LUA-Notizen 3/2022
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LUA-Notizen

LUA-Notizen 3/2022

In diesem Newsletter

■ Editorial der Umweltanwältin

■ Kauf der Antheringer Au ist eine langfristige Investition in die Biodiversität

■ Revision gegen die Bewilligung des Kraftwerks Stegenwald

■ Internationaler Tag der Flüsse am 25.09.2022 – Bestätigung der Gültigkeit des Memorandums zur Salzach bei Stegenwald

■ UVP-G-Novelle – gemeinsame Stellungnahme der neun Umweltanwält*innen Österreichs

■ Green vs. Green Konflikt - Die Errichtung von Windkraftanlagen in Gebirgslagen und der Artenschutz

■ Über den Wert alter Bäume

■ Susanne Popp-Kohlweiss, MSc nimmt Abschied von der Landesumweltanwaltschaft

■ Neu im Team – Verena Gfrerer, MSc

Editorial der Umweltanwältin

(c) Gishild Schaufler, Umweltanwältin

In der aktuellen Energiekrise spitzen sich die Zielkonflikte und das Ausspielen von Klima- gegen Artenschutz immer weiter zu. Da Natur und Arten im Gegensatz zur Wirtschaft wenig Lobby haben, wird leider gerne die Schuld auf den Naturschutz geschoben. Naturschutz sei schon wichtig, aber Klimaschutz und der Umstieg auf Erneuerbare Energien (unter Beibehaltung unseres Lebensstils) sei schon noch wichtiger. Dabei wird vollkommen vergessen, dass die multiplen Krisen unserer Welt zusammenhängen und es nicht darum geht, welche Krise die schlimmere oder wichtigere ist, sondern dass sie gemeinsam gelöst werden müssen. Es wird weiter gerne die Meinung verbreitet, Verfahren würden nur so lange dauern, weil der Naturschutz alles unnötig so kompliziert mache bzw. Naturschützer alles verhindern. Außerdem würden Tier- und Pflanzenarten viel zu ernst genommen, es wäre endlich Zeit, den Menschen wieder einmal in den Mittelpunkt zu stellen.

Dies wird aktuell ständig, zu Unrecht, verbreitet und spiegelt sich auch in den folgenden Artikeln wider. Der Ankauf der Salzachauen wird kritisiert, weil das Geld in der Energiekrise doch besser für die Menschen verwendet werden solle. Die Revision der LUA gegen das Kraftwerk Stegenwald wird als „unverständlich“ bzw. „fundamental“ bezeichnet, obwohl seit Jahrzehnten feststeht, dass es sich hier um den letzten, „ungestauten“ Abschnitt der mittleren Salzach und damit um die letzte freie Fließstrecke mit außergewöhnlich hoher ökologischer Wertigkeit handelt und obwohl die Bedeutung der für den Menschen notwendigen Ökosystemleistungen frei fließender Gewässer nachgewiesen ist (siehe Artikel über den Internationalen Tag der Flüsse). Auch der Entwurf zur UVP-G-Novelle legt den Fokus leider sehr einseitig auf die Energiewende und drängt den Schutz der Biodiversität noch weiter zurück. Zur Sammlung von sachlicher Information hat sich unsere heurige Praktikantin mit Studien zum Thema Windkraftanlagen und Artenschutz beschäftigt.

Bei all diesen Beispielen und den vielen Versuchen, den Biodiversitätsschutz trotz des bedrohlichen massiven Artensterbens zurückzudrängen, weil doch „wieder mehr der Mensch im Mittelpunkt stehen müsste“, wird übersehen, dass der Natur- und Artenschutz gerade dem Erhalt der Lebensgrundlage des Menschen dient und damit der Mensch bereits auch im Mittelpunkt des Naturschutzes steht.

Mit seinem Vortrag „Bestandsaufnahme zur Klimakrise? Wo stehen wir, warum ist das so und wie können wir das ändern?“ befasste Dr. Reinhard Steurer, Prof. für Klimapolitik an der BOKU, die Teilnehmer der Jahrestagung Kleinwasserkraft diesen Oktober mit der politischen Bedeutung von „Ausreden“ und „Schein-Klimaschutz“. Darin kritisierte er die vielfach auch von Politik und Wirtschaft getätigte Aussage, das Problem (hier: den Klimaschutz) mit „Hausverstand“ zu lösen, als Angriff auf die Wissenschaft. Wenn so etwas immer wieder verbreitet wird, dürfen wir uns nicht über die Wissenschaftsskepsis der Österreicher wundern. Aber mit „Hausverstand“ und „Freiwilligkeit“ alleine werden wir unsere vielfältigen Probleme nicht lösen können. Natürlich sind Erneuerbare Energien alternativlos, aber die einfachste Möglichkeit, das Energiesparen, wird noch immer nicht ausgeschöpft.

In Bezug auf die Biodiversitätskrise kann der beschriebene „Schein“ bei Arten- und Naturschutz, Naturverträglichkeit bzw. Nachhaltigkeit genauso beobachtet werden. Denn im Gegensatz zu einigen Aussagen in letzter Zeit, ist die Lösung zwar möglich, aber sicher nicht einfach. Auch ist der Naturschutz nicht das Problem in der Bekämpfung des Klimawandels, sondern das Verharren in unserem Lebensstil. Prof. Steurer erklärte in seinem Vortrag, dass das System so reformresistent ist, weil die Realität nicht immer das ist, was sie zu sein scheint. Denn Täuschung und Selbsttäuschung führen zu Schein-Klimaschutz. Wir setzen Ersatzhandlungen und glauben, wir würden Klimaschutz ernst nehmen. Wir lösen damit aber nicht das Problem, sondern beruhigen unser Gewissen um uns besser zu fühlen. Das zeigt sich auch darin, dass trotz Klimapolitik, die Treibhausgas-Emissionen trotzdem immer weiter steigen und das Problem global viel zu wenig ernst genommen wird. Schein-Klimaschutz gibt es aber auch bei uns.

Prof. Steurer zeigte auf, dass wir die Klimakrise seit Jahrzehnten versuchen psychologisch zu lösen, statt physisch und wies darauf hin, dass wir mit den „Märchen“ endlich aufhören müssen. Wir müssen die Klimarealität, den Ernst der Lage und das Problem anerkennen, dass wir mit unserem Lebensstil die Verursacher sind und dass wir das Problem nicht mit Schein-Klimaschutz verdrängen dürfen, auch wenn das psychologisch der einfachste und menschlichste Lösungsansatz ist, der aber in der Realität leider nicht funktioniert. Wir müssen daher Schein-Klimaschutz als unwirksam erkennen und überwinden um wirksamen Klimaschutz einzufordern. Wir können es schaffen, denn physisch ist es noch möglich, aber dazu brauchen wir „eine dramatische Kehrtwende“ in allen Bereichen der Politik. Dabei ist auch die Bevölkerung gefragt. Denn weder die Politik noch die Bevölkerung ist böse, sondern nur menschlich. Die Politik handelt so, weil sie dafür gewählt wird und die Bevölkerung hört natürlich lieber Angenehmes. Doch die Realität ist unangenehm und wir können die Probleme nur lösen, indem wir sie endlich annehmen statt zu verdrängen und nicht die Schuld bei Anderen suchen.

Dass auch Klima- und Artenschutz sich nicht gegeneinander ausspielen müssen und oft vieles zusammenhängt und umfassend Hand in Hand gehen kann, zeigt „im Kleinen“ der Artikel über den Wert alter Bäume.

Gishild Schaufler

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Kauf der Antheringer Au ist eine langfristige Investition in die Biodiversität

Salzachauen, Foto: Gishild Schaufler

Die Landesumweltanwaltschaft begrüßt den angekündigten Kauf der Antheringer Au durch das Land Salzburg, der noch im Oktober abgeschlossen werden soll und gratuliert der Naturschutz-Landesrätin Mag. Daniela Gutschi zu den Vertragsverhandlungen. Damit wird ein entscheidender Schritt für die biologische Vielfalt gesetzt. Denn durch den Wechsel vom privaten in öffentliches Grundeigentum fallen viele faktische Hindernisse bei der Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen weg, wodurch sich weitreichende Möglichkeiten zur Renaturierung der Salzach und ihrer Au ergeben.

