LUA-Notizen 2/2022
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LUA-Notizen

LUA-Notizen 2/2022

In diesem Newsletter

■ Editorial der Umweltanwältin

■ Langzeit-Umweltanwalt Dr. Wolfgang Wiener tritt in den Ruhestand

■ LUA-Treffen in Strobl im Mai 2022

■ Radweg Werfen Tenneck - Warum ein Radweg nicht unbedingt nachhaltig ist

■ ÖBf-Forstweg in Saalfelden

■ Wege aus der Artenvielfalt: Grün kaputt & Gärten des Grauens

Editorial der Umweltanwältin

Foto: © Gishild Schaufler

Nach unserem letzten Bericht über die rechtlichen Entwicklungen hinsichtlich des Ausbaus der Mönchsberggarage gab es zwar einen erneuten Rückschlag aufgrund der erstaunlich schnellen Entscheidung des VwGH zu den Einwendungen der LUA im naturschutzrechtlichen Verfahren.

Aber die Bürger*innenbefragung am 26.06.2022 zeigte mit einer überraschend hohen Beteiligung von 22% und einem Ergebnis von 84% Stimmen dagegen, dass der Ausbau der Mönchsberggarage von der Stadtbevölkerung nicht mehr mitgetragen wird.

Die Argumente all jener, die bereits vor 10 Jahren vor den Folgen einer Garagenerweiterung in der Welterbe-Altstadt mahnten, sind durch den rasanten Wandel der Zeit und das allgemeine Anerkenntnis des Klimawandels in der Bevölkerung angekommen.

So muss auch an dieser Stelle der ersten Reaktion des Bürgermeisters am Abstimmungstag im ORF Interview in Salzburg Heute Respekt gezollt werden, dieses Ergebnis zur Kenntnis zu nehmen und den Ausbau für beendet zu erklären, denn wir haben uns immer dafür ausgesprochen, dass es keine Schande ist, eine einmal gefasste Meinung nach Änderung der Umstände oder des Wissens zu ändern, wie es auch der Stadtverein Salzburg in der Podiumsdiskussion zur Mobilität mit Experten Ende April gezeigt hat (siehe Editorial LUA-Notizen 1/2022).

Dennoch stimmte die Bürgermeisterpartei in der Folge im Gemeinderat weiterhin für den Ausbau und gegen eine Absage des Projekts, blieb damit aber in der Minderheit. Der Wandel der Zeit fordert auch ein Umdenken der Politik zugunsten einer nachhaltigen Zukunft.

Natürlich ist es legitim, dass einige Befürworter der Garage nun ihre Enttäuschung ausdrücken. Jedoch kann den Argumenten (z.B. in Leserbriefen in den SN), die sich auf „mangelnde Rechtsstaatlichkeit“ der Absage an den Ausbau oder „demokratiepolitische Bedenken“ äußern, weil ja 78% nicht abgestimmt hätten, nicht gefolgt werden.

Denn (naturschutz)rechtlich hätte die Salzburger Parkgaragengesellschaft zwar nach wie vor die Möglichkeit gehabt, den Ausbau in Angriff zu nehmen, was auch aus rechtlicher Sicht zu akzeptieren gewesen wäre. Aber im Gegensatz zu einer Versagung, die den Ausbau bereits rechtlich verunmöglicht hätte, muss die Bewilligung nicht zwingend konsumiert werden. Insbesondere dann nicht, wenn sie keine Grundlage mehr in der Meinung der Bevölkerung findet. Auch die restlichen 78% haben die Möglichkeit gehabt mitzustimmen und es ist davon auszugehen, dass sie davon Gebrauch gemacht hätten, wenn es ihnen wichtig gewesen wäre. Diese Mündigkeit muss den Bürger*innen zugestanden werden. Auch das gilt es in einer Demokratie zu akzeptieren.

Zum Thema einer zukunftsgerichteten Entwicklung von Verkehr und Mobilität, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, gibt es bereits viele positive Beispiele aus mehreren europäischen Städten, die zeigen, dass der Wandel von einer Stadt für Autos in eine Stadt für Menschen möglich ist. Eine Garage im historischen Zentrum der Stadt Salzburg ist dafür aber nicht sinnvoll, weil zusätzlicher Raum für ruhenden Verkehr zusätzlichen Verkehr schafft. Und auch für den Parkplatz als Verkehrserreger gilt, dass die Dosis das Gift macht.

