düngung ist für viele Tierarten lebensfeindlich. Nicht umsonst sind bei den Vogelarten der Kulturlandschaft die massivsten Rückgänge dokumentiert [3]. WEAs sind hier zwar weithin sichtbar, aber bei entsprechender Dichte der Windräder bzw. deren Situierung im Aktionsradius gefährdeter Vogelarten oder Fledermäuse kommt es auch hier zu Tötungen. Die Begrünung der Manipulations- und Bauhilfsflächen ist in diesen Flächen rasch möglich.

Der Lebensraum Wald (Abb. 2) beherbergt aufgrund der Höhe der Vegetation und der dreidimensionalen Struktur deutlich mehr Arten und Individuen als intensiv landwirtschaftlich genutzte Gebiete. Entsprechend mehr windkraftsensible Brutvogelarten und Fledermäuse leben dort. Relevant ist außerdem die Zerschneidung geschlossener Waldbereiche durch die erforderlichen Rodungen für Zufahrt und WEAs samt Veränderung des Waldinnenklimas. Wieder aufgeforstete Flächen benötigen zumindest 100 Jahre, bis wieder ein an Lebensraumstrukturen und Arten reicher Waldbestand entsteht.

Mit zunehmender Meereshöhe im Hochgebirge (Abb. 3) nehmen zwar die Arten- und Individuenzahlen wieder ab. Allerdings handelt es sich aufgrund der extremen Lebensbedingungen mit kurzer Vegetationszeit und extremen Temperaturunterschieden um meist sehr stark spezialisierte Arten. So leben hier doch eine Reihe richtliniengeschützter Vögel, wie Bartgeier, Schnee- und Birkhuhn. Ein Ausweichen in andere Lebensräume ist für sie nicht möglich. Die Wetterbedingungen mit häufig schlechten Sichtverhältnissen (Nebel, Regen, Schneefall) erschweren ein Erkennen von Windrädern als Flughindernis. Für Zugvögel, die die Alpen überqueren müssen, ist die Vermeidung von Energieverlusten eine Überlebensstrategie. Windräder in ihrer Zugroute, die sie zu Umwegen zwingen, können sich daher verhängnisvoll auswirken.

Geländebedingt sind aufgrund der Steilheit und Struktur des Berglandes Bodeneingriffe für die Errichtung der Zuwegung sowie Bau- und Manipulationsflächen massiver und großflächiger als im Flachland. Damit die Straßen nicht zu steil für die Schwertransporte werden, sind im steilen Gelände Kehren und übereinander im "Zick-Zack" verlaufende Wegäste notwendig. Daraus resultiert, dass im Gegensatz zum Tal bzw. zum Flachland die Länge der Zufahrtsstraßen wesentlich erhöht wird, was wiederum größere Eingriffe in die Natur bedeutet. Außerhalb des Waldes ist wegen der fehlenden optischen Abschirmung die Sichtbarkeit der Wegerschließung samt den zugehörigen technischen Sicherungen, wie Steinsätze oder Lawinenverbauungen, auf große Distanzen als technische Überprägung der Landschaft erkennbar. Aufgrund des sehr langsamen Wachstums bei Gebirgspflanzen, das teilweise nur wenige Millimeter im Jahr beträgt, ist eine Wiederherstellung der meisten Lebensraumtypen nicht mehr möglich.

Fazit: Bei der Nutzung von Windkraft muss der jeweilige Standort als wesentlicher Faktor mitberücksichtigt werden. Die Funktion des Lebensraumes für geschützte Arten und die Biodiversität dürfen bei der Energiewende nicht vernachlässigt werden, denn nur so kann eine realistische „Kosten-Nutzen-Analyse“ der Windkraft durchgeführt werden. (sw)

[1] https://burgenland.orf.at/stories/3099808/
[2] https://energiewende.eu/windkraft-abholzung/
[3] https://birdlife.at/blog/feld-und-wiesenvogel-10/post/vogelsterben-in-osterreich-76

Abbildung 3: Hochgebirge – möglicher WEA-Standort Hochalm in Hinterglemm, Foto: LUA (gs)
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Folgen der veralteten Biotopkartierung

Artenreiche Magerwiese mit Echtem Labkraut (Galium verum), Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea) und Heil-Ziest (Betonica officinalis), Foto: LUA (lb)

