Editorial – Über Wirtschaftsstandort, Arbeitsplätze und Naturschutz
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Foto: © Gishild Schaufler
Wie in den beiden letzten Editorials (Über die Wertschöpfung der Natur und Zur Erreichung der Natur- und Klimaziele) bereits angesprochen, liegt die Schwierigkeit in der Vertretung der Natur meist im Verkennen ihres lebensnotwendigen Werts, weil ihr langfristiger insbesondere auch wirtschaftlicher Nutzen in den Verfahren nicht ermittelt wird und daher auch nicht gleichwertig den geltend gemachten Zahlen zu Arbeitsplätzen oder regionaler Wertschöpfung gegenübergestellt werden kann. Somit wird weiterhin versucht, die gesetzlichen Bestimmungen abzuschwächen (siehe Artikel zur aktuell aufliegenden Naturschutzgesetz-Novelle) und der touristische Wert der Natur kostenlos genutzt (siehe Artikel zur Rudolfshütte).
Der Konflikt zwischen Wirtschaft, Arbeit und Natur hat sich am Beispiel des Verfahrens zur Werkserweiterung der Firma Schlotterer erneut entfacht, nachdem die LUA (Landesumweltanwaltschaft) Beschwerde gegen den naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheid erhoben hat (siehe Artikel zur Schlotterer-Erweiterung). Obwohl ein Ausnahmeverfahren unter Geltendmachung öffentlicher Interessen nicht einmal beantragt und daher keine Interessenabwägung durchzuführen war, zeigen sich Vertreter von Wirtschaft und Arbeit empört, dass die Umweltanwaltschaft nicht den Interessen von Wirtschaft und Arbeitsplätzen den Vorrang lässt. Zudem zeigen die Aussagen der Präsidenten von Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer sowie der Journalisten-Kommentar in der Salzburger Krone vom 03.08.2024 das Unverständnis für die Wichtigkeit des Erhalts von Natur und Arten für die menschliche Lebensgrundlage. Denn es geht ja nicht um „die Eidechse“ oder „die Äskulapnatter“ an sich, sondern um das Funktionieren der Ökosysteme, die aufgrund der fortschreitenden Bedrängnis zunehmend aus dem Gleichgewicht geraten. Damit sind aber auch ihre Dienstleistungen, die wir zum Überleben brauchen, in Gefahr. Somit ist nicht nur der Wirtschaftsstandort Salzburg in Gefahr, sondern auch unsere natürliche Lebensgrundlage. Denn Arten können nicht so einfach umgesiedelt und Fläche nicht vermehrt werden (siehe Kommentar zum Krone-Kommentar und Artikel zur Problematik von Ersatzlebensräumen). Die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Natur sind daher auch gerechtfertigt und in einem Rechtsstaat zu berücksichtigen.
Dem geäußerten Unverständnis der Wirtschafts- und Arbeitervertreter, dass es neben der Naturschutzbehörde noch eine LUA gibt bzw. dass es unverständlich sei, dass diese nicht mit der Behörde zusammenarbeite, muss folgendes entgegnet werden. Zum einen hat die Behörde ohne nachvollziehbare Begründung gegen das Amtsgutachten der eigenen Amtssachverständigen eine Bewilligung erteilt. Zum anderen haben Behörde und LUA als Partei unterschiedliche Rollen. Abgesehen davon, dass in mehr als 95% der Fälle (wie aus der Verfahrensstatistik hervorgeht; im Übrigen 2024 bisher in 99%) eine gute Abstimmung erfolgt, ist die LUA gerade als Partei zur Vertretung der Naturschutzinteressen Ende der 1980er Jahre von der Politik ins Leben gerufen worden, um ein Gegengewicht zu den wirtschaftlichen Interessen zu schaffen. Dazu wurde aus dem Einparteienverfahren allein mit dem Antragsteller und seinen meist wirtschaftlichen Interessen ein Mehrparteienverfahren mit der Stimme der Natur, um die Einhaltung des Naturschutzes auch einklagbar bzw. um Bescheide, die Naturzerstörung bewilligen, überprüfbar zu machen (siehe zur Rolle der LUA und Angriffe gegen sie im Laufe der Geschichte - Editorial LUA-Notizen 1/2023). Daher ist die vorrangige Aufgabe der Landesumweltanwaltschaft nach dem Gesetz und wie auch bereits der Name sagt, als Anwältin der Umwelt für die Interessen von Umwelt, Natur und Arten einzutreten, um die natürliche Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen zu bewahren und Beeinträchtigungen zu vermeiden (§ 1 LUA-G).
Die Betonung beider Vertreter der Wirtschaft und Arbeit, dass sie natürlich für Natur- und Umweltschutz seien, aber man immer das Gesamtbild sehen müsse und die Beschwerde der LUA übertrieben sei, kann auch beispielhaft für die meisten Konflikte im Naturschutz betrachtet werden. Alle sind für Naturschutz, solange es sie nicht selbst betrifft. Zudem wird der Blick „auf das große Ganze“ immer strapaziert, wenn Arten- oder Naturschutz anderen Interessen entgegenstehen. Aber oft trügt das Gesamtbild, wenn man sich nur auf die eigenen (auch nachvollziehbaren) Interessen konzentriert. Die Natur geht im Gesamtbild leider immer unter, weil es immer auch andere (berechtigte) Interessen gibt, die bisher meist gewonnen haben, wie auch der Welterschöpfungstag, an dem die nachwachsenden Rohstoffe unserer Erde bereits verbraucht sind, dieses Jahr am 1. August (für Österreich bereits am 7. April) zeigte. Der Bodenverbrauch und vielfältige Druck auf die Flächen steigt nach wie vor, weil viele Nutzungsinteressen viel Platz brauchen. Aufgrund des "Shifting Baseline Syndroms" fällt es uns nur nicht so auf, weil wir uns immer weiter daran gewöhnen.
Auch der Argumentation, dass Verzögerungen Geld kosten und wir das am Ende alle zahlen, ist entgegenzuhalten, dass Naturzerstörung ebenso, wenn nicht mehr, Geld kostet. Wenn das Gleichgewicht und somit das Funktionieren der Ökosysteme zusammenbricht, weil durch unsere immer weitergehende (Über-)Inanspruchnahme Kipppunkte erreicht werden, können sie uns ihre Ökosystem-Dienstleistungen nicht mehr zur Verfügung stellen. Wir alle werden dann auch die Folgen von Überschwemmungen, Muren, Hitze, Ernteausfall, Rückgang der Bestäubung usw. zu tragen haben, wobei sozial Schwächere mehr darunter leiden, weil sie weniger Geld zur Anpassung an die widrigen Bedingungen haben.