Die LUA kann die Kritik über den Ankauf nicht nachvollziehen, denn die multiple Krise, in der wir uns befinden, kann nur umfassend gelöst werden und ein Verzicht auf den Kauf, um den sich das Land seit Jahrzehnten bemüht, wäre äußerst kurzsichtig und würde zudem auch die derzeitige Energiekrise und damit verbundene Teuerung nicht verbessern. Von den 37 Mio Euro für 500 ha werden 23 Mio Euro aus dem Resilienzfonds der EU finanziert. Dieses Geld in den Erhalt der Biodiversität zu investieren, zahlt sich langfristig und daher auch für die künftigen Generationen aus.

Um die multiple Krise zu bewältigen, müssen wir die Zusammenhänge berücksichtigen, wie auch die Vereinten Nationen mit ihren nachhaltigen Entwicklungszielen zeigen [1]. Dazu ist das Schüren von Zielkonflikten hinderlich. Vielmehr ist eine umfassende Lösungssuche notwendig unter Anerkennung und sachlicher Abhandlung der einzelnen vielfältigen, umfassenden und miteinander verknüpften Probleme. Denn Klimakrise, Artensterben, Ernährungssicherheit, Frieden und soziale Gerechtigkeit hängen zusammen.

Bei der Antheringer Au handelt es sich, genauso wie bei der angrenzenden Weitwörther Au, um ein seit 2001 an die EU-Kommission gemeldetes (aber leider noch nicht verordnetes) Natura-2000-Gebiet. Sie ist somit Bestandteil des kohärenten Netzes von Gebieten innerhalb der EU zum länderübergreifenden Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume [2]. International gesehen stellen die Salzachauen einen der artenreichsten Lebensräume im Bundesland Salzburg dar, es sind jedoch einige Maßnahmen zur Aufweitung der Salzach und Verbesserung von standorttypischen Auwald-Lebensräumen notwendig. Aufgrund des Jagdgatters mit unnatürlich hohem Wildschweinbestand ist derzeit ein Überleben EU-geschützter und vom Aussterben bedrohter Amphibien, wie Kammmolch und Gelbbauchunke, nicht möglich, da die Tiere von den Wildschweinen gefressen werden. Die durch die B 156 getrennten Populationen am Haunsberg bieten ein hohes Wiederbesiedlungspotenzial. Wie im Managementplan vorgesehen, ist eine Wiedervernetzung der Lebensräume beispielsweise mittels Grünbrücke zum Haunsberg wichtig.

Die LUA begrüßt daher den Kauf, die geplante Renaturierung und Aufweitung der Salzach sowie die Umsetzung von Natura 2000 an der unteren Salzach zum Erhalt der bedrohten Artenvielfalt. (gs)

[1] Vereinte Nationen, 2015: Transformation unserer Welt: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. https://www.un.org/Depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf

[2] https://natura2000.eea.europa.eu/Natura2000/SDF.aspx?site=AT3223000

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Revision gegen die Bewilligung des Kraftwerks Stegenwald

Salzach bei Stegenwald, Foto: Gishild Schaufler

Im gesamten Verfahren zum Wasserkraftwerk Stegenwald in der letzten freien Fließstrecke der mittleren Salzach wurde von den Amtssachverständigen immer wieder die herausragende Stellung des gegenständlichen Fluss-Abschnittes für die biologische Vielfalt betont. Hervorgehoben wurden bereits im Behördenverfahren die Einzigartigkeit in Bezug auf die letzte freie Fließstrecke der mittleren Salzach, die ökologisch-zoologische Höchstwertigkeit aufgrund der natürlichen Flussdynamik mit zahlreichen Kiesbänken und vielgestaltigem Uferverlauf und der besonderen Artengemeinschaft, die sich durch seltene und gefährdete Arten unterschiedlichster Tiergruppen auszeichnet, sowie die Unwiederbringlichkeit, weil die Uferabschnitte wahrscheinlich nie wieder ihre vollständige Diversität erreichen werden. Zu den Gründen unserer Beschwerde gegen den Behördenbescheid berichteten wir bereits in den LUA-Notizen 2/2021.

Im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht (LVwG), in dem nicht mehr der im Behördenverfahren von der Antragstellerin beantragte Sachverständige bestellt wurde, ergab die Beurteilung durch die gewässerökologische Amtssachverständige, dass auch der Bereich des Naturhaushaltes „unter Wasser“ bisher massiv unterbewertet worden war. Denn diese wies ebenfalls auf das „sehr hohe“ Interesse am Erhalt dieser letzten verbliebenen natürlichen Gewässerstrecke zwischen den beiden Stauketten der Mittleren Salzach und Hallein hin, in dem sich wieder ein gewässertypspezfischer Fischbestand etablieren kann und über den Abschnitt hinaus als Trittstein und Ausstrahlstrecke flussauf und flussab zu bewerten ist.

Durch das Gericht wurde zwar festgehalten, dass es unbestritten ohnehin zu gravierenden Eingriffen komme, das festgestellte außergewöhnlich hohe Interesse am Erhalt dieser letzten freien Fließstrecke aus ökologischer Sicht sowohl „über“ als auch „unter Wasser“ wurde aber in der Interessenabwägung trotzdem nicht entsprechend gewürdigt. Auch die im Gerichtsverfahren gerügten offensichtlichen Erhebungsmängel zum Artenschutz wurden nicht berücksichtigt. Insbesondere wurde das Vorbringen der LUA zur Haselmaus einfach als „unsubstantiiert“ abgetan und von einer Prüfung abgesehen. Dies aber obwohl das Vorkommen in der Nähe des Projektgebiets in der Biodiversitätsdatenbank am Haus der Natur eingetragen war und obwohl die zoologische Amtssachverständige in der Verhandlung bestätigte, dass es keine spezifischen Erhebungen zur Haselmaus gegeben hat, dafür aber gesonderte Vorrichtungen notwendig wären und nicht davon auszugehen ist, dass eine Haselmaus bei den Erhebungen zu den anderen Arten zufällig angetroffen wird. Umso schlimmer ist es, dass das Vorkommen der Haselmaus im Projektgebiet Ende Juli 2022 bestätigt und samt Fotobeleg in die Biodiversitätsdatenbank aufgenommen wurde.

Ende August erhob die LUA sodann Revision gegen das LVwG-Erkenntnis, da es sich hier um ein wirklich außergewöhnlich hohes und durch die Amtssachverständigen des Landes Salzburg bestätigtes „extrem hohes“ Interesse am Erhalt der letzten freien Fließstrecke der mittleren Salzach handelt. Die Pressemitteilung von Verbund und Salzburg AG, die in der Salzburger Wirtschaft vom 09.09.2022 (S. 8) abgedruckt wurde und der LUA eine „Fundamentalablehnung gegenüber unverzichtbaren Energieprojekten“ unterstellt, spricht zudem von einem positiven Beitrag für die Biodiversität, die aufgrund der eindeutigen gegenteiligen Feststellungen im Verfahren sachlich nicht nachvollziehbar ist. Zudem ist die Darstellung der langen Verfahrensdauer seit 2010 und weiteren Verzögerungen irreführend, haben doch die Projektwerber ihr eigenes Projekt zwischenzeitlich wegen Unwirtschaftlichkeit nicht mehr weiterverfolgt und erst später wieder aufgenommen. Die LUA wurde vom gegenständlichen naturschutzrechtlichen Verfahren erst im März 2020 mit der Anberaumung der mündlichen Verhandlung durch die Behörde verständigt. Auch die Aussage des Chefredakteurs in seinem Kommentar (S. 8) „Das Argument der Landesumweltanwältin Schaufler lautet jedoch: Die Energiekrise sei zweitrangig.“ ist einfach falsch und irreführend, denn das wurde von der LUA nie gesagt, ganz im Gegenteil wurde immer auf die multiplen Krisen und Gleichrangigkeit der vielfältigen Probleme und einer umfassenden Lösungssuche ohne Ausblendung der jeweiligen anderen Krise hingewiesen (siehe Editorial der LUA-Notizen 1/2022, 4/2020).