Obwohl die Wichtigkeit aktueller Daten unumstritten ist, dauert die 2016 erfolgte Unterbrechung der Revision der Biotopkartierung (siehe dazu LUA-Notizen 4/2019) nach wie vor an. Nur schleppend kam es zur Veröffentlichung von ein paar weiteren Gemeinden des bereits kartierten Flach- und Tennengaus. Bis jetzt sind davon aber immer noch sieben Gemeinden im Flachgau und elf Gemeinden im Tennengau nicht allgemein über das SAGISonline zugänglich, ganz zu schweigen von den Gebirgsgauen, in denen seit der Erstkartierung (die bis Ende der 1990er Jahre zurückgeht) keine Revisions-Erhebungen stattgefunden haben und keine konkrete Planung dafür bekannt ist. Über die Folgen der verzögerten Aktualisierung der Biotopkartierung und des unwiederbringlichen Verlusts von Lebensräumen haben wir zuletzt in den LUA-Notizen 2/2021 berichtet.

Leider ist es inzwischen zu mehreren weiteren Beispielen gekommen, in denen der Mangel an Daten bzw. Information aufgrund deren Nichterhebung bzw. Nichtveröffentlichung zu Problemen und Konflikten geführt hat, die eigentlich für alle Beteiligten besser vermieden hätten werden können. Denn die Planungen beginnen mit der im SAGISonline abrufbaren Kartierung, wenn diese jedoch teilweise 25 Jahre alt ist, kommt es beim Augenschein vor Ort unweigerlich zu „bösen Überraschungen“ und damit verbundenen Schwierigkeiten, die sodann meist auf Kosten des Naturschutzes bzw. dessen Image gehen.

Beispiele dafür gibt es bei den aktuellen Winterpark-Planungen auf der Postalm, wo nun einige Magerstandorte den Maßnahmen „im Weg“ sind oder bei einem aktuellen Speicherteich-Vorhaben im Pinzgau, das ursprünglich in nicht kartierte Feucht-Lebensräume projektiert wurde. Bei einem Wegeprojekt im Tennengau wurde bekannt, dass ein zwar kartierter, aber noch nicht veröffentlichter, wertvoller Magerrasen für eine Freiflächen-PV vorgesehen worden war. Auch eine Sportanlage im Pongau wurde teilweise in einen nicht kartierten, aber geschützten, Feuchtlebensraum geplant, dem nun zum Glück ausgewichen werden kann. Aber nicht immer werden die Lebensräume in einem frühen Planungsstadium bekannt und können noch frühzeitig und daher relativ unkompliziert in Umplanungen berücksichtigt werden.

Leider gibt es auch Beispiele, in denen die Lebensräume nicht mehr gerettet werden können, da sie bereits aufgrund der Unkenntnis zerstört oder verbaut wurden. Insbesondere wichtig sind aktuelle Daten bereits in der Raumordnung, denn ansonsten kommt es unwissentlich zu Baulandwidmungen in geschützten Bereichen, in denen die naturschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Bebauung aber gar nicht gegeben sind. Aktuelle Beispiele dafür sind der LUA in Abtenau, Bürmoos und Seekirchen bekannt, wo bereits ein paar der Biotope beeinträchtigt oder teilweise überbaut und unwiederbringlich verloren gegangen sind.

Wegen der veralteten Biotopkartierung verzweifeln neben der LUA nicht nur zunehmend auch Amtssachverständige und Behördenvertreter in den naturschutzrechtlichen Verfahren, sondern immer mehr auch Projektanten und Antragsteller. Denn auf eine teilweise 25 Jahre alte Biotopkartierung kann man sich nicht mehr verlassen. Doch gerade in der Zeit multipler Krisen (insb. der Klima- und Biodiversitätskrise) sind aktuelle Daten von enormer Wichtigkeit, nicht nur in einzelnen Verfahren, sondern auch bereits für strategische Planungen. Umso dringlicher ist die Fortsetzung der Revision der Biotopkartierung geboten. (gs)

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Warum wir Hecken brauchen – Über bedrohte Landschaftselemente