Das Ergebnis der Befragung und auch die politische Reaktion machen Mut, dass es doch zu Veränderungen kommen kann und das ist sehr wichtig in Anbetracht der vielen Krisen, die wir zu bewältigen haben. Denn dazu erfordert es eines Umdenkens von unserem bisherigen Lebensstil und dass nicht Technologien alleine reichen werden, um unsere Probleme zu lösen.

Dieses Ergebnis zeigt, dass die Bevölkerung auch bereit ist, einen Wandel zu vollziehen und dass die Politik dies auch anerkennen kann. Es ist auch die Aufgabe der LUA auf langfristige Fehlentwicklungen schon frühzeitig aufmerksam zu machen und dies in den Verfahren zu vertreten.

Mit dieser guten Nachricht wünschen wir trotz vieler anderer weiterhin bestehender Probleme einen schönen Sommer, denn die Hoffnung auf einen Wandel ist nicht vergebens!

Gishild Schaufler, Juli 2022

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Langzeit-Umweltanwalt Dr. Wolfgang Wiener tritt in den Ruhestand

Wolfgang Wiener
Wolfgang Wiener. Foto: Robert Ratzer

Seit über 30 Jahren im Dienst von Umwelt, Natur und Arten steht nun die Pensionierung für Dr. Wolfgang Wiener an. Er begann am 01.06.1988 seine Arbeit in der Zeit, als die LUA noch am Haus der Natur angesiedelt war. Mit Überführung der LUA in eine Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit wurde Wolfgang Wiener zum Landesumweltanwalt bestellt. Diese Funktion hatte er sodann 20 Jahre bis April 2019 inne. Seitdem war er weiterhin als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Gewässerökologe Bestandteil des LUA-Teams. Ende Juli 2022 geht er nun nach seiner langjährigen konfliktreichen und fordernden Tätigkeit im Dienste der Vertretung der sonst stimm- und wehrlosen Natur, seiner stets loyalen Haltung zur LUA und ihren Aufgaben in Pension. Dafür bedanken wir uns und wünschen ihm für den neuen Lebensabschnitt alles Gute! (gs)

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LUA-Treffen in Strobl im Mai 2022

LUA-Treffen Strobl 2022, Foto: Erich Auer (LUA-Kärnten)

Im Mai 2022 fand das halbjährliche Treffen der Landesumweltanwält*innen der neun österreichischen Bundesländer, dieses Mal wieder in Salzburg, in Strobl am Wolfgangsee statt. Schwerpunkthemen waren der Artenschutz und die Bedrohung der biologischen Vielfalt, verstärkt durch die infolge des Ukrainekriegs ausgelöste Energiekrise.

Neben interessanten Vorträgen zu Tagfaltern, ihren Lebensraumansprüchen und Bedrohungen (Patrick Gros), den Grenzen von Lebensraumverpflanzungen (Susanne Popp-Kohlweiss) und den neuen Entwicklungen im Artenschutzrecht (Markus Pointinger), stand ein äußerst interessanter Nachmittag mit einer Führung der Schutzgebietsbetreuerin Anita Sinner durch das Blinklingmoos am Programm.

Im interessanten und sehr wichtigen österreichweiten Austausch bereiten den Umweltanwaltschaften vor allem die aktuellen Diskussionen im Bereich Klimaschutz und Energie Sorge, insbesondere die jüngsten Empfehlungen der EU-Kommission zum Plan REPowerEU. Dieser beinhaltet eine faktische Aushebelung von zwingenden Natur- und Artenschutz-Bestimmungen.

Die Umweltanwält*innen stehen hinter den ambitionierten Zielen des Klimaschutzes auf europäischer Ebene, fordern jedoch das längst überfällige Klimaschutz- und Energieeffizienzgesetz in Österreich ein. Denn die Reduktion des Energiebedarfs muss vor dem Verbrauch der letzten Landschafts- und Naturressourcen stehen. Ein weiterer Ausbau der Erneuerbaren Energien darf nur naturverträglich und unter Einhaltung der bereits bestehenden EU-Richtlinien zum Artenschutz erfolgen.