Aber genau die auch in der Salzburger Wirtschaft zitierte notwendige Rücksichtnahme auf das Thema Biodiversität beim Ausbau der erneuerbaren Energie, auf die man sich in Österreich und der EU verständigt habe, ist leider nicht immer bzw. überall einfach nur mit dem „richtigen Projektdesign“ möglich. Denn trotz der positiven Entwicklung zur Notwendigkeit ökologischer Begleitmaßnahmen, können durch diese die Hindernisse der Durchgängigkeit durch Querbauwerke und die Reduktion der Dynamik des Fluss-Lebensraums durch Aufstau nicht vermieden werden. Bereits derzeit werden im Bundesland Salzburg Bäche und Flüsse durch ca. 500 Wasserkraftanlagen genutzt, daneben gibt es immer noch viele neue Projekte, die von der LUA auch großteils nicht beeinsprucht werden. Aber auch angesichts der großen Bedrohungen bleibt es notwendig, gewisse – letzte noch ungenutzte – Bereiche auszusparen, wenn der Standort aufgrund seiner Höchstwertigkeit, Unwiederbringlichkeit und Wichtigkeit für die weiteren Strecken flussauf und flussab einfach zu kritisch ist, wie in Stegenwald.

Im Verfahren geht es ja auch gerade nicht um eine allgemeine Abwägung bzw. grundsätzliche Höherbewertung entweder der Klima- bzw. Energiekrise oder der Biodiversitätskrise, sondern um eine gesetzlich vorgesehene Interessenabwägung im Einzelfall. Diese ist auf das jeweilige spezifische Projekt und seine Auswirkungen abzustellen, daher müssen die nicht vermeidbaren Eingriffe mit ihren Auswirkungen und somit das damit verbundene öffentliche Interesse am Naturschutz zur Nichtumsetzung des Projekts auf der einen Seite mit dem (hier energiewirtschaftlichen) Nutzen und seinem Ausmaß und dem damit verbundenen öffentlichen Interesse an der Erzeugung erneuerbarer Energie auf der anderen Seite abgewogen werden.

Hätte sich das Gericht mit den oben angeführten Punkten auseinandergesetzt, so hätte es zu dem Schluss kommen müssen, dass hier ein amtssachverständig festgestelltes, außergewöhnlich hohes Interesse am Erhalt der letzten freien Fließstrecke der mittleren Salzach besteht und dieses nicht per se durch das Interesse an der Erzeugung von Energie aus Wasserkraft überwogen werden kann. Denn in Zeiten der multiplen Krise dürfen das Artensterben nicht einfach ausgeblendet und der Energiekrise die letzten hochwertigen Lebensräume geopfert werden, die für unsere Lebensgrundlage genauso essentiell sind. Unter all diesen Umständen und unter Bedachtnahme der gesetzlichen Aufgaben der LUA, wäre es gerade in diesem Fall unverantwortlich gewesen, keine Revision zu erheben, nachdem sich auch die NGOs nicht freiwillig zurückgezogen haben, sondern wegen Fristversäumnissen aus den Verfahren „geflogen“ sind.

Wenn die im Naturschutzgesetz vorgesehene Abwägung nicht nur eine rein formale mit bereits vorprogrammiertem Ausgang sein soll, kann die Wichtigkeit des Erhalts der letzten freien Fließstrecke nicht einfach ignoriert werden. Die Hochwertigkeit dieser Strecke wurde bereits seit den 1990er Jahren durch die GUS (Gesamtuntersuchung Salzach) bestätigt, die durch das ÖIR (Österreichische Institut für Raumplanung) im Auftrag der Salzburger Landesregierung durchgeführt wurde und nach dem damaligen Landeshauptmann, Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Präsident der Arbeiterkammer, Umweltanwalt und Vorstandsdirektor der Tauernkraftwerke AG ein in seiner Größenordnung und Bedeutung besonderes, wissenschaftliches Gemeinschaftsprojekt darstellte. Zum Abschnitt Tenneck – Luegwinkel wurden darin Voruntersuchungen von SAFE und TKW zur Nutzung der Wasserkraft erwähnt. „Allerdings werden diese Projektideen aufgrund der Ergebnisse der auf die Naturraumausstattung und -qualität ausgerichteten GUS-Untersuchungen wegen des großen Konfliktpotentials, das sich abgezeichnet hat, nun nicht mehr weiter verfolgt.“ [1]

Auf die Ergebnisse der GUS wiesen auch 2009 zahlreiche Organisationen (LUA, Fischereiverband, Naturschutzbund, Alpenverein, Naturfreunde, Plattform gegen Atomgefahren, Umweltreferat der Erzdiözese Salzburg) in ihrem Memorandum zur Salzach bei Stegenwald hin, zu dessen Gültigkeit sie sich auch im September 2022 wieder bekannten (siehe dazu folgenden Artikel). (gs)

[1] Österreichisches Institut für Raumplanung (1996): GUS – Gesamtuntersuchung Salzach – Gesamtübersicht und Kurzfassungen der Teiluntersuchungen der Teile A „Basisuntersuchung“ und B „Regionalstudie“, Wien. Bericht im Auftrag der Salzburger Landesregierung.

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Internationaler Tag der Flüsse am 25.09.2022 – Bestätigung der Gültigkeit des Memorandums zur Salzach bei Stegenwald

Salzach bei Stegenwald, Foto: Hannes Augustin

Zum Internationalen Tag der Flüsse (am 4. Sonntag im September) erinnerten heuer Umweltanwaltschaft, Fischereiverband, Naturschutzbund, Naturfreunde, Alpenverein, Plattform gegen Atomgefahren und Umweltreferat der Erzdiözese Salzburg an ihr Memorandum zur Salzach bei Stegenwald aus dem Jahr 2009 und bekräftigten seine Gültigkeit.

Denn an der besonderen Wertigkeit dieses letzten verbliebenen frei fließenden Gewässerabschnitts und am besonderen Wert dieses Bereichs der Salzach, der einzigartig ist, hat sich nichts geändert. Die Wichtigkeit der Vermeidung weiterer Verschlechterungen des Gewässerzustands, dessen Schutz und die Notwendigkeit von Verbesserungen stehen auch im Einklang mit der Wasserrahmenrichtlinie.

Flüsse sind unersetzliche Lebensadern für den Menschen und seine Umwelt. Sie versorgen uns mit Wasser und Energie. Aber daneben sind sie auch selbst voller Leben. Naturnahe, dynamische und vernetzte Fließgewässer sind Lebensraum für viele Arten, sie wirken sich positiv auf das lokale Klima und den Wasserhaushalt aus. Somit sind sie unverzichtbar für den Erhalt der biologischen Vielfalt sowie wichtiger Bestandteil notwendiger Strategien zur Anpassung an den Klimawandel.

Gerade in Österreich sind die meisten Flüsse verbaut, reguliert und für die Energiegewinnung aufgestaut. In Salzburg sind ca. 500 Wasserkraftanlagen in Betrieb, mit 4.300 GWh liefern sie ca. 88% der gesamten Stromproduktion in Salzburg und sind damit unser wichtigster Energielieferant. Der Ertrag kann durch Effizienzsteigerungen an bestehenden Kraftwerken noch weiter optimiert werden.

Doch trotz ökologischer Verbesserungen bei der Wasserkraftnutzung bleibt die Erkenntnis, dass der Wert natürlicher Gewässer als Lebensgrundlage auch für den Menschen nicht ersetzbar ist. Denn frei fließende Flüsse sind widerstandsfähiger, sauberer und artenreicher als unterbrochene und aufgestaute Gewässer. Deshalb ist der Erhalt der letzten verbleibenden freien Fließgewässerstrecken gerade angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise erforderlich.

Seit Jahrzehnten treten unterschiedliche Interessengruppen dafür ein, den Schutz und die Nutzung der Gewässer soweit wie möglich in Einklang zu bringen, wofür auch eine ausgewogene Kosten-Nutzen-Abwägung notwendig ist, die den Wert der letzten freien Fließstrecken für viele Arten, aber insbesondere auch für den Menschen würdigt.