Abbildung 1 (links): In der Gemeinde Adnet im Tennengau prägt ein Geflecht aus Hecken das Landschaftsbild. Abbildung 2 (rechts): In der Gemeinde Waldprechting im Bezirk Salzburg-Umgebung ist die Landschaft fast vollständig offen, der Biotopverbund ist stark eingeschränkt. Quelle: SAGIS-Online

Hecken sind ein wesentlicher, aber leider bedrohter Bestandteil der Salzburger Kulturlandschaft. Als lineare Strukturen charakterisieren und gliedern Sie die freie Landschaft oft wie ein Geflecht (siehe Abb. 1) und schaffen dadurch erlebbare Räume und Perspektiven, prägen das Landschaftsbild und erfüllen wesentliche Funktionen im Naturhaushalt. Deshalb stehen sie in Salzburg seit 1992 unter Schutz. Ihre Beseitigung bedarf einer vorherigen Anzeige an die Behörde und ist von dieser zu untersagen, wenn dadurch Naturhaushalt oder Landschaft erheblich beeinträchtigt würden (§ 26 NSchG).

Zur Erleichterung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung aufgrund immer größer gewordener Maschinen oder zur Gewinnung von Grünland gab es in den letzten Monaten wiederholt Verfahren zur Entfernung von Hecken, Gebüschen und ihrer Säume, obwohl aus Sicht des Klima- und Artenschutzes gegenteiliges Handeln erforderlich ist.

Zur Entstehung von Hecken

Die Hecken der freien Landschaft, von denen hier die Rede ist, unterscheiden sich ökologisch wesentlich von zurechtgestutzten Gartentrends. Historisch pflanzte und pflegte die Landbevölkerung Hecken entlang von Grundstücksgrenzen, als „lebende Zäune“ zur Viehpferch und nachhaltigen Versorgung mit Brennholz, Laubstreu, Beeren, Früchten, Nüssen und Wildkräutern. Unter Mithilfe von Vögeln als wichtige Samenausbreiter (Ornithochorie), entstanden zudem Hecken auf Steinriegeln, die aufgeschichtet wurden, um steinigen Äckern, Wiesen und Weiden mehr landwirtschaftliche Nutzfläche abzuringen.

Bedeutung von Hecken im Artenschutz

Historisch bedingt sind die Hecken der freien Landschaft oft sehr arten- und strukturreich. Heute macht sie das zu wichtigen Refugien der Biodiversität, vor allem in intensiver genutzten Landschaften, in denen ansonsten Blütenpflanzen für spezialisiertere Wildbienen, Schmetterlinge und andere Bestäuber fehlen würden. Viele Arten ziehen sich dorthin zurück.

Neben diversen Bäumen und Sträuchern trägt ein ausgeprägter Heckensaum mit extensivem Wiesenstreifen zu den wertvollen Lebensraumbedingungen bei. In optimal entwickelten Hecken kommen dann auch Kleinsäuger, Fledermäuse, Vögel, Amphibien und Reptilien vor, die über das Nahrungsnetz miteinander in Verbindung stehen. Diese Arten nutzen Hecken als Versteck oder für die Fortpflanzung.

Nicht zuletzt deswegen kommt Hecken eine wichtige Funktion im Biotopverbund zu. Viele Tiere wandern aktiv entlang solcher Trittsteine, auch um außerhalb von Hecken gelegene Fortpflanzungs- und Nahrungsstätten zu erreichen. Ein Heckenverbund gewährleistet grundlegende ökologische Beziehungen wie Artenaustausch, Artenausbreitung und Wiederbesiedlung von Biotopen.

Bedeutung von Hecken im Naturhaushalt

Hecken mindern die Auswirkungen extremer Witterungsereignisse auf den Naturhaushalt. Der windabschwächende Effekt schafft Schutz für Organismen, reduziert die Verdunstung und führt zu einer erhöhten Bodenfeuchte und damit einem verbesserten Kleinklima. Die Vegetation verhindert Bodenerosion und begünstigt die Retention und Speicherung von Niederschlags- und Oberflächenwasser sowie das Auffangen angewehter Bodenpartikel. Aufgrund tiefer Wurzelsysteme, der Streuablagerung und eines kühl-feuchteren Mikroklimas kommt es darüber hinaus oft zu Nährstoffanreicherung und weiterer Bodenneubildung [1]. Durch die Anreicherung von Kohlenstoff in der Biomasse der Hecke und als Humus im Boden, haben Hecken außerdem ein bedeutendes Potential in Bezug auf den Klimaschutz und die langfristige CO2-Bindung. Als Langzeitspeicher können Hecken pro Hektar fast genauso viel Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden wie Wälder [2].