Rechtsstaatlichkeit ist auch für Natur und Umwelt unverzichtbar. Denn die aktuellen Berichte des Welt- und des österreichischen Biodiversitätsrats fallen unverändert verheerend aus. Der Zusammenbruch der biologischen Vielfalt und der Leistungen der Ökosysteme hat auch weitreichende Folgen für uns Menschen. Klimaschutz und der Erhalt der biologischen Vielfalt sind zwei Seiten ein und derselben Medaille und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. (gs)

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Radweg Werfen Tenneck - Warum ein Radweg nicht unbedingt nachhaltig ist

Radweg Werfen-Tenneck, Foto: LUA

Auch die Diskussionen zum Radweg zwischen Werfen und Tenneck zeigen, dass Nachhaltigkeit immer noch hauptsächlich auf den CO2-Ausstoß reduziert und nicht umfassend gedacht wird.

Bereits seit Jahren gibt es die – aus rein gemeindepolitischer Sicht durchaus nachvollziehbare – Bestrebung, den „Tauernradweg“ zwischen Werfen und Tenneck von der Straße „hinter dem Burgberg“ nach „vorne an die Salzach“ zu verlegen. Das würde zu einer Trennung vom Autoverkehr führen, zu weniger Kraftaufwand aufgrund der geringeren Steigung sowie einem schöneren „Natur“-Erlebnis. Außerdem könnte der Abwasserkanal mitgeführt und damit der Energieverbrauch im Vergleich zur ansonsten höheren Pumpleistung über den Berg reduziert werden.

Aber leider werden in der aktuellen Diskussion alle anderen Nachhaltigkeitsargumente viel zu wenig gehört bzw. wahrgenommen. Denn bei dieser Strecke handelt es sich nicht um einen „gewöhnlichen“ bzw. „üblichen“ Eingriff für „ein Stück Radweg“ wie sonst in der Kulturlandschaft, sondern um herausforderndes Gelände im unmittelbaren Steilufer der Salzach und um naturschutzfachlich höchstwertige Bereiche. Dies wurde bereits in der interdisziplinären GUS-Studie (Gesamtuntersuchung Salzach) aus den 1990er Jahren dokumentiert und aktuell in für den Radweg durchgeführten Untersuchungen sowie bei einem Lokalaugenschein im Mai 2022 bestätigt.

Das Projektgebiet ist unbestritten sowohl landschaftlich als auch ökologisch ein bereits sehr selten gewordener und höchstwertiger Bereich, in dem zahlreiche geschützte und gefährdete Arten vorkommen. Aufgrund der Naturnähe und des hohen Totholzreichtums sowie der geringen Störungen an diesem Standort, stellt dieser einen wichtigen Rückzugsraum für zahlreiche, insbesondere auch störungsempfindliche Arten dar. In dem Hotspot der Biodiversität konnten u.a. 168 Käferarten und 54 Vogelarten nachgewiesen werden. Von den 46 Brutvogelarten sind 11 auf Baumhöhlen angewiesen.

Die LUA und die naturschutzfachlich-zoologischen Amtssachverständigen stellten nach der Begehung klar, dass eine Umsetzung des Vorhabens nicht ohne ein artenschutzrechtliches Ausnahmeverfahren nach § 34 NSchG möglich wäre. Aufgrund des Vorkommens zahlreicher EU-rechtlich geschützter Arten und der eingeschränkten Voraussetzungen in Bezug auf Zweck, Populationsuntersuchungen und Alternativenprüfungen hätte ein derartiges Verfahren aber wenig Aussicht auf Erfolg.

Aufgrund der topographischen Gegebenheiten wäre der Eingriff auch nicht auf die Radweg- und Kanaltrasse beschränkt, diese würde jedenfalls im Übergangsbereich zwischen Salzach und Burgberg teilweise auch massive Verbauungen mit Steinsätzen erfordern. Darüber hinaus würde den für den Radweg notwendigen Verkehrssicherungspflichten am gesamten Burgberg und den nachfolgenden Hangbereichen sämtliches stehendes Alt- und Totholz, das für das Überleben der zahlreichen Arten essentiell ist, zum Opfer fallen.