Deshalb ist neben der Einhaltung von Natur- und Umweltschutzbestimmungen, dem Nutzen von Synergien, der Einsparung von Boden- und Energieverbrauch sowie der Rücksichtnahme auf die Natur (siehe Artikel zur Nachtgartenbeleuchtung) auch die Renaturierung von Lebensräumen (siehe Artikel zur Renaturierungsverordnung) von großer Wichtigkeit.
Gishild Schaufler, Sommer 2024
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Die letzten Blumenwiesen, Schmetterlinge und Wildbienen - Zur geplanten Abschwächung ihres Schutzes im neuen NSchG-Entwurf
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Magerstandort, Foto: Verena Gfrerer
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Die Naturschutzgesetznovelle zu RED III wurde nach der zweiten Begutachtung (siehe zu den ersten beiden Begutachtungsentwürfen in den LUA-Notizen 3/2023 und LUA-Notizen 1/2024) noch einmal überarbeitet [1]. Änderungen gab es aber im Gegensatz zur 2. Version nur dahingehend, dass unabhängig von der Erleichterung für Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien noch zusätzlich allgemeine Abschwächungen des Lebensraumschutzes in den Entwurf aufgenommen wurden.
Zum einen soll der Schutz von Trocken- und Magerstandorten herabgesetzt werden, wie es bereits in den letzten Jahren immer wieder versucht und im Regierungsübereinkommen angekündigt wurde. Wir berichteten zuletzt in den LUA Notizen 2/2023. Zum anderen sollen alle geschützten Lebensräume im gewidmeten Bauland vollkommen aus dem Schutz herausfallen.
Trocken- und Magerstandorte
Die enorme Gefährdung von Trocken- und Magerstandorten war bereits vor 30 Jahren bekannt, wie aus den Erläuterungen der damaligen Landesrätin für Naturschutz Dr. Gerheid Widrich im Jahr 1991 zu den Schmetterlingen hervorgeht: „Von den 56 verschollenen Arten des Landes Salzburg gehören 46 oder 82 Prozent in die Kategorie der Schmetterlinge, die Trocken- und Magerstandorte bewohnen. … Aus all diesen Zahlen könne man ersehen, daß die immer größere Inanspruchnahme durch den Menschen, die immer stärker werdende Zersiedelung und die intensive Bewirtschaftung von Wiesen und Almböden sich negativ auf den Schmetterlingsbestand auswirken“ [2].
Im Naturschutzgesetz 1993 wurden sodann die Trocken- und Magerstandorte soweit aufgenommen, dass sie ins Biotopkataster zu übernehmen und den Grundeigentümern Verträge zur naturnahen Bewirtschaftung oder Pflege anzubieten waren. Bei Ablehnung des Vertragsnaturschutzangebots trat der Lebensraumschutz in Kraft.
Im Jahr 2007 wurde sodann wegen des UVP-Gesetzes, das für mit Verwaltungsakt ausgewiesene Gebiete niedrigere Schwellenwerte vorsieht, der ex-lege-Schutz eingeführt. Gleichzeitig wurde der Schutz aber auf Flächen über 2.000 m² beschränkt. Bereits seit 1993 und weiterhin auch seit 2007 war für die Abgrenzung des Schutzstatus eine überwiegende Deckung (50%) der Zeigerarten notwendig.
Bereits 2019 gab es Pläne, den gesetzlichen Schutz der Trocken- und Magerstandorte wieder abzuschwächen, die zum Glück nicht umgesetzt wurden. Sodann flammte 2021 die Diskussion erneut auf mit dem Argument, dass der Schutz ab 50% verfassungswidrig wäre und deshalb auf 75% eingeschränkt werden müsste. Nach ersten Einschätzungen, die damals bekannt wurden, würden bei der geplanten Erhöhung auf 75% Zeigerarten bis zu 80% dieser für das Überleben von Schmetterlingen, Wildbienen und vielen anderen Tierarten unbedingt notwendigen Lebensräume ihren Schutz verlieren. Das wird u.a. auch verstärkt dadurch, dass sich die 75% Zeigerarten eher im Zentrum der Flächen konzentrieren und nach außen hin abnehmen. Erreichen diese Zentren aber sodann die Mindestgröße von 2.000 m² nicht mehr, fallen auch diese Lebensräume vollkommen aus dem Schutz.
Die Argumentation in den Erläuterungen, dass damit „zukünftig Vollzugsprobleme, die sich aus der derzeit nicht eindeutigen Definition ergeben“ hintangehalten werden sollen, ist aber fachlich wie rechtlich nicht begründbar. Denn die Erkennbarkeit von >75% ist nicht leichter als von >50%. Es handelt sich ebenso um einen unbestimmten Rechtsbegriff, zu dessen Beurteilung es im Einzelfall sachverständigen Wissens bedarf, was im Übrigen auch nicht verfassungswidrig ist.
Wie bereits in unserer Presseaussendung "Verfassung gegen Biotopschutz?" vom Mai 2021 betont, ist die Wichtigkeit der Magerstandorte für den Erhalt der Arten jedenfalls fachlich eindeutig und unbestritten. In den letzten Jahrzehnten sind vor allem im Flachgau und auch in den Tallagen der anderen Gaue ein Großteil der Mager- und Trockenstandorte verschwunden. Diese Lebensräume sind aber die Hot Spots der Artenvielfalt, vor allem für Pflanzen und Insekten und daher auch die letzten Rückzuginseln, in denen ein Überleben dieser Arten wie Thymian, Glockenblume, Enzian, Frauenschuh, Arnika, Wiesensalbei, Schmetterlinge, Wildbienen, Heuschrecken und Eidechsen noch möglich ist. Denn die modernen Vielschnittwiesen, in denen gerade noch Löwenzahn oder Hahnenfuß blühen, bieten weder für Blumen und Kräuter noch für Insekten eine Überlebenschance.
Lebensräume im gewidmeten Bauland
Die Aufgabe des Lebensraumschutzes im gewidmeten Bauland wird in den Erläuterungen damit argumentiert, dass dieser Änderung die Überlegung zugrunde liege, dass die Interessenabwägung bereits im Raumordnungsverfahren stattfinde. Zudem sollen bereits anhängige Wiederherstellungsverfahren eingestellt werden.
Die Erfahrung aus zahlreichen Verfahren zeigt jedoch, dass trotz deutlich negativer Stellungnahmen des amtlichen Naturschutzes solche geschützten Lebensräume in Bauland umgewidmet wurden bzw. auch, wenn aufgrund fehlender Ressourcen beim amtlichen Naturschutz eine Stellungnahme unterblieb. Damit wurden die Probleme nur auf das nachfolgende Naturschutzverfahren verschoben. Fällt der Schutz im Bauland nun komplett weg, können aber weder eingriffsmindernde, Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen vorgeschrieben werden. Dies ist auch für das Raumordnungsverfahren nicht vorgesehen, in welchem es zudem keinerlei Überprüfungs- oder Rechtsmittelverfahren gibt. Somit verliert die Natur hier doppelt. Trotzdem bleibt aber ein Verfahrensrisiko bestehen, zumal ja die Artenschutzbestimmungen flächendeckend und damit auch auf gewidmeten Baulandflächen nach wie vor gelten.