Rechtliche Rahmenbedingungen

Um die Arten- und Klimaschutzwirkung von Hecken in Salzburg und die Bewahrung des Naturhaushaltes gemäß der Zielsetzung nach § 1 NSchG zu gewährleisten, scheint eine strengere Gesetzesauslegung als bisher notwendig.

Denn auch gemäß Art. 3 Abs. 3 iVm Art. 10 der FFH-Richtlinie hat Österreich als EU-Mitgliedsstaat (wie jeder andere) zur Verbesserung der ökologischen Kohärenz von Natura 2000, Landschaftselemente zu erhalten und ggf. zu schaffen. Damit wird die Schaffung eines Biotopverbundes mittels Förderung "verbindender Landschaftselemente" unter Berücksichtigung von funktionalen Aspekten der Kohärenz wie z.B. Wanderung, Ausbreitung und Genaustausch über das Netz der gemeldeten Natura 2000-Gebiete hinaus verstanden.

In Bayern wurde deshalb bereits 2019 die Schaffung eines Biotopverbundes im Gesetz verankert. Bis 2030 hat man sich verpflichtet, mindestens 15% Offenland der Landesfläche als Biotopverbund zu etablieren [3]. Bis Dato weist der Biotopverbund in Bayern eine Fläche von 9% aus [4].

Auch Salzburg bzw. Österreich muss dieser EU-rechtlichen Verpflichtung dringend nachkommen und einen dauerhaft wirkungsvollen Biotopverbund etablieren, um kein Vertragsverletzungsverfahren zu riskieren. Die LUA empfiehlt daher dringend entsprechende Novellierungen im Naturschutzgesetz.

Fazit:

Im Sinne einer zeitgemäßen Landnutzung, EU-rechtlicher Vorgaben, als auch sozialer und ökologischer Verantwortlichkeiten sind Hecken primär zu erhalten.

Als Klimaschutzmaßnahme und Artenschutzmaßnahme zur Schaffung eines effektiven landesweiten Biotopverbundes, sind vor allem auch Neupflanzungen von Hecken an sinnvollen Stellen zu forcieren. Entsprechende finanzielle Förderungen sollten sich an den beschriebenen Funktionserfüllungen bemessen und fair abgegolten werden, sodass für Landbewirtschafter*innen ein ausreichender Anreiz besteht, Hecken als Teil der Kulturlandschaft zu erhalten und somit die Ziele des Naturschutzes erreicht werden können. (lb)

Literatur
[1] Ellenberg, H., & Leuschner, C., 2010: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen: in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht (Vol. 8104). Utb.
[2] Drexler, S., Gensior, A. & Don, A. 2021: Carbon sequestration in hedgerow biomass and soil in the temperate climate zone. Reg Environ Change 21, 74. doi.org/10.1007/s10113-021-01798-8
[3] Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG) 2021: Artikel 19.
[4] Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) 2021: Stand des Biotopverbunds in Bayern. – www.naturvielfalt.bayern.de

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Ein Pool für jeden Garten?

Abbildung 1: Luftbildausschnitt einer Wohnsiedlung in der Stadt Salzburg mit sehr hoher Pooldichte. Quelle: SAGIS-Online

Pools scheinen in Salzburg im Trend zu liegen, könnte man aus diesem Luftbild schließen. Aber ist das kühle Nass wirklich so cool? Zu kurz um zu schwimmen, zu flach um zu tauchen, dazu der Aufwand für Instandhaltung und Reinigung.

Im Kontrast zur globalen Wasserknappheit und den anlagebedingten Eingriffen in den Naturhaushalt und Boden, ist allgemein zu hinterfragen ob der Luxus eines Privat-Pools noch zeitgemäß ist. Der folgende Artikel soll weder Pools pauschal diffamieren, noch einen Angriff auf Poolbesitzer*innen darstellen, sondern aufklärend auf bestehende Umweltkonflikte in Zusammenhang mit Pools hinweisen. Besonders adressiert ist der Artikel an Gartenbesitzer*innen und Gartenplaner*innen, die hinsichtlich gesellschaftlicher Interessen abwägen sollten, ob eine Neuerrichtung von Pools, einem üppig grünen, klima- und biodiversitätsfreundlichen Garten wirklich vorzuziehen ist.