Auch wenn Radwege im Sinne der Nachhaltigkeit grundsätzlich positiv zu bewerten sind, darf deren Wirkung nicht isoliert von sonstigen Umständen betrachtet werden. Denn die aktuelle Klima- und Energiekrise mit der notwendigen Verkehrswende kann nicht von der ebenso wichtigen Biodiversitätskrise (Artensterben) losgelöst werden, was auch der Hintergrund für die gesetzlichen Bestimmungen des Artenschutzes ist. Das Argument, dass die vom Vorhaben betroffenen Arten doch in der Nähe andere Lebensräume finden könnten, wird seit vielen Jahrzehnten als Begründung dafür strapaziert, dass immer weitere Eingriffe in die Natur ermöglicht werden und hat schließlich zum heute bekannten Artensterben geführt. Aber gerade spezialisierte Arten können eben nicht beliebig ausweichen, weil für sie geeignete Lebensbedingungen nur selten gegeben sind. Werden letzte Rückzugslebensräume zu klein und „verinseln“, sinkt auch die Überlebensfähigkeit der Population und die Arten sterben aus.

Diese Tatsachen werden leider nach wie vor ignoriert und die Bedrohung durch den Verlust der biologischen Vielfalt noch immer weit unterschätzt. Denn Arten sterben leise. Von den Projektbefürwortern unter der Berufung auf die „Logik“, „Vernunft“ und den „Hausverstand“ angeführten Argumente für die Trasse am Salzachufer beschränken sich auf rein finanziell-wirtschaftliche Überlegungen und auf CO2-Einsparung. In einem Verfahren müssen diese Interessen gegen das vorliegende sehr hohe Naturschutzinteresse abgewogen werden und dürften außerdem keine anderen Alternativen bestehen. Somit kann die Verwirklichung des Vorhabens am Fuße des Burgbergs schon aufgrund der geltenden Rechtslage nicht befürwortet werden. Da das Aufhalten des Artensterbens für die Erhaltung der Lebensgrundlage des Menschen genauso notwendig ist, ist es wichtig, neben dem Hausverstand auch den Sachverstand wieder ernst zu nehmen. (gs)

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ÖBf-Forstweg in Saalfelden

ÖBf-Forststraße Saalfelden, Foto: LUA

Im Nordosten der Stadt Saalfelden liegt das Steinerne Meer, ein Kalkstock, der die Grenze zwischen dem Rupertiwinkel mit dem Königssee in Bayern und dem Saalfeldener Becken im Salzburger Land bildet. Die unteren Hänge waren ursprünglich mit von Buchen und Ahorn dominierten Mischwäldern bewachsen. Durch den intensive Holzverbrauch von Bergbau, Verhüttung und Salinen gab es große Kahlschläge, die meist mittels Schneesaaten mit Fichtensamen wieder bewaldet wurden. Die daraus entstandenen Fichtenwälder brachten gute Erträge für die Holzwirtschaft, sind jedoch für Schadinsekten, Schneedruck und Windwürfe anfällig. Der Klimawandel mit langen Hitzeperioden, warmen Wintern und häufigen Stürmen belasten diese Nadelwälder zusätzlich und es muss versucht werden wieder Mischwälder mit besseren Resilienzen zu etablieren.

In den letzten Jahren wurden auch deshalb viele Kilometer Forststraßen und Stichwege gebaut, die auch oberhalb von Saalfelden ein dichtes Netz von Schotterstraßen in die Landschaft gefressen haben. Im Jahr 2016 wurde das beliebte Wandergebiet um die Steinalm mit einer etwa 4 Kilometer langen Straße erschlossen. Dies führte zu Protesten aus der Bevölkerung, die sich um die Erholungswirkung und die noch weitgehend intakte Landschaft sorgte. Am Ende eines geplanten Stichweges liegt ein Rest des ursprünglichen und extrem hochwertigen Laubmischwaldes der, nach damaliger Einschätzung, die Qualität eines Naturwaldreservates aufweist. Auch die Stadtgemeinde Saalfelden befürchtete eine Gefahr für ihre Trinkwasserquellen, die unterhalb der Steinalm gelegen sind.

In umfangreichen Begehungen wurde gemeinsam mit der Bezirksverwaltungsbehörde und den Sachverständigen eine einvernehmliche Lösung erzielt, die sowohl die forstliche Bewirtschaftung, als auch den Erhalt der hochwertigen alten Bäume sichergestellt hat. Der geplante Stichweg wurde um 100 Meter gekürzt und etwas verschmälert und zahlreiche Auflagen zur Begrünung der durch den Wegebau entstehenden Böschungen sollten eine naturverträgliche Erschließung sichern. Zum Schutz der Landschaft sollten auch die talseitigen Bäume als Sichtkulisse erhalten bleiben.