Die unterzeichnenden Organisationen bekannten sich daher auch 2022 zum internationalen Tag der Flüsse zu ihrem Memorandum zur Salzach bei Stegenwald aus dem Jahr 2009. (gs)

Download: Zum Internationalen Tag der Flüsse am 25.09.2022 - Erinnerung an das Memorandum zur Salzach bei Stegenwald 

 

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UVP-G-Novelle – gemeinsame Stellungnahme der neun Umweltanwält*innen Österreichs

Am 19.09.2022 endete die Begutachtungsfrist für den Novellierungs-Entwurf zum UVP-G, zu dem die Umweltanwält*innen Österreichs eine gemeinsame Stellungnahme verfassten. Darin begrüßten sie grundsätzlich einerseits notwendige Anpassungen aufgrund anhängiger EU-Vertragsverletzungsverfahren sowie höchstgerichtlicher Judikatur und andererseits Verbesserungen hinsichtlich der Erfordernisse des Klimaschutzes sowie der Reduktion des Bodenverbrauchs.

Daneben sollte der Entwurf insbesondere den Ausbau der Windkraft beschleunigen und die Verfahrenseffizienz steigern. Dabei liegt der Fokus jedoch auf der Energiewende ohne den notwendigen Schutz der Biodiversität ausreichend zu berücksichtigen. Eine Verfolgung der Energiewende unter Ausblendung des Artensterbens lehnen aus fachlichen Gründen sowohl die österreichischen Umweltanwaltschaften als auch die NGOs in ihren zahlreichen Stellungnahmen ab. Denn die Biodiversitätskrise ist in ihrem Ausmaß und in ihrer Bedrohung für unsere Lebensgrundlage zumindest gleich relevant. Sie verschlimmert sich aber, wenn das Augenmerk einseitig immer weiter und stärker nur auf die Energiekrise gelenkt wird.

In den Erläuterungen zum Novellierungs-Entwurf wurde zu den Verfahrenseffizienz-Bestimmungen auf die im Herbst 2021 eingerichtete Arbeitsgruppe Verfahrenseffizienz verwiesen, an der auch die österreichischen Umweltanwält*innen (vertreten durch die LUAs Steiermark und Tirol) beteiligt waren. Einige dort diskutierte Ansätze wurden aber trotzdem in den Entwurf übernommen, obwohl diese in der Arbeitsgruppe kritisch beurteilt worden waren und dazu kein Konsens aller Mitglieder gefunden werden konnte. Zusätzlich werden die anderen Verfahrensparteien zu Unrecht und entgegen der UVP-Berichte für die lange Dauer von UVP-Verfahren verantwortlich gemacht und zur Verfahrensbeschleunigung hauptsächlich deren Rechtsschutz im Umweltverfahren eingeschränkt bzw. erschwert.

Für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen soll zudem die Möglichkeit geschaffen werden, diese bereits als reines Konzept zu bewilligen und die Konkretisierung in ein nachgelagertes Verfahren zu verschieben. In Anerkennung der Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit der Biodiversitätskrise kann dies aber keinesfalls mitgetragen werden. Gerade Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, von denen die Umweltverträglichkeit eines Projekts abhängig ist, müssen jedenfalls vor der Bewilligung inhaltlich geprüft und abgesichert sein. Eine Verlagerung auf spätere Verfahren wäre somit systemwidrig und jedenfalls in Bezug auf EU-rechtliche Vorgaben zum Arten- und Gebietsschutz (FFH- und VSch-RL) auch klar EU-rechtswidrig

Zusammenfassend sehen die österreichischen Umweltanwält*innen eine Reihe von Problemen, die mit dem vorliegenden Entwurf zur UVP-G-Novelle einhergehen, weshalb dringend zu einer Überarbeitung geraten wurde. Dies betrifft insbesondere die überschießenden Präklusionsbestimmungen, den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden und die Regelung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen mit Verlagerung in nachfolgende Verfahren. Dies alles führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, weshalb dadurch weder eine Verfahrensbeschleunigung noch Rechtsfrieden und auch kein angemessener Ausgleich der Interessen zu erwarten ist. (gs)

Download: Gemeinsame Stellungnahme der Umweltanwält*innen Österreichs zur UVP-Novelle 2022

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Green vs. Green Konflikt - Die Errichtung von Windkraftanlagen in Gebirgslagen und der Artenschutz

(c) Kristina Aigner

Ergebnisse aus dem diesjährigen Praktikum von Kristina Aigner

Anlässlich der geplanten Ausweisung von Windvorrangzonen im Bundesland Salzburg möchte ich, Kristina Aigner, einen Überblick über den Konflikt zwischen der Errichtung von Windkraftanlagen im Gebirge und dem Artenschutz von Vögeln und Fledermäusen geben. Im Zuge meines Praktikums bei der LUA habe ich mich ausführlich mit diesem Thema beschäftigt und ein Literaturverzeichnis im Umfang von über 100 Dokumenten zusammengestellt und werde nun auf die wichtigsten Punkte kurz eingehen.

Rechtliche Grundlagen

Als rechtliche Grundlage gelten für diese Tiere die FFH-RL und VSch-RL nach denen es unter anderem verboten ist wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten zu verletzen oder zu töten. Dies wird nach aktueller Rechtsprechung des EuGH so ausgelegt, dass der Artenschutz für alle Vogelarten gilt (unabhängig von ihrer Bestandssituation) und eine Absichtlichkeit für die Auslösung des Verbotstatbestandes auch dann gegeben ist, wenn die Tötung eines Individuums einer geschützten Art zumindest in Kauf genommen wurde. Das artenschutzrechtliche Tötungsverbot muss also auf Ebene der Individuen geprüft werden, eine negative Wirkung auf den Erhaltungszustand der betreffenden Art ist für die Auslösung des Verbots selbst nicht maßgeblich und erst im artenschutzrechtlichen Ausnahmeverfahren zu beurteilen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Mortalitätsrisiken abzuschätzen und die Planung einzelner Vorhaben einer genauen Prüfung zu unterziehen (Bernotat & Dierschke, 2021a).

Studien zu Kollisionsopferzahlen

Bekannt ist, dass Vögel und Fledermäuse in bereits bestehenden Windparks regelmäßig von den Rotorblättern erfasst werden und diese Kollisionen nicht überleben. Dazu gibt es eine Datenbank, welche die Funde von Schlagopfern innerhalb der EU dokumentiert (Dürr, 2022a). Daraus und aus vielen weiteren Studien (u.a. Dürr & Langgemach, 2006; De Lucas et al., 2012; Wegscheider, 2019) geht hervor, dass Greifvögel die am häufigsten betroffene Tiergruppe sind. Die Daten stammen überwiegend aus Windparks, welche in Tieflagen errichtet wurden. Daten aus Gebirgslagen sind selten, vermutlich auch deshalb, weil es noch nicht viele Anlagen in dieser Höhenstufe gibt. Dennoch zeichnen sich bereits einige Risiken und Probleme ab. So konnten De Lucas et al. (2008) nachweisen, dass die Zahl der kollidierten Greifvögel nicht nur mit der Turbinenhöhe zunimmt, sondern auch mit der Höhenlage des Standortes – in Gebirgslagen sind demnach höhere Kollisionsopferzahlen zu erwarten.

Mortalitätsgefährdung und Habitatverlust im Alpinen Raum:

Greifvögel

Die Alpen sind unter anderem Lebensraum von Steinadler und Bartgeier, bei welchen man, da es sich um Greifvögel handelt, von einer sehr hohen Mortalitätsgefährdung an Windenergieanlagen ausgehen kann. Hinzu kommt, dass diese Arten als langlebige Tiere, welche sich erst spät fortpflanzen und nur wenige Nachkommen pro Jahr haben, anthropogen bedingte Verluste nur schwer kompensieren können und sich damit negative Effekte auf die Gesamtpopulation ergeben (Index-Berechnungen nach Bernotat & Dierschke, 2021b; Watson, 2018). Im Zuge der Wiederansiedelung von Bartgeiern in den Alpen wurden dutzende Tiere besendert. Auswertungen der GPS-Daten aus den Schweizer Alpen ergaben, dass diese großen Greifvögel sehr oft unter 200 Metern über dem Boden flogen und sich damit im Kollisionsbereich der Rotoren befanden (Vignali et al. 2022).