Schon beim Bau muss der anstehende, natürlich gewachsene, allgemein schutzwürdige Boden entfernt, eine große Grube mittels Bagger ausgekoffert und das Bodengut mittels LKW auf eine Deponie transportiert werden, die wiederum Fläche beansprucht. Jegliche Bodenfunktionen, darunter die Filter- und Pufferfunktion, die Wasserretentions- und die Lebensraumfunktion, sowie der Standort als potentielle Produktions- oder Biodiversitätsfläche, gehen im Bereich der Poolanlage auf Dauer verloren. Ein Wiederherstellen ist nur mit Verlusten und unter großem Aufwand möglich.

Die Pools selbst bestehen im Wesentlichen aus einer dichten Wanne, die aus Beton, PVC oder etwa Keramik sowie aus Kombinationen mit Stahl, Styropor, Polster-, Dränschichten und Trennlagen besteht. Allesamt ökologisch eher ungünstige Materialien. Je nach Bauart werden diese mittels Binder und Kleber verbunden, so dass beim Recycling Probleme und hohe Kosten entstehen.

Zur Wasserklärung braucht es in der Regel eine Pumpe, die ebenfalls entworfen, samt Motor produziert und wiederum elektrisch betrieben werden muss. Wird eine entsprechende Beleuchtung im Pool oder im Außenraum angebracht, trägt dies weiter zur Lichtverschmutzung bei. Zu guter Letzt fehlt noch das Wasser und um die Wasserqualität zu halten, braucht es unter Umständen auch chemische Reinigungsmittel oder einen Wasseraustausch.

Wer keinesfalls auf ein privates Badeerlebnis verzichten möchte, sollte in Erwägung ziehen, ob ein naturnaher Badeteich, der mittels randlicher Bepflanzung und Strukturelementen ökologisch bedeutend ausgestaltet werden kann, bei entsprechender Anlage eine nachhaltige selbst-klärende Wirkung besitzt, als nachhaltigere Alternative zu einem rein technischen Pool in Frage kommt. (lb)

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Über die Unsitte des kurzgeschorenen Rasens und den Benefit der Artenkenntnis

Ajuga reptans - Kriechender Günsel, blüht in ungeschnittenen Wiesen von April bis Juni, Foto: LUA (gs)

Der israelische Historiker Yuval Harari (*1976) erzählt in seinem Buch „Homo Deus – Eine Geschichte von morgen“ [1] unter anderem von der Absurdität der Kultur des kurzgeschorenen Rasens. Seit dem beginnenden 18. Jahrhundert signalisierte der Rasen als Statussymbol von Adeligen - nach außen weithin sichtbar - Macht und Luxus überflüssiger Arbeitskräfte und ungenützter Landflächen. Heute hingegen ist der Rasen weltweit (bis in klimatisch ungünstigste Regionen wie Saudiarabien) verbreitet, wird von Hausbesitzern und -besorgern gehegt und gepflegt, um ja keinen Eindruck des Unaufgeräumt- oder Unordentlichseins zu vermitteln. Rasenmäher und -roboter gibt es für jedermann erschwinglich an jeder Ecke zu erwerben, das Lärmen der Rasenmäher ist gewohntes Wochenendgeräusch geworden, die mit dem Bewässern einhergehende Wasserverschwendung ist als Notwendigkeit akzeptiert, denn ein Rasen muss ja „schön“ sein: Was würden sonst die Nachbarn sagen?

Aber ist es heute, im Zeitalter des massiven vom Menschen verursachten Artensterbens, tatsächlich noch zeitgemäß artenarme Rasenwüsten zu erhalten? Noch dazu unter Verschwendung von Ressourcen wie Energie und Wasser?