Angesichts der vielfach dokumentierten Rückgänge unterschiedlichster Arten, ist ein Erhalt der noch vorhandenen Trocken- und Magerstandorte sowie der anderen geschützten Lebensräume wie Moore, Sümpfe, natürliche Gewässer mit ihren Ufergehölzbereichen und Feuchtwiesen als wichtige (Über-)Lebensressource für bereits selten gewordene Tiere und Pflanzen von immenser Bedeutung.
In diesem Zusammenhang stellt die LUA wiederholt klar, dass sie die von Bewirtschafter:innen geleistete Pflege zum Erhalt der Magerstandorte sehr wertzuschätzen weiß und sich daher auch für eine angemessene Entlohnung dafür ausspricht. Diese oft äußerst beschwerliche Arbeit leistet einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt und bringt somit einen großen Nutzen für die Allgemeinheit. Deshalb sollten diese Lebensräume weder Aufschüttungen noch Versiegelungen zum Opfer fallen. (gs)
[1] Vorlage der Landesregierung – Gesetz, mit dem das Salzburger Naturschutzgesetz 1999, das Salzburger Nationalparkgesetz 2014 und das Landesumweltanwaltschaftsgesetz geändert werden; www.salzburg.gv.at/00201lpi/17Gesetzgebungsperiode/2Session/531.pdf (07.08.2024)
[2] Landeskorrespondenz/Nr. 167/Seite 5, 29.08.1991
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Rudolfshütte – Berghotel mit 580 Betten nicht UVP-pflichtig?
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Rudolfshütte, Foto: LUA
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Bei der Rudolfshütte handelt es sich nach mehrmaligem Ausbau nicht mehr um eine Berghütte, wie etwa der Name noch vermuten lässt, sondern um ein großes Hotel in einem touristisch genutzten Bereich am Weißsee über 2.300 m Seehöhe im Landschaftsschutzgebiet Felbertal Ammertal Dorferöd. Dieser Bereich wurde trotz seiner Eignung nicht wie die direkt angrenzenden Flächen als Nationalpark (Hohe Tauern) ausgewiesen.
Im Jahr 2011 hatten die Projektwerber um eine Erweiterung des Berghotels angesucht. Bei einer Verdoppelung der Verbauung wurden allerdings nur 30 Zimmer angegeben, für die der Bau überdimensioniert war. Da die Baustelle allerdings bis heute andauert und die naturschutzrechtliche Bewilligung ablief, musste 2019 noch einmal um die gleiche Bewilligung angesucht werden. Erst im Jahr 2023 folgte sodann das aktuelle Ansuchen auf Erweiterung der Betten bzw. Gäste von ca. 350 auf 580 innerhalb des Neubaus. Bei der behördlichen Prüfung auf Vorliegen einer UVP-Pflicht erging sodann der Auftrag an die Amtssachverständigen, nur die Erweiterung der Betten, nicht jedoch die Gebäudehülle zu beurteilen.
Daher wurde das Bauwerk von der sachverständigen Beurteilung im Verfahren zur UVP-Pflicht ausgeschlossen. Diese Herangehensweise führt aber dazu, dass man ein Hotel ohne Betten oder z.B. auch ein Kraftwerk ohne Turbinen bauen kann, einige Zeit abwartet und dann erst den Einbau der Zimmer bzw. Maschinen beantragen kann, sodass nur das Innere auf seine UVP-Pflicht geprüft werden muss. Eine getrennte Prüfung der UVP-Pflicht nur des Innenlebens ohne Hülle ist aber nicht sinnvoll und kann vom Gesetzgeber auch nicht so gedacht sein.
Aber auch abgesehen vom bereits erfolgten Ausbau haben mehr Gäste im hochsensiblen alpinen Gebiet jedenfalls Auswirkungen auf die Umwelt. Denn natürlich kommt es durch mehr Frequenz zu mehr Störung der Tierwelt und Vegetation. Bei einer Erhöhung von rund 350 auf 580 Gäste verstärken sich die Auswirkungen auf das ökologisch sehr sensible alpine Gebiet auf 2.300 m Seehöhe mit seinen spezialisierten Tier- und Pflanzenarten, die nicht so ohne weiteres ausweichen können. Die Urlauber kommen ja auch gerade deshalb auf die Rudolfshütte, um dort Zeit in der Natur zu verbringen.
Bei der Vegetation handelt es sich um geschütztes alpines Ödland, geprägt von Gletscheraktivitäten. Von den Brutvögeln kann z.B. das Alpenschneehuhn nicht ausweichen und wird bereits durch den Klimawandel immer weiter nach oben verdrängt. Zudem ist hier eine wichtige Zugroute der Alpenquerung für den Vogelzug seit den 1970er Jahren belegt. Ebenfalls handelt es sich um eine bekannte Wanderroute von alpenquerenden Schmetterlingen und Fledermäusen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen, unter anderem die höfliche Bitte an die Gäste der Rudolfshütte, abends die Vorhänge gegen die Anlockwirkung für Zugvögel zuzuziehen oder Wanderempfehlungen für die Gäste können aber die Störungen nicht vermeiden. Denn dabei handelt es sich nur um Empfehlungen, die aufgrund der alpinen Wegefreiheit auch nicht verpflichtend sind.
Von den naturschutzfachlichen und zoologischen Amtssachverständigen wurde bereits der bisherige Bestand an Bauwerken und Gästen kritisch mit erheblichen Beeinträchtigungen der Pflanzen- und Tierwelt, Landschaft und Schutzgebiete beurteilt. Die alpine Naturlandschaft wird durch den Hotelkomplex, die Liftanlagen und den fortschreitenden Nutzungsdruck nachhaltig beeinträchtigt. Im Amtsgutachten wurde auch festgestellt, dass es bereits zur Verdrängung störungsempfindlicher Brutvogelarten gekommen ist.