Nicht nur Kollisionsmortalität, sondern auch Habitatverlust und Verdrängung können sich negativ auf Populationen, vor allem seltener oder gefährdeter Arten, auswirken. Das Verhalten von Greifvögeln spielt eine große Rolle für die Auswirkung von Windenergieanlagen auf diese Tiergruppe, weshalb man Standorte solcher Anlagen mit Bedacht wählen sollte, um Eingriffe in ihre Lebensräume grundsätzlich zu vermeiden (Watson, 2018).

Raufußhühner

Eine weitere betroffene Tiergruppe sind die Raufußhühner. Die Kollision mit Rotorblättern ist hier unwahrscheinlicher, sie kollidieren vor allem mit den Türmen der Anlagen. Coppes et al. (2020) fassten die Ergebnisse von 15 Studien über sieben Arten zusammen. Darin finden sich Berichte über Verhaltensreaktionen auf Windkraftanlagen, wie räumliche Meidung und Verschiebung von Balz- oder Nistplätzen. In sechs Fällen wurde in Gebieten mit Windkraftanlagen ein lokaler Rückgang der Raufußhuhn-Abundanz beobachtet. Grundsätzlich reagieren diese Tiere empfindlich auf von Menschen verursachte Störungen (Baulärm, Tourismus etc.), wodurch es zu Brutausfällen oder zur Aufgabe von traditionellen Balzplätzen kommen kann (Brunner & Friedel, 2019). Unter anderem deshalb ist nicht nur der Betrieb von Windkraftanlagen zu beachten, sondern auch die damit verbundene Errichtung von Infrastruktur, unter anderem von Verkehrswegen für den Schwertransport. Auch hier ergibt sich daher die Wichtigkeit der geeigneten Standortwahl.

Fledermäuse

Die von Windkraftanlagen verursachten Fledermausopfer sterben nicht nur aufgrund einer Kollision, sie können auch ein Barotrauma erleiden, wenn sie sich zu nahe an Windkraftanlagen heranwagen. Dabei entstehen Gewebeschäden durch den sich ändernden Umgebungsdruck in Rotornähe, woran die Tiere schließlich verenden. Neben anlagenbedingter Mortalität werden Fledermäuse auch durch Störung und Habitatbeeinträchtigung oder -verlust negativ beeinflusst (Rodrigues et al., 2016). Laut der europaweiten Datenbank für Fledermausopfer an Windkraftanlagen (Dürr, 2022b) sind Vertreter der Gattungen Nyctalus, Eptesicus und Pipistrellus am häufigsten betroffen. Einige Arten dieser Gattungen wurden auch in Gebirgslagen nachgewiesen und ihre hohe Aktivität an diesen Standorten (Widerin & Jerabek, 2014; Widerin & Reiter, 2017, 2018) führt zu einer Gefährdung bei der Errichtung von Windkraftanlagen ebendort (Zahn et al. 2014). Grundsätzlich wurde festgestellt, dass an bewaldeten Hügeln und Höhenzügen, aber auch an flachen Hügelzügen, entlang von Zugrouten oder in Quartiernähe ein hohes Konfliktpotenzial besteht (Zahn et al. 2014). Die Daten der zuvor zitierten Studien im Gebirge deuten auf einen stattfindenden Fledermauszug über die Alpen und geänderte Aktivitätsmuster in Höhenlagen hin (Traxler, 2015). Beides muss bei Planungen zukünftiger Projekte unbedingt bedacht werden (KFFÖ, 2022).

Insekten

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch kleine Tiere an den Rotorblättern verunglücken. Die geschätzte Insektenbiomasse, welche jährlich an Windturbinen verloren geht, beträgt in Deutschland 1200 Tonnen – eine schockierende Zahl, wenn man die Masse der einzelnen Individuen bedenkt. Der damit verbundene Rückgang von Insekten zieht auch Effekte auf insektenfressende Arten und auf die Bestäubung von Pflanzen nach sich (zitiert nach Voigt, 2021). Manche Arten kommen nur in kleinen und lokalen Populationen vor, weshalb die Errichtung einer Windkraftanlage in diesen Bereichen einen großen Effekt auf diese Insekten hätte. Daten über die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Insekten, speziell bezogen auf die Standortwahl, sind aktuell noch nicht erhoben (Voigt, 2021), weshalb eine konkretere Vorhersage, vor allem in Bezug auf Gebirgslagen, schwierig ist.

Vermeidung vor Verminderung von negativen Auswirkungen auf den Artenschutz

Wie oben mehrfach erwähnt, ist die Standortwahl das zentrale Instrument für die Minimierung von negativen Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Vögel und Fledermäuse. Diese negativen Auswirkungen hängen grundsätzlich von artspezifischen, ortspezifischen und anlagebedingten Faktoren ab (Müller et al., 2015; Marques et al., 2014). Sie können zwar durch eine Reihe von Maßnahmen und deren Kombination situationsspezifisch abgeschwächt werden (Müller et al., 2015), jedoch erfolgt dadurch nur eine Reduktion der Schlagopferzahlen. Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass bei Wahl eines ungeeigneten Standortes die Tötung von Vögeln und Fledermäusen in Kauf genommen wird und selbst Minderungsmaßnahmen in diesem Fall nicht ausreichend sein werden um Kollisionen zu vermeiden. Der Klimaschutz darf jedenfalls nicht die Vernachlässigung des Artenschutzes rechtfertigen.

Kristina Aigner, MSc

 

LITERATUR:

Bernotat, D. & V. Dierschke (2021a): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen – Teil I: Rechtliche und methodische Grundlagen, 4. Fassung, Stand 31.08.2021.

Bernotat, D. & V. Dierschke (2021b): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen – Teil II.3: Arbeitshilfe zur Bewertung der Kollisionsgefährdung von Vögeln an Windenergieanlagen (an Land), 4. Fassung, Stand 31.08.2021.

Brunner, H., & T. Friedel (2019): Windkraft und Birkhuhnschutz: Fortbestand und Raumnutzung des Birkhuhns in ostalpinen Windparks. Naturschutz und Landschaftsplanung 51(12): 584-589.

Coppes, J., V. Braunisch, K. Bollmann et al. (2020): The impact of wind energy facilities on grouse: a systematic review. J Ornithol 161. doi.org/10.1007/s10336-019-01696-1

De Lucas, M., G.F.E. Jans, D.P. Whitfield & M. Ferrer (2008): Collision fatality of raptors in wind farms does not depend on raptor abundance. Journal of Applied Ecology 45. doi.org/10.1111/j.1365-2664.2008.01549.x

De Lucas, M., M. Ferrer, M. J. Bechard & A. R. Muñoz (2012): Griffon vulture mortality at wind farms in southern Spain: Distribution of fatalities and active mitigation measures. Biological Conservation Vol. 145/1.

Dürr, T. & T. Langgemach (2006): Greifvögel als Opfer von Windkraftanlagen (Wind turbines as a mortality factor for birds of prey). Populationsökologie Greifvogel- und Eulenarten 5.

Dürr, T. (2022a): Vogelverluste an Windenergieanlagen. Daten aus der zentralen Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt Brandenburg. (Abgerufen am 01.08.2022)

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Rodrigues, L., L. Bach, M.-J. Dubourg-Savage, B. Karapandza, D. Kovac, T. Kervyn, J. Dekker, A. Kepel, P. Bach, J. Collins, C. Harbusch, K. Park, B. Micevski, J. Mindermann (2016): Leitfaden für die Berücksichtigung von Fledermäusen bei Windenergieprojekten – Überarbeitung 2014.