Zu Beginn des heurigen Jahres kam nun die böse Überraschung: Die Verlängerung des gekürzten Stichweges wurde durch die ÖBF eingereicht und eine Begehung des geplanten Bereiches brachte weitere katastrophale Tatsachen ans Licht.

Der Bau der nun Zwiesersbachweg genannten Forststraße war nicht wie gemeinsam festgelegt schonend und gemäß den Auflagen errichtet worden. Bereits die Abzweigung von der Lärchbachstraße war durch einen gewaltigen „Holzlagerplatz“ ergänzt worden, wodurch eine 8 – 10 Meter hohe Felswand entstand mit einer Schotterfläche, die weit über die eingereichte Kehre mit Abzweigung hinausgeht (siehe Foto).

Entlang des Weges sind ober- und unterhalb der Straße schlecht und gar nicht begrünte Böschungen entstanden, die Kulisse unterhalb der Forststraße wurde dramatisch abgeholzt und kann ihre Funktion nicht mehr erfüllen.

Die Störung des Landschaftsbildes wirkt bis in den Talraum. 

Aber besonders erschütternd ist jedoch der Bruch der Vereinbarung von 2016 zu werten, die durch den Bescheid von 2016 dokumentiert ist. Die Verlängerung in den besonders hochwertigen alten Mischwald, mit zahlreichen Totholzbäumen, Ameisenhaufen und intakter Naturverjüngung kann als Tabubruch eingestuft werden und ist jedenfalls keine zeitgemäße Forstwirtschaft. (ww)

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Wege aus der Artenvielfalt: Grün kaputt & Gärten des Grauens

Abb 1. Schottergarten, Foto: © Gishild Schaufler

Der bayrische Historiker und Dokumentarfilmer Dieter Wieland (*1937) schuf in den 70ern und 80ern des vorigen Jahrhunderts mit seiner Sendereihe „Topographie“ ein wertvolles Zeitdokument über die Ausräumung weiter Teile traditioneller (bayrischer) Landschaft. Mit drastischen Worten und melancholischer Stimme kritisierte Wieland schon damals den Verlust struktur- und artenreicher Grünflächen und Gärten und bedauerte das Verschwinden gewachsener, alter Bauerngärten. Er bezeichnet die modischen Nachfolgegärten als „Abstellplätze für zwei Blaufichten und drei Krüppelkoniferen. Fad, kahl und dürftig. Zu Tode rasiert vom kläffenden Rasenmäher.“ (aus „Grün kaputt“ [1]) und „baumlos, strauchlos, schattenlos, ohne einen einzigen Grashalm, überall regiert die Wasserwaage und der rechte Winkel, und ein unerbittlicher Perfektionismus und ein ungeheuerlicher Aufwand an Geld und Materialien..„ (aus: „Der Zaun“ [2]).

Mehr als 40 Jahre danach sollten die Begriffe „Artensterben“ und „Klimawandel“ längst in der Gesellschaft angekommen sein. Dennoch bevorzugt man vielerorts für die meisten Grünflächen und Privatgärten immer noch eine ähnlich artenarme Einöde: Den bekannten ökologisch wenig wertvollen Thujenwällen folgt heute der neophytische Kirschlorbeer (der hinsichtlich seines Potenzials zur invasiven Problemart noch „unter Beobachtung steht“). Ausgebeulter Maschendrahtzaun wird ersetzt durch Kunststoff-Sichtschutzwände, die dank Witterung und UV-Licht vorzeitig in Mikroplastik zerbröseln werden. Gemauerte Garteneinfassungen weichen sterilen Gabionen. Und statt des Motorrasenmäherlärms am Samstagmorgen hört man nun zunehmend das stetige Surren der Rasenroboter, die auf den kurzgeschorenen Rasen nichts mehr blühen lassen und insbesondere in den Dämmerungsstunden vielen Tieren, wie Igel oder Amphibien, zum Verhängnis werden. Im Zunehmen ist leider auch die Anzahl an Gartenbeleuchtungen, da dank der energiesparenden LED-Technologie zum gleichen Preis mehr Lux in die Nacht gestrahlt werden können, was bei Tier und auch Mensch nachgewiesenermaßen biorhythmische bzw. krankmachende Störungen verursacht.