Aufgrund der von der Behörde vorgenommenen Beurteilung nur der Bettenanzahl ohne Gebäudehülle und der zur bisherigen Beeinträchtigung hinzukommenden weiteren Auswirkungen auf das hochsensible alpine Gebiet, das jedenfalls erheblich ist, hat die LUA Beschwerde gegen die Feststellung des Nichtvorliegens einer UVP-Pflicht erhoben. (gs)
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Erweiterung der Firma Schlotterer auf den Adnetfeldern
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Abb. 1: Sehr steiler, strukturreicher Hangwald, Lebensraum der Äskulapnatter, Foto: (vg)
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Im Jahr 2022 wurden erste Pläne der Firma Schlotterer bekannt, auf den Adnetfeldern ein neues Werk zu errichten. Erste Besprechungen und Begehungen, an denen auch die LUA teilnahm folgten, eine Bürgerinitiative, die sich gegen die Errichtung aussprach, gründete sich. Nach Widmung der Wiesen als Gewerbegebiet durch die Gemeinde Adnet, wurde das Ansuchen schließlich gewerberechtlich bewilligt, Beschwerden seitens der Gegner waren erfolglos. Was noch fehlte war die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Parkflächen samt Zufahrt über den steilen Hangwald.
Bei den Adnetfeldern handelt es sich um landwirtschaftlich produktive Grünlandflächen der höchsten Kategorie „Natürliche Bodenfruchtbarkeit“, welche auf einer postglazialen Schotterterrasse zu liegen kommen. Zwischen dem im Norden befindlichen Almbach und der Wiestal-Landesstraße, von wo das neue Werk erschlossen werden soll, befindet sich ein durchgehend steiler, zwischen 30 und 50 m breiter, mit Konglomeratfelsen durchsetzter Hang- bzw. Leitenwald. Aufgrund der Steilheit des Leitenwaldes muss das Gelände zur Errichtung einer LKW-befahrbaren Zufahrt um 4-5 Meter abgesenkt werden, was einer Komplettzerstörung des naturnahen Waldes inkl. seiner Strukturen auf einem Längs-Abschnitt von insgesamt 300 m gleichkommt (Abb. 1). Dabei fällt eine Aushubkubatur von ungefähr 150.000-200.000 m³ an. Für Werk, Parkplätze und Zufahrtsstraße kommt es zu einem Bodenverbrauch von rund 5,6 ha.
Bei den seitens der Firma Schlotterer beauftragten naturschutzfachlichen Erhebungen wurden zahlreiche geschützte und gefährdete Arten, u.a. Vögel, Fledermäuse und Reptilien festgestellt und dokumentiert. Als Schirmart des strukturreichen Leitenwaldes konnte die in Salzburg gefährdete und europarechtlich streng geschützte Äskulapnatter identifiziert werden. Salzburgs größte Schlange besiedelt vorwiegend Restbestände gewässerbegleitender Wälder der Salzach und ihrer Zubringer, zu denen auch der betroffene Almbach gehört. Neben einem generellen Lebensraumverlust ist vor allem die Zerstörung und Fragmentierung ihres Lebensraumes Hauptgrund für ihren Rückgang. Die europaweite Einstufung des schlechten Erhaltungszustandes („ungünstig-unzureichend“) spiegelt diesen Gefährdungszustand wider.
Aufgrund der Tatsache, dass die Komplettzerstörung des Leitenwaldes auf einer Länge von 300 m eine weitere und nachhaltige Verschlechterung für diese Art bedeutet, äußerte sich die LUA von Anfang an kritisch zu dem Vorhaben. Der dadurch verursachte dauerhafte und großflächige Lebensraumverlust inklusive Lebensraumzerschneidung führt dazu, dass die Population getrennt wird, wodurch kein genetischer Austausch zwischen den Individuen in den verbleibenden Abschnitten mehr möglich ist (Abb. 2). Solche zersplitterten „Populationsteile“ sind anfälliger für Krankheiten, auch kleinere Lebensraumveränderungen können zum Problem werden, schlimmstenfalls kommt es zu einem Zusammenbruch der gesamten lokalen Population.
Um solche Gefährdungen zu vermeiden, sieht das europäische Artenschutzrecht den Tatbestand der „Störung“ vor. Das bedeutet, dass erhebliche Störungen bzw. Beeinträchtigungen von Individuen der geschützten Tierart bzw. ihrer lokalen Population verboten sind. Ein Auslösen dieses Verbotstatbestandes in Bezug auf die Äskulapnatter konnte das Amtsgutachten nicht ausschließen, weshalb dieses hierzu negativ war und eine Bewilligung nicht erteilt hätte werden dürfen. Zusätzlich ist während der Bauphase davon auszugehen, dass zahlreiche Tiere zu Schaden kommen bzw. getötet werden, da diese Flächen aufgrund des schwierigen Geländes mit seinem Strukturreichtum nicht erfolgreich abgesiedelt werden können. Auch das ist gemäß den artenschutzrechtlichen Bestimmungen verboten. Das europäische und Salzburger Naturschutzrecht sieht für solche Fälle noch die Möglichkeit des Ansuchens auf eine artenschutzrechtliche Ausnahmebewilligung vor (§ 34 NSchG). In so einem Verfahren wären sodann das öffentliche Interesse und Alternativen zu prüfen. Ein solcher Antrag wurde aber von der Projektwerberin nie gestellt, weshalb dieses Ausnahmeverfahren auch nicht durchgeführt werden konnte.
Trotz zahlreicher im Verfahren vorgebrachter Einwendungen sowie der ausdrücklich und wiederholt geäußerten Bedenken der Amtssachverständigen in Bezug auf das Auslösen eines artenschutzrechtlichen Verbotstatbestandes, der nicht – wie für eine Bewilligung notwendig – ausgeschlossen werden konnte, erteilte die Behörde die naturschutzrechtliche Bewilligung. Da diese aber aufgrund des entgegenstehenden Amtsgutachtens und der gesetzlichen Bestimmungen die Bewilligung nicht hätte erteilen dürfen, erhob die LUA Beschwerde gegen den naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheid (siehe dazu auch oben im Editorial sowie im folgenden Kommentar). (vg)
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Abb. 2: Skizze zur Darstellung der Projektauswirkungen auf die streng geschützte Äskulapnatter, (c) LUA
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"Siedeln wir die Tiere einfach ein paar Meter um – es ist eh genug Lebensraum für sie übrig!" - LUA zum Journalisten-Kommentar in der Krone vom 03.08.2024 zu Schlotterer
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Es klingt wieder einmal verlockend: man könne die Tiere ja absiedeln und es wäre ohnehin noch genügend Platz da. Eine Absiedlung von geschützten Tieren wird bei Bauverfahren in Salzburg zwar immer öfter durchgeführt. Doch damit diese Absiedlung, welche gemäß dem Stand der Technik mit der sogenannten "Zaun-Kübel-Methode" erfolgt, auch funktioniert, muss diese technisch durchführbar sein. Für eine Absieldung der kletternden Äskulapnatter müssen hohe, unüberwindbare Zäune in kleinen Fangfeldern bodendicht aufgestellt werden. Dies ist im Falle des steilen Hangwaldes aufgrund der vorhandenen Felsstrukturen aber einfach nicht umsetzbar.