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Über den Wert alter Bäume

Alter Baum, Foto: Gishild Schaufler

Bäume und die Transzendenz

Heilige „Weltenbäume“ kommen in fast allen Mythologien verschiedenster Völker vor. Vom germanischen Weltenbaum Yggdrasil, dem Isched-Baum im Alten Ägypten, dem Heiligen Baum von Eridu bei den Babyloniern und Sumerern, dem Asvattha-Baum der Inder, dem Sidra-Baum im Islam, etc. [1], Buddhas Baum der Erleuchtung bis hin zu Bäumen der Bibel wie z.B. dem Paradiesbaum [2]. Weil sie Unterwelt, Erde und Himmel miteinander verbinden, mögen sie als Projektionsfläche für Transzendenz-Vorstellungen dienen. Sie faszinieren uns Menschen vermutlich aber auch deshalb, weil sie sowohl Zeugen der fernen Vergangenheit sind, als auch einmal solche der fernen Zukunft werden. Dass sie uns um ein Vielfaches überleben können, stillt möglicherweise ein wenig unsere Sehnsucht nach Unendlichkeit. Wohl aus diesen und anderen Gründen gibt es auch heutzutage einen Trend zu Bestattungen unter Bäumen auf sog. Waldfriedhöfen. Große alte Bäume haben jedenfalls ordentlich „Charisma“. Im Bundesland Salzburg sind von den 205 verzeichneten Naturdenkmälern mehr als die Hälfte „besondere“ Bäume, von denen die meisten durch ihr hohes Alter und ihre besondere Wuchsform zur Landschaftsästhetik beitragen [3].

Bäume und die messbaren Ökosystemdienstleistungen

Naturwissenschaftlich viel leichter messbar oder modellierbar als die spirituelle und ästhetische Bedeutung ist der Einfluss von Bäumen auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden: Neben ihrer tragenden Rolle für das lokale und globale Klima, CO2-Speicherung, Sauerstoffproduktion und Wasserkreisläufe, bieten Wälder Schutz, z.B. vor Lawinen und Bodenerosion. Bäume versorgen uns nicht nur mit wertvollen und nachhaltigen Ressourcen wie Holz und Lebensmittel, sie filtern auch gesundheitsschädlichen Feinstaub aus der Luft (zum Vergleich: ein ausgewachsener Laubbaum bindet mehr Staub und regeneriert mehr Luft als 15.000 m² Rasen, filtert pro Jahr eine Tonne Staub, Bakterien und Pilzsporen aus der Luft und verhindert jährlich den Abfluss von 70.000 Liter Wasser). Bäume machen das Mikroklima angenehm bzw. erträglich, weshalb mehr, und vor allem große, alte Bäume in den Städten der Zukunft angesichts des voranschreitenden Klimawandels unentbehrlich werden. Eine Studie im Auftrag des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) zeigt recht anschaulich, dass an Hitzetagen Grünflächen mit Bäumen im Schnitt um 11°C kühler sind als versiegelte Flächen in Städten, und das ganz ohne energiefressende Klimaanlagen. Nicht nur ältere und vulnerable Menschen leiden unter hohen Temperaturen (die durch Hitze reduzierte Lebenserwartung ist leider messbar), auch die Leistungsfähigkeit jüngerer und gesünderer Menschen sinkt beträchtlich [4]. Gerade in Zeiten wie diesen müssen wir zunehmend erkennen, dass Ökosystemleistungen nicht immer bzw. eigentlich immer weniger durch Erdölleistungen ersetzt werden können.

Abgesehen von den vielen positiven Funktionen der Bäume für uns Menschen, ist vielen kaum bewusst, dass Bäume für andere Organismen überlebenswichtig sind, indem sie wertvolle Lebensräume bieten. Eine Eigenschaft, die insbesondere im Zeitalter des Artensterbens immer mehr an Bedeutung gewinnt. Wichtig in diesem Zusammenhang: je älter ein Baum ist, desto mehr hat er erlebt und desto mehr sog. „Baummikrohabitate“ (engl.: tree microhabitats) weist er deshalb auf. Dies sind kleine abgrenzbare Höhlen, Risse, oder andere Strukturen, die durch Verletzungen, Wucherungen oder sonstige Ereignisse (Blitzeinschläge, Brände, Viren, ...) im Laufe des Baumlebens entstanden sind.  Bis zu 47 solcher Baummikrohabitate werden im Taschenführer von Bütler et al. (2020) beschrieben, die verschiedenen Nutznießern wie Fledermäusen, Kleinsäugern, Vögeln, aber natürlich auch Insekten, Spinnen und noch kleineren Lebewesen wie Springschwänzen, Fadenwürmern, Geißeltierchen etc., und auch Flechten und Pilzen speziellen Lebensraum bieten [5, 6]. Leider sind diese Arten von Lebensräumen jedoch noch untererfasst bei Biodiversitäts-Kartierungen und werden auch sonst noch viel zu wenig wahrgenommen.

Wenn Sie jetzt z.B. noch nicht wissen, was eine „Mulmhöhle“ oder ein „Dendrotelm“ sein soll, dann laden Sie sich am besten gleich das oben genannte Taschenbuch von folgendem Link herunter: Taschenführer der Baummikrohabitate (2020).

Auch die natürliche Verbreitung und der jeweilige Standort sind wichtig für den ökologischen Wert von Bäumen. So weisen heimische Baumarten eine höhere Anzahl an Tier- und Pflanzenarten auf als vom Menschen neu eingebürgerte Baumarten. Das erklärt sich durch die gegenseitige Beeinflussung im Laufe ihrer Jahrtausende (bis Millionen Jahre) langen Evolution, bei der es zu einer sog. „Ko-Evolution“ von Arten kam, also einer speziellen gegenseitigen Anpassung. An mitteleuropäischen Eichen konnten beispielsweise bis über 1.000 Käferarten und fast 180 Großschmetterlingsarten nachgewiesen werden [7]. Diesen Aspekt sollte man daher bei der Auswahl von „klimafitten“ Baumarten keinesfalls vergessen und daher nach Möglichkeit heimischen und standortsangepassten Bäumen den Vorzug geben.

Alte Bäume und die Leistungsfähigkeit

Bei all den Benefits eines Baumes für uns und die Natur ist im Auge zu behalten: das Alter des Baumes ist entscheidend. Bis ein frisch gepflanzter Baum das gleiche Ausmaß an Ökosystemdienstleistungen und Vorteilen für das Mikroklima wie ein alter Baum erbringen kann, vergehen viele Jahre. Eine hundert Jahre alte Buche (was aus Buchenperspektive noch recht jung ist) ersetzt u.U. bis zu 2000 Jungbäume [8]!

Bäume könnten theoretisch sehr alt werden. In unseren Breiten würden Bergahorn und Buche bis zu 500 Jahre alt werden, bis zu 600 Jahre alte Exemplare wurden bei Fichte, Föhre und Tanne beobachtet, die Lärche kann bis zu 800 und die Eiche sogar bis zu 900 Jahre erreichen, aber die absoluten Spitzenreiter bei uns finden wir bei Eibe, Linde und Zirbe, die mit respektablen 1000 Jahren aufwarten können [9]. Ganz zu schweigen von der fast 5000 Jahre alten Metuselah (Pinus longaeva) im Inyo National Forest im US-Bundesstaat Nevada.

Warum Bäume nicht alt werden dürfen

Forstrentabilität

Hierzulande erreichen Bäume leider äußerst selten ihr mögliches Höchstalter, sowohl in der Forstwirtschaft, als auch in privaten Gärten und öffentlichen Parks. Im Forst weisen nur 10% der Waldbäume ein Alter von über 140 Jahren auf, was angesichts des möglichen Höchstalters (s.o.) nicht viel ist. Mehr als die Hälfte des Salzburger Wirtschaftswaldes besteht aus Bäumen unter 60 Jahren [10]. Dies korreliert mit der übermäßigen Bevorzugung der schnellwüchsigen Fichte, die die sog. „Hiebsreife“ schon mit 60 Jahren erreicht [11]. Als profitabler Trendbaum der letzten Jahrzehnte macht sie heutzutage rund 50% des Baumbestandes aus [12]. Angesichts des Klimawandels mit einhergehenden Extremwetterereignissen und Käferplagen bemüht man sich aber zunehmend um Aufklärung: weg von krankheitsanfälligen Fichten-Monokulturen in standörtlich ungeeigneten Tieflagen, hin zu stabileren Mischwäldern mit auch langsamer wachsenden Arten, die länger bis zur Ernte brauchen dürfen [13].