Dabei wäre die Alternative, die der Natur und damit letztendlich dem Menschen selbst zu Gute kommt, denkbar einfach und entspannend, darüber hinaus auch noch lehrreich:

Man muss nur ein bisschen „fauler“ sein und leben lassen, „Gras darüber wachsen lassen“. Nur einzelne Stellen oder nur die zu begehenden Wege freimähen, alles andere stehen lassen und Pflanzen und Tieren eine Chance geben. Aktuell sich verbreitende Initiativen wie „No Mow May“ [2] propagieren sinnvollerweise mit der ersten Mahd doch erst später, eben erst nach dem Monat Mai zu beginnen. Nicht nur damit diverse Pflanzen auf diese Weise reife Samen produzieren können; hohes Gras ist auch Schutz-, Brut- und Raststätte für viele Tiere. Tipps, wie man darüber hinaus auch noch aktiv Biodiversität im Garten fördern kann, sind z.B. hier zusammengefasst von der Wiener Umweltanwaltschaft [3].

Die nun frei gewordene Energie des Gartenbesitzenden, die insbesondere im Frühling sehr geballt daherkommt, kann man nun investieren in ein beobachtendes Interesse an der Natur: Was keimt denn da auf, was ist denn das, wenn es mal groß ist? Wo kommt das her, wofür ist das gut, hat es womöglich Heilkräfte oder verursacht es Allergien? Ist es ein invasiver Neophyt oder ist es - im Gegenteil! - womöglich eine seltene und gefährdete Art? In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von „Citizen Science“ Projekten gegründet, welche bei der Beantwortung dieser Fragen unterstützen können. Ausgestattet mit einem Smartphone mit Kamerafunktion oder aber auch nur mit Kamera und Computer, kann hier wirklich jeder mitmachen. Mittels der Expertise von freiwillig engagierten Expert*innen werden lehrreiche Erfahrungen gesammelt und nebenbei auch noch die Wissenschaft unterstützt, denn diese Projekte liefern wertvolle Daten über die Verbreitung von Arten für praktisch jede Organismengruppe, von der Ackerhummel bis zum Orientalischen Zackenschötchen. Einige dieser Initiativen sind z.B. „Naturbeobachtung.at“ [4], „Observation.org“ [5] oder „iNaturalist“ [6]. Immer wieder finden sogenannte „Challenges“, also Wettbewerbe, zu bestimmten Themen oder Regionen regen Zulauf. Mehr Informationen zu aktuellen Projekten finden sich z.B. unter „Österreich-forscht“ [7].

Und der Benefit dieser Projekte für die Biodiversität? Je mehr Menschen Artenkenntnis besitzen, desto mehr wissen sie auch um die ökologische Bedeutung der Arten und ihre Schutzwürdigkeit. Denn wie heißt es doch im Vorwort der „Österreichischen Exkursionsflora“: „Seit ich deinen Namen kenne, Blümchen, lieb ich dich.“ [8]. (uj)

Quellen:
[1] Harari Y.N. (2017): Homo Deus. Eine kurze Geschichte von Morgen. Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn. C.H. Beck Verlag, München.
[2] ORF (2022): NO MOW MAY: Frühjahrsruhe für den Rasenmäher. Abgerufen am 30.04.2022 von https://orf2at/stories/3262721.
[3] WUA (2022): Was jetzt im Frühjahr im Garten zu tun ist (03/2022). Abgerufen am 30.04.2022 von https://wua-wien.at/naturschutz-und-stadtoekologie/bunte-wiesenbewohner-2/2354-was-ist-im-fruehjahr-im-garten-zu-tun?fbclid=IwAR2J8USKDnCxZU0OQgNvbq4TGD0k56jkmiFdPoZpiIff-gB35OWE6fjxWK4.
[4] Naturschutzbund Österreich (2022). Abgerufen am 30.04.2022 von https://www.naturbeobachtung.at/platform/mo/nabeat/index.do .
[5] Observation.org (2022). Abgerufen am 30.04.2022 von https://observation.org.
[6] iNaturalist.org (2022). Abgerufen am 30.04.2022 von https://www.inaturalist.org.
[7] Österreich-forscht (2022). Abgerufen am 30.04.2022 von https://www.citizen-science.at.
[8] Fischer M.A., Oswald K., Adler W. (2008): Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol, 3. Auflage. Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen.