Zum Argument, es sei "eh noch" ausreichend Lebensraum vorhanden, muss festgehalten werden, dass dem bedauerlicherweise nicht so ist. Wäre das so, würden die Roten Listen der gefährdeten Arten nicht immer länger werden. Gerade die Äskulapnatter ist auch regional in Salzburg als gefährdet eingestuft [1]. Ihr einstiger Lebensraum, die großflächigen Auwälder der Salzach und ihrer Zubringer sind auf wenige kleinflächige, mehr oder weniger isolierte Restbestände geschrumpft. Wer kann also sagen, wie lange sich dieser Abwärtstrend noch ausgeht, bevor die Ökosysteme zusammenbrechen und uns ihre Dienstleistungen nicht mehr zur Verfügung stellen können? (vg) [1] KYEK M. & A. MALETZKY (2006): Atlas und Rote Liste der Amphibien und Reptilien Salzburgs. Stand Dezember 2005. Naturschutzbeiträge 33/06, 240 S.
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Ersatzlebensräume für geschützte Tierarten in der Planung frühzeitig berücksichtigen
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Ersatzlebensraum mit Gewässer und Sonn- und Versteckstrukturen, erfüllt die Lebensraumansprüche sowohl von gewässerbewohnenden als auch landlebenden Tierarten. Foto: Sabine Werner
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Der Rückgang und das lokale Verschwinden von ehemals häufigen Tierarten über die letzten Jahrzehnte ist auch in Salzburg vielfach dokumentiert. Beispielhaft soll nur an die Rote Liste der Schmetterlinge mit den Verlusten der Arten im Flachgau und den übrigen Tallagen, die Erhebungen wiesenbrütender Vogelarten oder der 80%ige Rückgang beim Grasfrosch erinnert werden (siehe dazu LUA-Notizen 1/2018). Da der Mensch mit vielen Vorhaben immer weiter in noch verbliebene Lebensräume von Tieren eingreift, ist die Notwendigkeit des Tierartenschutzes bei der Umsetzung von Projekten dringender denn je und wird mittlerweile auch von vielen Antragstellern anerkannt. Trotzdem besteht bei der Umsetzung von Artenschutzmaßnahmen oft noch ein großer Informationsbedarf.
In den meisten Fällen, in denen Eingriffe in Lebensräume geschützter Tiere erfolgen, ist die Zurverfügungstellung ausreichender und geeigneter Ersatzlebensräume notwendig. Die Planung solcher Flächen muss sich immer an den artspezifischen Anforderungen der jeweiligen Tierart orientieren. Es gibt nicht „die eine“ Maßnahme bspw. für Amphibien, zumal die Arten beim Laichgewässer und beim Landlebensraum unterschiedliche Ansprüche haben. Daher sind bei der Planung von Projekten mit Eingriffen in Lebensräume geschützter Arten rechtzeitig artspezifisch die Anforderungen an Ersatzlebensräume zu berücksichtigen. Folgende Aspekte müssen dabei jedenfalls beachtet werden:
Flächengröße von Ersatzlebensräumen
Der Flächenbedarf an Ersatzlebensräumen ist unterschiedlich, je nachdem ob es nur zu einem temporären Verlust, z.B. bei Verlegung eines Kanals, oder zu einem dauerhaften Lebensraumverlust, bspw. durch Überbauung der Fläche, kommt. Temporäre Eingriffe, bei denen nach kurzer Zeit wieder eine Rückbesiedlung der angestammten Lebensräume möglich ist, können vielfach durch Aufwertung randlicher „Ausweichflächen“ kompensiert werden. Beim dauerhaften Verlust muss für den Ersatzlebensraum meist von einer größeren Fläche ausgegangen werden, da oftmals suboptimale Flächen zur Verfügung gestellt werden. Generell sind Ersatzlebensräume in von der jeweiligen Tierart nicht besiedelten Bereichen zu bevorzugen, damit die Konkurrenz durch die bereits hier lebenden Artgenossen vermieden wird. Die weit verbreitete Annahme, dass die Tiere bei Eingriffen ohnedies in angrenzende Lebensräume ausweichen, funktioniert leider nicht, da sowohl die Lebensraumkapazität als auch das Territorialverhalten vieler Arten dies verhindern. Es kommt damit zwangsläufig zu einer Verdrängung der schwächeren Individuen und damit zu einem Bestandsrückgang mit Verkleinerung der Population.
Lage von Ersatzlebensräumen muss alle Funktionen berücksichtigen
Über das Jahr verteilt muss der Lebensraum von Tieren unterschiedliche Funktionen abdecken. So umfasst der Gesamtjahreslebensraum von Amphibien neben dem Laichgewässer für die Fortpflanzung auch den Landlebensraum im Sommer sowie das Winterquartier samt den zwischen diesen Teillebensräumen notwendigen Wanderkorridoren. Ein Laichgewässer ohne Landlebensraum oder ein Landlebensraum ohne Zugang zum Laichgewässer werden innerhalb weniger Jahre zum Aussterben der Amphibien führen. Neben dem Lebensraumverlust durch ein Projekt ist daher auch dessen Lage im Gesamtlebensraum zu beachten. Neben den jeweiligen Funktionen Fortpflanzung und Jungenaufzucht oder Überwinterung muss auch die Vernetzung zwischen Teilpopulationen weiterhin gewährleistet sein. Denn ohne geeignete Ausbreitungskorridore für die Individuen fehlt der genetische Austausch und das Aussterberisiko steigt. Dabei ist die Frage des Biotopverbunds ebenfalls artspezifisch zu klären, da die Wanderfähigkeit bei nicht flugfähigen, kleinen Arten in der Regel gering ist. Ein weiterer Aspekt ist die Standorttreue von Arten, wie die Laichplatzprägung von Amphibien, die Quartiertraditionen von Fledermäusen oder die alljährlich wieder genutzten Bruthöhlen oder Nester bei vielen Vogelarten.
Faktor Zeit
Bei der Herstellung von Ersatzlebensräumen muss eine ausreichende Entwicklungszeit berücksichtigt werden. Bei der Anlage von Laichgewässern sollte sich der Gewässerhaushalt stabilisieren können. Sollte das Gewässer „kippen“, sterben auch die Amphibienlarven. Optimal ist die Herstellung von Laichgewässern daher im Herbst. Auch bei der Anlage von Lebensraumelementen für Reptilien muss Zeit für die Besiedlung durch Beutetiere einkalkuliert werden, denn die besten Versteck- und Sonnplätze helfen nicht, wenn die hier angesiedelten Eidechsen keine ausreichende Nahrung finden. Die Auflichtung von Altbeständen als Auerhuhnlebensraum wird beim Vorhandensein von Heidelbeerinitialen schneller besiedelt werden als ehemals dunkle Waldbestände ohne Bodenvegetation. Bei Pflanzung einer Hecke ist von mehreren Jahren bis zu einem Jahrzehnt bis zur vollen Funktionsfähigkeit auszugehen. Strukturreiche Wälder mit Altbäumen und Totholz benötigen Jahrhunderte und sind damit nicht kurzfristig herstellbar.