Überbewertung des Haftungsrisikos bei Schäden durch Bäume

Negativ auf das Alter von Bäumen wirkt sich neben forstwirtschaftlich-ökonomischen Überlegungen aber auch die Angst vor Haftung bei Schäden, verursacht durch Bäume aus. Die Plattform „Österreichische Baumkonvention“ kam im Rahmen einer Studie zu dem Ergebnis, dass auf Grund vorauseilender Sicherheitserwägungen fast ein Viertel aller Bäume von sog. “Angstschnitten“ betroffen ist, häufig durch Überbewertung des Haftungsrisikos. Die Initiative, aber auch die Landesumweltanwaltschaften haben deshalb zum Ziel, den Baum- und Waldbestand vor überschießenden haftungsbedingten Fällungen zu schützen. Zum einen soll das Bewusstsein hinsichtlich Eigenverantwortung in der Bevölkerung gestärkt werden, bspw., dass man bei Sturmwarnung nicht unter einem morschen Baum Zuflucht suchen soll (so wie man unter solchen Umständen auch in keinen Wald gehen würde). Aber auch Gesetzesänderungen bei Haftungsfragen werden angestrebt: Bäume sollten wie Naturgebilde behandelt werden und nicht Gebäuden mit all ihren berechenbaren Sicherheitsbestimmungen gleichgesetzt werden [14, 15, 16].

Baumwertberechnungsmethoden

Auch bei der Berechnung von Schadensersatzansprüchen (also, wenn ein Baum beschädigt oder zerstört wird), kommt es zu einer Wertminderung eines Baumes, sobald er ein Optimalalter überschritten hat. Das gängige und vor Gericht anerkannte Sachwertverfahren „Methode Koch“ berücksichtigt zwar neben Entstehungskosten des Gehölzes durchaus auch Faktoren bezüglich des Wohlbefindens für Natur und Mensch, die mit dem Alter des Baumes abhängige Zunahme an Ökosystemleistungen für die Biodiversität wird jedoch nicht bewertet [17].

Interessante alternative Methoden zur Baumwertschätzung wurden mit Hilfe von spezieller Software entwickelt, z.B. das frei verfügbare i-Tree [18]. Dieses in den USA entwickelte und bereits auch für den deutschen Raum adaptierte Programm verwertet Baumkatasterdaten, die mit im Gelände erhobenen Daten (Baumart sowie Brusthöhendurchmesser BHD als Annäherungswert für die Baumhöhe und das Baumalter) sowie Klimadaten kombiniert werden. Neben der Modellierung von Ökosystemleistungen und der Übersetzung des Baumwertes in Geldeinheiten liefert die Software auch Empfehlungen für standortgerechte und z.B. trockenheitsresistente „Baumarten der Zukunft“.  Dadurch können städteplanerische Entscheidungen hinsichtlich klimaangepasstem Stadtbaummanagement erleichtert werden [19]. Aber auch hier liegt der Fokus auf Ökosystemleistungen für den Menschen (Klimaregulation, Schatten, Schadstofffilterung, ...), die natürlich äußerst wichtig sind. Die zahlreichen Biodiversitätsleistungen altgewachsener Stadtbäume sollten aber als mindestens ebenso wichtig erfasst werden.

Baumschutz in Salzburg und der Schutz alter Bäume

In Salzburg sieht die Salzburger Baumschutzverordnung 1992 (§ 11 Abs. 4 Salzburger Naturschutzgesetz 1999) vor, alte Bäume der Stadt Salzburg zu schützen, wenn sie einen gewissen (artspezifischen) Stammdurchmesser aufweisen, der als Maß für das Baumalter gesehen werden kann. Im Falle einer (bewilligungspflichtigen) Fällung wird lt. Gesetz eine Ersatzpflanzung oder eine Ausgleichsabgabe eingefordert [20]. Aber auch hier gibt es viele Ausnahmemöglichkeiten, z.B. bei Verbauungen. Es besteht die Gefahr, dass manche der solcherart nachgepflanzten Bäume in puncto Ökosystemleistungen wohl kaum jemals dem entsprechen werden, was sie eigentlich ersetzen sollten. Als z.B. Kugelahorn kleingehalten, dienen sie lebenslang als mickrige Dekoration eines architektonisch gestylten Neubaus und werden wohl kaum ihrer ökologischen Aufgabe – weder für Klima, noch für Biodiversität - entsprechend nachkommen können. Auch die Gartenform der Säulen-Hainbuche wird niemals die Lebensraumfunktion der natürlichen Wuchsform erreichen.

Was kann man tun, um (vor allem alte) Bäume zu fördern?

Auf persönlicher Ebene sollte die Scheu vor „Dreck“ durch fallendes Laub und die Sorge um Parkplatzmangel abgelegt werden, und – hoffentlich durch baldige gesetzliche Änderungen unterstützt – auch die überbordende Angst vor Schadenshaftung. Großen, alten Bäumen sollte mehr Schutz und Raum zugestanden werden und ihre unersetzliche Rolle für die Biodiversität gebührend anerkannt werden.

Für Stadtbäume gibt es ja bereits gute Konzepte, die zur Klimafitness der Bäume und damit indirekt zum Wohlergehen des Menschen beitragen sollen. Zum Beispiel das bei Neugestaltungen immer häufiger angewendete „Schwammstadtprinzip“ (sh. Stockholm, Graz), bei dem das Wurzelsystem der Bäume über einen gemeinsamen grundwasserspeichernden Schotterkörper ausreichend Raum und Wasser zur Verfügung hat und so Trockenzeiten besser überstehen bzw. Hochwässer besser puffern kann. Wichtig bei zukünftigen Baumsetzungen ist auch die Wahl der richtigen Baumart, am richtigen Ort, z.B. mit Hilfe der oben vorgestellten Software.

Auf EU-Ebene lassen Maßnahmen zum Schutz der Wälder, die derzeit vom EU-Parlament im Rahmen der EU-Waldstrategie für 2030 ausgearbeitet werden, auf Verbesserungen der Biodiversitätslevel von Wäldern hoffen [21].

Die Zeit, dies alles auch umzusetzen, ist jetzt, denn Bäume wachsen ja nicht von heute auf morgen. Wenn auch nicht jeder gleich ein Hochschulstudium der Ökologie absolvieren kann oder will bzw. ihn alle Zusammenhänge in der Natur interessieren, so wäre angesichts der hochgradigen Abhängigkeit des Menschen von der Natur schon viel erreicht, wenn vielen Menschen alte Bäume wieder ein bisschen „heiliger“ werden würden. (uj)

 

Referenzen

[1] Stumpf U., Zingsem V., Hase A. (2017), „Mythische Bäume “, Kosmos Verlag.

[2] Huber S. (2019), Die Symbolik der Bäume in der Bibel. Kirchenzeitung, 30/2019. Abgefragt am 08.10.2022 von www.kirchenzeitung.at/site/kirche/glaube/die-symbolik-der-baeume-in-der-bibel.

[3] Salzburger Landesregierung, Naturdenkmäler in Salzburg. Abgefragt am 01.10.2022.

[4] VCÖ, Themen: Urbane Hitze. Abgefragt am 01.10.2022 von vcoe.at/hitzeinseln.

[5] Martin M., Paillet Y., Larrieu L., Kern C.C., Raymond P., Drapeau P., Fenton N.J. (2022), Tree-Related Microhabitats Are Promising Yet Underused Tools for Biodiversity and Nature Conservation: A Systematic Review for International Perspectives. Frontiers in Forests and Global Change, 5:818474, doi: 10.3389/ffgc.2022.818474.

[6] Bütler, R., Lachat, T., Krumm, F., Kraus, D., Larrieu, L. (2020), Taschenführer der Baummikrohabitate – Beschreibung und Schwellenwerte für Feldaufnahmen. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL

[7] Redaktion LWF (2014), In und an der Eiche. Abgefragt am 12.10.2022.

[8] Bundesministerium für Klima, Österreich. Der 100-jährige Baum. Abgefragt am 01.10.2022.

[9] Bütler, R., Bolliger, M., Commarmot, B. (2015), Die Suche nach altem Wald in der Schweiz. Schweiz. Z. Forstwes. 166(2): 67-74., sh. auch: Eidg. Forschungsanstalt WSL, Biologisches Alter von Bäumen.