Das Tüpfelchen auf dem „i“ in der Anleitung zum Artensterben in Siedlungsräumen aber findet man heutzutage wohl in der zunehmenden Ausbreitung der „Schottergärten“: Flächendeckend wird hier der Vorgarten (oder besser gleich der ganze Garten) mit energieaufwändig hergestelltem und oft von weit her transportiertem Schotter zugeschüttet (z.B. Abb. 1). Diese Art der modernen Gartengestaltung wird zwar als pflegeleicht vermarktet, kann aber nur auf Basis von Kunststoffvlies im Boden, Herbiziden und Hochdruckreinigern halbwegs ihr Aussehen bewahren. Darüber hinaus entwickeln sich diese Schotterflächen an Hitzetagen zu reinsten Backöfen, da eine mikroklima-puffernde Vegetationsdecke meist völlig fehlt.

Der deutsche Biologe Ulf Soltau hat sich dieser Thematik angenommen. Auf der Facebook-Seite „Gärten des Grauens“[3] stellt er ausgewählte Objekte vor und garniert diese mit satirischen Kommentaren. Die schiere Menge an Schottergärten ist hier erschütternd und bereits bücherfüllend[4] [5] [6]. Seine Initiative hat aber bereits einiges bewirkt: In einigen deutschen Bundesländern wurde bereits ein Verbot von Schotterwüsten eingeführt[7].

Privatgartenflächen haben jedoch ein nicht zu unterschätzendes Potenzial für biologische Diversität: Sie machen laut IÖW (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung) immerhin ca. 2% der Gesamtfläche Deutschlands aus, für Österreich werden ähnliche Schätzungen gelten. Wenn annähernd naturnah gestaltet, zeigen Privatgartenflächen enormen Arten- und Strukturreichtum und könnten als Trittsteine zur Vernetzung von Habitaten in urbanen Räumen dienen[8].

Die wichtigsten Eckpunkte zu einem Naturgarten wären:

  • Einheimische, regional angepasste Pflanzenarten bevorzugen,
  • Strukturreichtum und damit verschiedene Lebensräume ermöglichen (Totholz, Steinhaufen, sandige Ecken, Teiche, Hecken, Bäume, wenig gemähte Wiesen, ...),
  • natürliche Materialien verwenden,
  • auf künstliche Beleuchtungen verzichten.

Lassen Sie etwas „Wildnis“ zu und ermöglichen damit Pflanzen und Tieren das Überleben. Beobachten Sie die unterschiedlichen Vorgänge zu allen Jahreszeiten. Das lohnt sich nicht nur für die Natur, sondern erfreut dabei auch das Auge (Abb. 2). Jeder Beitrag zum Erhalt der Biodiversität ist auch ein Beitrag zur Sicherung der Zukunft unserer Nachkommen. (uj)


[1] Wieland D. (1983), Unter unserem Himmel ∙ BR Fernsehen, Topographie: Grün kaputt - Landschaft und Gärten der Deutschen. Abgerufen am 09.07.2022 von https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/unter-unserem-himmel/gruen-kaputt-dieter-wieland-100.html bzw. auch als Buch erhältlich: Wieland D., Bode P.M., Disko R (1983). Grün kaputt, Landschaft und Gärten der Deutschen, Raben Verlag, München.

[2] Wieland D. (1981) Unter unserem Himmel ∙ BR Fernsehen, Topographie - Der Zaun. Abgerufen am 09.07.2022 von https://www.br.de/mediathek/video/unter-unserem-himmel-dokumentation-topographie-bauen-und-bewahren-der-zaun-av:60487ce9e487b10013685d04

[3] Facebook-Parodie-Seite „Gärten des Grauens“, abgerufen am 09.07.2022 von https://www.facebook.com/GaertenDesGrauens

[4] Soltau U. (2019), Gärten des Grauens, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main.

[5] Soltau U. (2021), Noch mehr Gärten des Grauens, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main.

[6] Soltau U. (2021), Gärten des Grauens - die Weihnachtsedition, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main.

[7] ZDF-Reportage (2022) „Schottergärten im Visier: Wenn Kies und Co. die Natur verdrängen“. Abgerufen am 09.07.2022 von  https://www.arte.tv/de/videos/100300-023-A/re-schottergaerten-im-visier/

[8] Dehnhardt A., Welling M., Laug L., Jakubka D. (2021). Biologische Vielfalt in Privatgärten, Diskussionspapier des IÖW 73/21 Berlin.

Abb. 2. Das große Rasenstück (Albrecht Dürer, 1503). Quelle: wikipedia (gemeinfrei).
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