Die Beispiele zeigen, dass die Anforderungen an geeignete und funktionsfähige Ersatzlebensräume durchaus komplex sind. Grundsätzlich ist auch festzuhalten, dass je spezieller und komplexer die Biologie der betroffenen geschützten Tierart ist, umso wichtiger die Spezialkenntnisse bei den planenden Zoologen sind. Und dass je hochwertiger der Eingriffsbereich ist, umso mehr Tierarten unterschiedlichster Artengruppen betroffen sein können – so dass die Anforderungen in Hinblick auf den Artenschutz entsprechend steigen. Eine frühzeitige und ehrliche Abklärung dieser Fragen sollte in einem frühen Planungsstadium erfolgen, in dem noch ergebnisoffen allfällige Alternativen geprüft werden können. Dies würde jedenfalls Planungsaufwand, Geld und Zeit sparen. (sw)
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"Zum Schutz der vielen Arten brennt nachts kein Licht in diesem Garten" - Eine Initiative von "Kein Licht im Garten"
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Sommerliche Gartenbeleuchtung, Foto: Ursula Jaros
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Wenn wir jetzt im Sommer an einem der lauen Abende spazieren gehen, vielleicht in der Hoffnung, einen Blick auf die im Hochsommer vorbeiziehenden Sternschnuppen der Perseiden zu erhaschen, können wir immer häufiger beobachten, dass Gärten mit unterschiedlichsten Formen von Kunstlicht beleuchtet werden. Bäume, Sträucher oder sogar Teiche werden - manchmal die ganze Nacht hindurch – bestrahlt.
Die Baumarktwerbung für Gartenbeleuchtung suggeriert uns, wie auch bei der Weihnachtsbeleuchtung (siehe dazu LUA-Notizen 4/2021 "Alle Jahre wieder"), Gefühle wie „Romantik“ aber auch „Sicherheit“ vor Kriminalität. (Diese „gefühlte Sicherheit“ trügt jedoch: Studien zeigten, dass permanente Straßen- aber auch Gartenbeleuchtungen die Kriminalitätsrate sogar erhöhen können [1, 2]). Solarleuchten, die in fast jedem Supermarkt erhältlich sind, vermitteln sogar einen Touch von „Nachhaltigkeit“, weil sie ja eh mit „erneuerbarer Energie“ betrieben werden.
Tatsächlich aber bewirkt nächtliches Kunstlicht im Garten – egal wie produziert – Tod und Störung von Insekten und anderen Organismen. Dabei wären ausgerechnet strukturreiche Privatgärten Kleinode für die Natur, vor allem wenn sie mehr oder weniger naturnah gestaltet sind. Die Gesamtfläche der mehr als zwei Millionen Hausgärten in Österreich wird auf eine Größe vergleichbar mit dem Nationalpark Hohe Tauern geschätzt [3]. Sie haben das Potenzial, für viele Arten wie kleine Trittsteinbiotope in einer von Zersiedelung geprägten, fragmentierten und landwirtschaftlich monoton genutzten Landschaft zu fungieren, weshalb nächtliche Beleuchtungen ausgerechnet hier äußerst kontraproduktiv sind.
Nächtliches Kunstlicht (Artificial light at night, abgekürzt mit ALAN) beeinflusst nämlich auf sehr vielfältige Weise alle Organismengruppen, inklusive uns Menschen. Zum einen nimmt es uns die Sicht auf die Sterne (80% der Menschen weltweit erleben keinen natürlich verdunkelten Nachthimmel mehr - in den Industriestaaten von Europa und Amerika sogar bis zu 99% [4, 5]). Eine Studie basierend auf Citizen-Science-Daten hat gezeigt, dass durch Lichtverschmutzung in Form von „Sky-glow“ (übersetzt mit Lichtglocke) die Sichtbarkeit von Sternen im Zeitraum von 2011 bis 2022 jedes Jahr um ganze sieben bis fast zehn Prozent reduziert worden war [5]. Insbesondere mit der Einführung der günstigen, stromsparenderen und überall verfügbaren LED-Technologien seit den 2000er Jahren scheint der Zunahme der nächtlichen Beleuchtung des Planeten keine Grenze mehr gesetzt.
Zum anderen stört Lichtverschmutzung neben dem „Verschwindenlassen“ des Sternenhimmels jedoch auch in zunehmendem Maße die fein aufeinander abgestimmten Rhythmen in der Natur, welche sich im Laufe der Evolution in Millionen von Jahren im Zusammenspiel mit dem Hell-Dunkel-Wechsel von Tag und Nacht und dem Verlauf der Gestirne entwickelt haben.
So wird nächtliches Kunstlicht diskutiert als einer der wesentlichen, aber weithin übersehenen Faktoren, die das massive Insektensterben in den letzten Jahrzehnten mitverursacht haben (neben Habitatverlust, Pestiziden, invasiven Arten und Klimawandel [1, 6, 7]). Dieser Zusammenhang ist auch für Nicht-Entomologen (Insektenkundler) leicht nachvollziehbar, wenn man nur einmal beobachtet, wie viele nachtaktive Insekten um eine Gartenlampe bis zur Erschöpfung kreisen. Stattdessen sollten die Tiere die beschränkte Energie ihres kurzen Fluginsektendaseins in erfolgreiche Partnersuche, in Fortpflanzung und zur Eiablage auf einer geeigneten Futterpflanze investieren. Darüber hinaus weist eine neue Studie darauf hin, dass künstliches Licht bei Nacht Pflanzen für Insekten außerdem ungenießbar machen kann [7].
Dass sich dieser Ausfall der Insekten in weiterer Folge – dem Nahrungsnetz entsprechend – auch indirekt auf andere Organismengruppen negativ auswirkt, die auf Insekten als Nahrungsgrundlage angewiesen sind (z.B. Vögel, Amphibien, Fledermäuse, …), ist eine logische Konsequenz. Ebenso, dass dann auch mit Ausfällen der für uns so selbstverständlichen Ökosystemleistung „Bestäubung“ zu rechnen ist, die aber auch für uns Menschen eine wichtige Rolle spielt (Ernährungssicherheit).
Nächtliche Beleuchtung beeinflusst aber auch andere Organismengruppen direkt, z.B. über Störungen von Räuber-Beute-Interaktionen, Fortpflanzungs-, Migrationsverhalten, u.v.a. [1, 8]. Es wird aber auch mit der Entstehung von Krankheiten beim Menschen selbst in Zusammenhang gebracht, von Schlafstörungen und psychischen Problemen bis hin zu hormon-assoziierten Krebserkrankungen [1].