[10] Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW), Waldinventur Bundesland Salzburg nach Altersklassen, 2016-2021, Abgefragt am 01.10.2022.

[11] Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald,
Naturgefahren und Landschaft (BFW), Waldinventur Bundesland Salzburg nach Baumarten, 2016-2021, Baumarten in Wirtschaftswäldern in Salzburg in Prozent. Daten von der Österreichischen Waldinventur 2016-21, Stand 13.06.2022. Abgefragt am 01.10.2022.

[12] Grünwald, W. (2018), Forstrecht: Hiebsunreife beachten: Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Lkonline, Abgefragt am 01.10.2022.

[13] Biermayer, G. (2020), Das Risiko ist entscheidend: Baumarten betriebswirtschaftlich kalkuliert. LWF aktuell 125, S. 22-25. Abgefragt am 01.10.2022.

[14] Plattform Baumkonvention „zukunft mit bäumen – bäume mit zukunft“. Abgefragt am 01.10.2022 von https://baumkonvention.at/

[15] Umweltanwaltschaften fordern Klarstellung zur Baumhaftung (2017), Abgefragt am 01.10.2022 von http://www.umweltanwaltschaft.gv.at/de/stellungnahmen-initiativen/256-luas-baumhaftung

[16] LUA-Notizen 2/2019 (2019), Stadt Salzburg stellt Baumpflege in geschützten Alleen auf Privatgrund ein. Abgefragt am 01.10.2022 von https://www.lua-sbg.at/news/lua-notizen-seiten/aktuell/lua-notizen-22019/#c146

[17] Fuß K. (2010), Gehölzwertermittlung in Österreich. Diplomarbeit, Institut für Rechtswissenschaften, Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität für Bodenkultur, Wien

[18] I-Tree, Tools for Assessing and Managing Forest&Community Trees. Abgefragt am 01.10.2022 von www.itreetools.org

[19] Scholz T., Hof A., Schmitt T. (2018), Cooling Effects and Regulating Ecosystem Services Provided by Urban Trees—Novel Analysis. Approaches Using Urban Tree Cadastre Data. Sustainability (10); doi:10.3390/su10030712

[20] Magistrat Salzburg, Salzburger Baumschutzverordnung, Abgefragt am 01.10.2022.

[21] ORF.at 13.09.2022 (2022), EU-Parlament stimmt ab: Europas Wälderschutz vor Wendepunkt. Abgefragt am 18.09.2022 von orf.at/stories/3284852/

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Susanne Popp-Kohlweiss, MSc nimmt Abschied von der Landesumweltanwaltschaft

Erdbeerbäuerin (c) Susi Popp-Kohlweiss

Meine Tätigkeit als vegetationskundliche Mitarbeiterin bei der Landesumweltanwaltschaft begann im November 2016 noch parallel zum Abschluss meiner universitären Ausbildung. Ich fühlte mich wirklich sehr geehrt so kurz nach der Uni einen so verantwortungsvollen Job ausüben zu können. Auch an meine erste Stellungnahme und das gute Gefühl, ein klein wenig für ein Grauerlen-Gehölz bewirken zu können, kann ich mich noch gut erinnern. Ich wurde in den ersten Monaten sehr geduldig von meiner damaligen Kollegin und jetzigen Umweltanwältin Dr. Gishild Schaufler in den Beruf eingeführt und sie hat meine weitere Tätigkeit mit ihrer besonnenen und analytischen Art sehr geprägt. Eine der Fragen, die ich mir bei schwierigen Verhandlungen oder Entscheidungen oft stellte war: "What would Gisi do?" Auch meine anderen Kollegen bei der Landesumweltanwaltschaft schätze ich nach wie vor aufgrund ihres Teamgeists, ihrer hohen fachlichen Expertise, ihrer Herzlichkeit und der unglaublichen Beharrlichkeit, mit der sie sich für die Belange der Natur einsetzen. Als Verfechter der Naturschutzinteressen waren wir oft Kritik und Ärger der Parteien und manchmal auch der Verwaltungsbeamten ausgesetzt. Der Humor und vor allem der Rückhalt im Team hat dabei immens geholfen.

Daher rührt auch ein wenig schlechtes Gewissen, dass ich die Landesumweltanwaltschaft verlassen habe. Mein Lebensmittelpunkt hat sich während der Karenzzeit meines zweiten Sohnes aufgrund der erschwinglicheren Immobilienpreise, den Corona-bedingten beruflichen Schwierigkeiten des Gatten und dem Wunsch nach Nähe zur Großfamilie nach Kärnten verlagert. Hier bin ich im landwirtschaftlichen Familienbetrieb tätig, bis der Nachwuchs zulässt, dass ich mich wieder professionell als Botanikerin betätige.

Mit Freude lese ich von den Erfolgen der LUA Salzburg. Ich weiß, wie viele Arbeitsstunden und oft auch emotionale Belastung hinter den Beschwerden und Stellungnahmen stehen. Auch wenn so mancher seine Müh' und Not mit der LUA hat, so hoffe ich doch, dass auf lange Sicht jeder den Mehrwert ihrer Tätigkeit für das Bundesland Salzburg und den Beitrag zur Bewahrung ihrer einzigartigen Naturschätze erkennen wird. Bitte macht so weiter wie bisher.

Eure Susi

Susanne Popp-Kohlweiss, MSc

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Neu im Team – Verena Gfrerer, MSc

(c) Verena Gfrerer mit Steinkrebs

Geboren und aufgewachsen in Salzburg habe ich mich von Kindesbeinen an für die Natur und ihre Bewohner sowie deren Schutz interessiert. Dieses Interesse mündete schließlich in einem Biologie-Studium an der Universität Salzburg mit Schwerpunkt Ökologie und Evolution. In meiner Abschlussarbeit erforschte ich autochthone Bachforellen in den Gewässern des Nationalparks Hohe Tauern. Meine darauffolgenden Arbeitsschwerpunkte als selbstständige Biologin lagen im Bereich der Gewässerökologie bzw. Fischereibiologie. In dieser Zeit war ich auch einige Jahre als Werkvertragsmitarbeiterin beim Land Salzburg, Referat Gewässerschutz als Gewässeraufsichtsorgan tätig.

Seit der Gründung des Ingenieurbüros für Biologie und Ökologie ARTENreich OG im Jahr 2016 haben sich meine Interessens- bzw. Fachgebiete zusehends erweitert, wobei es mir speziell die Tagfalter- bzw. Libellenfauna angetan haben. Weitere Schwerpunkte meiner Arbeit stellten herpetologische Fragestellungen sowie der Flusskrebsschutz dar. Eine besonders schöne und interessante Arbeit der letzten Jahre stellte die insgesamt vierjährige Erhebung und Bewertung der durch Krebspest sowie Gewässerbelastungen stark dezimierten Steinkrebsvorkommen im Bundesland Salzburg dar.

Die langjährige Tätigkeit als Kartiererin, Ingenieurbiologin & Gutachterin haben mich über die letzten Jahre mit den Herausforderungen rund um den Biotop- bzw. Artenschutz sowie Gewässerschutz gut vertraut gemacht. Durch mein umfangreiches ehrenamtliches Engagement in den zahlreichen Arbeitsgruppen am Haus der Natur Salzburg bin ich zudem in der lokalen Wissenschaftsszene gut vernetzt. Am Stand der Technik bzw. Wissenschaft zu arbeiten ist für mich zentral.

Besondere Highlights meiner jüngsten entomologischen Arbeit waren die Erstbeschreibung eines bodenständigen Vorkommens der vom Aussterben bedrohten Östlichen Moosjungfer (Leuccorhinia albifrons) sowie die Entdeckung einer bis dato unbekannten Population des stark gefährdeten Eschen-Scheckenfalters (Euphydryas maturna) im Bundesland Salzburg.

Seit September 2022 bin ich nun bei der Salzburger Landesumweltanwaltschaft als Zoologin tätig. Ich freue mich sehr auf die herausfordernden Aufgaben, die der Natur- und Artenschutz in Zukunft bereithalten, nicht zuletzt erfülle ich mir als Mitglied im Team der „Anwältin der Natur und Umwelt“ einen Kindheitstraum. (vg)

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