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Flutlicht-Vortrag im Sportstättenausschuss

Salzburgs Lichtquellen vom Gaisberg aus (u.a. Sportplatz-Flutlicht in der Bildmitte erkennbar), Foto: LUA (gs)

Die negativen Auswirkungen von künstlichem Licht bei Nacht auf Menschen, Tiere, Pflanzen und gesamte Ökosysteme sind leider noch viel zu wenig im Bewusstsein, wie immer wieder in Diskussionen zu naturschutzrechtlichen Verfahren um Flutlichtanlagen deutlich wird. Aufgrund des Unverständnisses wird das Thema leider weiterhin oft auf „lästige Insekten“ reduziert und lächerlich gemacht. Dabei wird vergessen, dass Insekten das Fundament der Nahrungskette bilden, an deren Ende auch der Mensch steht und für die Bestäubung vieler Pflanzen unverzichtbar sind. Trotz des noch relativ jungen Forschungsgebietes, steht bereits fest, dass künstliches Licht ernsthafte Folgen auf unzählige Lebewesen (Insekten, Vögel, Säugetiere inkl. Mensch, Amphibien, Fische, Plankton, Pflanzen usw.) hat.

In der Erdgeschichte handelt es sich beim künstlichen, im Gegensatz zum Sonnen-Licht um ein völlig neues Phänomen, das erst innerhalb der letzten 100 Jahre durch den Menschen entstand. Im Gegensatz dazu hat sich der Großteil der Organismen im Laufe der Evolution während Millionen von Jahren an den natürlichen Rhythmus des hellen Tages und der dunklen Nacht angepasst, der nun durcheinandergebracht wird. Nun sind sie mit Bedingungen konfrontiert, auf die sie sich nicht einstellen konnten und in menschlichen Zeiträumen auch nicht können, was zusätzlich zum allgemeinen Problem des Artensterbens beiträgt. Nähere Informationen dazu finden sich auf unserer Homepage.

Flutlichtanlagen stellen aufgrund ihrer hohen Beleuchtungsstärken und weiten Sichtbarkeit eine nicht unwesentliche Quelle für Lichtverschmutzung dar, die natürlich auch durch viele weitere mitverursacht wird. Da es derzeit zu vielen Erneuerungen bei Sportanlagen kommt und das Thema Flutlicht nicht nur mehr bei Fußballplätzen, sondern auch bei anderen Sportarten, insb. Tennis, gehäuft eine Rolle spielt, nahm die LUA die Anfrage für einen Vortrag beim Sportstättenausschuss am 14.04.2022 gerne an.

Dies bot die Gelegenheit für das Thema aus Naturschutzsicht zu sensibilisieren und die unterschiedlichen Voraussetzungen an eine möglichst umweltfreundliche Beleuchtung zu erläutern. Denn bei Einhaltung des aktuellen Stands der Technik kann bereits einiges zur Herabminderung der Auswirkungen erreicht werden. Da es jedoch kein 100% umweltfreundliches Licht gibt, ist aber auch die Akzeptanz wichtig, dass es ungeeignete Standorte gibt, an denen die negativen Auswirkungen auf Natur und Arten zu groß sind, um bewilligungsfähig zu sein.

Die LUA bedankt sich für das beim Sportstättenausschuss entgegengebrachte Interesse und steht gerne weiterhin für fachliche Informationen zur Verfügung. (gs)

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Neu im Team – Ursula Jaros, MA. rer. nat.

Foto: © Ursula Jaros

Ursula Jaros absolvierte nach ihrer langjährigen Beschäftigung als Arztassistentin von 2002 bis 2009 das Bachelorstudium Zellbiologie/Physiologie und das Masterstudium Botanik/Ökologie, Biodiversität und Evolution der Pflanzen an der Universität Salzburg.

Bereits während des Studiums und danach war sie als Tutorin in verschiedensten Studentenkursen tätig, arbeitete im botanischen Garten und bei Projekten der Universität Salzburg mit.

Neben ihrer wiederaufgenommenen Tätigkeit als Arztassistentin, unterstützte sie uns im Jahr 2021 immer wieder spontan während der gehäuften Krankenstände in unserem Sekretariat mit ihrer stets unkomplizierten, unerschütterlich fröhlichen und ruhigen Art.

Wir freuen uns, dass sie nun seit Anfang Februar 2022 fix in unserem Team ist und sich mit ihrem vielfältigen Interesse neben den Verwaltungsaufgaben auch immer wieder mit bewusstseinsbildenden Maßnahmen einbringt. (gs)

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