Aufgrund der vielfältigen Auswirkungen auf den Menschen und die Natur, bemühen sich die Landesumweltanwaltschaften Österreichs daher schon seit langem für dieses in seiner Wichtigkeit weit unterschätzte Thema der Lichtverschmutzung zu sensibilisieren (siehe z.B. in den LUA-Notizen 4/2019) [9] und geeignete Auflagen in Naturschutzverfahren zu erzielen [9, 10].
Im privaten Bereich gibt es jedoch - bei der vorhandenen Gesetzeslage - nur wenig Handhabe gegen das Zuviel an nächtlicher Beleuchtung. Einige Initiativen versuchen daher, durch Aufklärung und Sensibilisierung die Schattenseiten des Lichtes einzudämmen, z.B. der nun auch in Österreich etablierte Verein „Paten der Nacht“. Dieser bietet auf seiner umfangreichen Homepage und in den sozialen Medien interessante Vorträge, Folder und Aufklärvideos zum Thema an [11].
Die Organisation gibt folgende Tipps, um Außenlicht zu reduzieren:
- Verwendung einer geringen Lichtintensität, - Abschirmung von Streulicht, um das Licht nur auf den Weg zu richten (nie auf Bäume und Gewässer), - Verwendung einer warmen Farbtemperatur, - Beachten einer niedrigen Montagehöhe, - Einschränken der Beleuchtungszeit mit Zeitschaltern oder Bewegungsmeldern und - natürlich Prüfen der unbedingten Notwendigkeit der Außenbeleuchtung!
Als Extra-Tipp wird auch noch das Anwenden von Jalousien an den Fenstern angeführt, damit keine Innenbeleuchtung unnötigerweise den Garten bestrahlt. Die Initiative "Kein Licht im Garten" bietet auch Gartenschilder mit folgender Aufschrift an: „Zum Schutz der vielen Arten brennt nachts kein Licht in diesem Garten“ [12].
Wenn man die oben empfohlenen Tipps zur Vermeidung von Kunstlicht im Garten beherzigt, kann man nicht nur wieder besser „Sternderlschaun“. Unbeleuchtete Gärten, die etwas naturbelassen und strukturreich (mit Teichen, Totholz, heimischen Pflanzen usw.) gestaltet sind, ermöglichen in lauen Nächten im Frühsommer womöglich auch, das Leuchten von Glühwürmchen wahrnehmen zu können. Wie jenes im hier verlinkten Video, welches die Verfasserin dieses Textes im eigenen (schön dunklen) Garten aufgenommen hat. (uj)
[1] Harteley R. (2023). Artificial Light at Night: State of the Science 2023. DarkSky International. Abgerufen am 27.07.2024 von: darksky.org/news/artificial-light-at-night-state-of-the-science-2023-report/
[2] Blasius R., Seifert M. (2022). “Heilig's Blechle” - Das Problem mit der gefühlten Sicherheit durch Straßenlaternen. Blog auf der Homepage der “Paten der Nacht”. Abgerufen am 27.07.2024 von: www.paten-der-nacht.de/das-problem-mit-der-gefuehlten-sicherheit-durch-strassenlaternen/
[3] Linhard D. (2023). Nationalpark Garten Report 2022. Global 2000. Abgerufen am 27.07.2024 von: www.global2000.at/publikationen/nationalpark-garten-report
[4] Falchi F., Cinzano P., Duriscoe D., Kyba C.C.M., Elvidge C.D., Baugh K., Portnov B.A., Rybnikova N.A., Rurgoni R. (2016): The new world atlas of artificial night sky brightness. Science advances (2). Abgerufen am 27.07.2024 von: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.1600377
[5] Kyba C.C.M., Altıntaş Y.Ö., Walker C.E., Newhouse M. (2023): Citizen scientists report global rapid reductions in the visibility of stars from 2011 to 2022. Science (379). Abgerufen am 27.07.2024 von: www.science.org/doi/10.1126/science.abq7781
[6] Owens A.C.S., Cochard P., Durrant J., Farnworth B., Perkin E.K., Seymoure B. (2020): Light pollution is a driver of insect declines. Biological Conservation (241). Abgerufen am 27.07.2024 von: www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0006320719307797
[7] "Artificial light at night decreases leaf herbivory in typical urban areas“ zit. in: Beer R. (2024): Lichtverschmutzung, Straßenbeleuchtung gefährdet Artenvielfalt. ORF Wissen. Abgerufen am 06.08.2024 von: science.orf.at/stories/3226105/
[8] Burt C.S., Kelly J.F., Trankina G.E., Silva C.L., Khalighifar A., Jenkins-Smith H.C., Fox A.S., Fristrup K.M., Horton K.G. (2023): The effects of light pollution on migratory animal behaviour. Trends in Ecology and evolution (38). Abgerufen am 27.07.2024 von: www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0169534722003329
[9] Homepage der Landesumweltanwaltschaft Salzburg, Abgerufen am 27.07.2024 von: www.lua-sbg.at/themen/artenschutz/kuenstliches-licht/
[10] Initiative der Landesumweltanwaltschaft Tirol, Abgerufen am 27.07.2024 von: hellenot.org/themen/gesetz-norm-und-leitfaden/
[11] Homepage der “Paten der Nacht”. Abgerufen am 27.07.2024 von: www.paten-der-nacht.de
[12] Initiative "Kein Licht im Garten". Abgerufen am 27.07.2024 von www.kein-licht-im-garten.net
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Juristisches LUA-Praktikum: Stephanie Wolfgruber zur Renaturierungsverordnung
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(c) Stephanie Wolfgruber
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Mein Name ist Stephanie Wolfgruber und ich bin in der bayrischen Umgebung von Salzburg aufgewachsen. Nach der Matura begann ich das Studium der Rechtswissenschaften an der Uni Salzburg. Da ich aber ebenso ein großes naturwissenschaftliches Interesse habe, absolvierte ich das Bachelorstudium „Materialien und Nachhaltigkeit“. Im Sinne dieser beiden Fachgebiete durfte ich im Juli 2024 ein juristisches(-ökologisches) Praktikum bei der LUA Salzburg absolvieren. In diesem Zuge habe ich mich unter anderem mit der EU-Renaturierungsverordnung [1] beschäftigt.
Zunächst einmal: was ist denn eine EU-Verordnung? Das ist ein verbindlicher Rechtsakt, der für alle EU-Länder in vollem Umfang gilt. Es ist keine Umsetzung in nationales Recht nötig. Verordnungen haben Anwendungsvorrang vor nationalem Recht. Dieses wird dadurch nicht aufgehoben, darf aber bei Kollision nicht angewendet werden.
Aber warum gibt es denn jetzt auf einmal diese EU-Verordnung? Das hängt mit der 15. UN-Biodiversitätskonferenz zusammen. Diese fand in Montreal (Kanada) unter der Leitung von China statt und endete am 19. Dezember 2022. Die Abschlusserklärung, das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework, ist ein völkerrechtlicher Vertrag mit vier zentralen Zielen und 23 Unterzielen, zu deren Erreichung sich die 196 Vertragsparteien (195 Staaten und die Europäische Union) bis 2050 verpflichtet haben. Unter den 195 Staaten befinden sich auch alle europäischen Staaten. Diese bindende Übereinkunft verpflichtet unter anderem dazu, bis 2030 mindestens 30% der weltweiten Land- und Meeresflächen sowie der Binnengewässer unter Schutz zu stellen, ebenso wie 30% der geschädigten Ökosysteme wiederherzustellen [2].
In diesem Sinne besteht das übergeordnete Ziel der Renaturierungsverordnung darin, durch die Wiederherstellung von Ökosystemen zur dauerhaften, langfristigen und nachhaltigen Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und Widerstandsfähigkeit der Natur in allen Land- und Meeresgebieten der Union beizutragen. Dadurch wird ein Rahmen geschaffen, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten Wiederherstellungsmaßnahmen ergreifen, die sich bis 2030 auf mindestens 20% der Land- und Meeresgebiete der Union und bis 2050 auf alle Ökosysteme erstrecken sollen, bei denen eine Wiederherstellung erforderlich ist. Dabei liegt der Schwerpunkt der Maßnahmen bis 2030 innerhalb des europäischen Natura 2000-Schutzgebietsnetzwerks.
Die Verordnung selbst gibt also keine konkreten Maßnahmen vor, sondern nur das Ziel. Die Mitgliedstaaten müssen dann der Kommission in den nächsten zwei Jahren nationale Wiederherstellungspläne vorlegen, welche diese dann in Zusammenarbeit mit dem betreffenden Mitgliedstaat innerhalb von sechs Monaten bewertet. Diese Vorgehensweise hat einen großen Vorteil: dadurch können die Mitgliedstaaten den eigenen Landschaften und Klimazonen Rechnung tragen und somit die Unterschiede zwischen den jeweiligen Regionen berücksichtigen.
In der Zeit vor und nach der Abstimmung im Umweltminister:innenrat kam es in Österreich zu vielen (falschen oder irreführenden) Annahmen über die EU-Renaturierungsverordnung. Unter anderem sei damit die Ernährungssicherheit gefährdet oder es wurde kritisiert, dass die Kosten mit 154 Milliarden Euro (bis zum Jahr 2070) zu hoch seien. Zu ersterem lässt sich sagen, dass Ernährungssicherheit als zentrales Ziel der Verordnung definiert ist. Zusätzlich dazu kann die Kommission die Umsetzung des Artikels zu landwirtschaftlichen Ökosystemen (Artikel 11) aussetzen, sollte Gefahr für die Versorgung mit Lebensmitteln bestehen. Auch zeigen Studien, dass die Wiederherstellung degradierter Böden das Potential bietet, die Lebensmittelproduktion insgesamt zu verbessern und so auch zu einer Steigerung der Ernährungssicherheit führen kann [3].
Den Ausgaben entgegen steht der Nutzen der Wiederherstellung mit ca. 1 860 Milliarden Euro (zwölf Mal höher als die Kosten). Darunter fällt unter anderem die Kohlenstoffspeicherung durch die Wiederherstellung von Mooren mit 11 – 13 Milliarden Euro und der verbesserte Hochwasserschutz durch Renaturierung von Flussökosystemen. Dieser führt wiederum zu einem höheren Immobilienwert in betroffenen Regionen, höhere Wasserverfügbarkeit für Privathaushalte und Landwirtschaft sowie höhere Gewinne im Tourismussektor. Für diese Ökosysteme beläuft sich das für Österreich auf 862 – 1.053 Milliarden Euro. Weitere ökonomische Vorteile sind beispielsweise eine bessere Bodenqualität, ein vermehrtes Auftreten von Bestäuber-Insekten, welcher monetäre Wert sich in der EU auf 5 Milliarden Euro pro Jahr beläuft, sowie geringere Schädlingsdichten [4]. Für alle Mitgliedstaaten wurde auch der nationale Nutzen berechnet, dieser ist für Österreich zwölf Mal höher als die Kosten für die Wiederherstellung. Dieser Wert wurde auch durch das Umweltbundesamt bestätigt [5].
Durch mein Studium und privates Interesse hatte ich mich bereits weitreichend mit dem Thema Klimakrise beschäftigt. Doch durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Biodiversität wurde mir erst so richtig klar, welche Folgen der Verlust dieser für die Menschheit bedeutet. Klimawandel und Biodiversitätsschwund sind Zwillingskrisen, welche gemeinsam gedacht und gelöst werden müssen. Keinesfalls dürfen diese gegeneinander ausgespielt werden!
In meinem Praktikum durfte ich darüber hinaus an Lokalaugenscheinen und Verhandlungen teilnehmen. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an das gesamte Team der LUA für die spannenden Einblicke und die herzliche Aufnahme ins Team.
[1] Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Wiederherstellung der Natur; data.consilium.europa.eu/doc/document/PE-74-2023-REV-1/de/pdf [30.07.2024]
[2] Kunming-Montreal Global biodiversity framework; www.cbd.int/doc/c/e6d3/cd1d/daf663719a03902a9b116c34/cop-15-l-25-en.pdf [30.07.2024]
[3] Liquete Garcia, M.D.C., Prakash, S., Addamo, A., Assouline, M., Barredo Cano, J.I., Bosco, S., De Jesus Cardoso, A., Da Silva Catarino, R., Czucz, B., Druon, J., Fellmann, T., Gliottone, I., Guerrero Fernandez, I., Montero Castaño, A., Panagos, P., Paracchini, M., Pardo Valle, A., Polce, C., Rega, C., Robuchon, M., Roganti, R., Rotllan Puig, X., Schievano, A. and Vasilakopoulos, P., Scientific evidence showing the impacts of nature restoration actions on food productivity, EUR 31137 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2022, ISBN 978-92-76-54409-8, doi:10.2760/3032, JRC129725; publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC129725 [30.07.2024]
[4] Wirkungsanalyse der Europäischen Kommission; environment.ec.europa.eu/publications/nature-restoration-law_de [30.07.2024]
[5] www.umweltbundesamt.at/naturschutz/nature-restoration-regulation/oekonomischer-nutzen [30.07.2024]
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Fließgewässer, Foto: Gishild Schaufler
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